Acht Wochen in Ghana
Eine Einkaufstour
10. Eintrag:
Eine Einkaufstour
Sandra hatte heute einen schweren Tag. Muniro sprach den gesamten Vormittag mit ihr und versuchte anhand verschiedener Beispiele ihr sein Medikamentensortiersystem zu erklären. Es war nicht sonderlich schwer sein System zu verstehen. Alles, was wir Volontäre tun sollen, ist die Medikamente aufzuschreiben, die wir entnehmen. Muniro schien allerdings nicht zu glauben, dass Sandra ihn verstanden hatte. Er sprach den gesamten Vormittag, bis 13:00 Uhr auf sie ein.
Für mich war es jedoch nicht möglich, ohne Sandras sachkundige Hilfe meine Liste fortzuführen.
Während ich im Internetcafe war ist Abdallah in die Hauptmoschee gegangen um zu beten. Danach kaufte er Lebensmittel ein, denn wir wollten am Abend wieder mal etwas kochen.
Majid, der Oberkrankenpfleger, hat mich gebeten für ihn die Batterie seiner Uhr wechseln zu lassen. Abdallah hat sich auch darum gekümmert.
Handwerkliche Reparaturen sind in Ghana sehr preiswert, denn der Stundenlohn ist sehr niedrig. Vor einigen Tagen habe ich meinen Lederbrustbeutel reparieren lassen und ich überlege gerade, ob ich meine Schuhe reparieren lassen soll. In Deutschland würde sich das nicht lohnen, zu teuer.
11.Eintrag:
Am 29. August war früh aufstehen angesagt, denn ich sollte bei der Essensverteilung mithelfen. Um ca. 6:30 Uhr klingelte mein Wecker und um kurz nach 7:00 Uhr holte mich Yussif mit einem Motorroller ab.
Bei der Vorbereitung konnte ich nicht viel helfen. Für den heutigen Tag stand Yam mit Soße auf der Speisekarte. Mir blieb die Aufgabe die Yamswurzeln zu zerkleinern und zu waschen. Den Rest erledigten die Köchinnen.
Yam ist vergleichbar mit unseren Kartoffeln. Sie habe einen ähnlichen Geschmack, sind aber mehr als doppelt so groß.
Ich hatte mir vorgenommen an diesem Tag mit dem Arzt zu sprechen. Er war immer noch krank, aber er hatte ein wenig Zeit für mich. Ich erzählte ihm das Probleme mit Muniro. Muniro wird einerseits nicht ernst genommen andererseits versucht er nicht die anderen in sein Ordnungssystem mit einzubeziehen. Beide Parteien arbeiten gegeneinander, beide sind nicht zur Kommunikation bereit.
Ein anderer Punkt, welchen ich mit dem Doktor besprach, war meine Medikamentenliste.
Wir hatten zwar jetzt am Krankenhaus einen Computer, aber es gab noch kein Datenverarbeitungsprogramm! Leider hatte auch der Arzt nicht die richtige CD. Meine Hoffnung, doch noch die notwendige CD zu bekommen, ruhte nun auf dem Internetcafe.
Im Haus von Dr. David arbeitet jeden Freitag ein Mitglied der Organisation "Christian Brothers". Von ihm erfuhr ich, dass auch die "Christian Brothers" am Samstag nach Bolgatanga fahren wollten. Nachdem das Essen in Tamale verteilt war, ging ich mit ihm zum Haus des Ordens. Der zuständige Bruder versicherte mir, dass wir am Samstag mitfahren durften.
Der Tag war bisher etwas langweilig für mich gewesen. Deshalb entschied ich mich, in die Stadt zu fahren. Mir kam nichts bestimmtes in den Sinn, außer, dass ich etwas interessantes erleben wollte. In der Stadt angekommen, kauften wir auf dem Markt ein paar Kekse und Bananen. Doch plötzlich fingen alle Menschen an hektisch ihre Sachen zusammenzupacken und nach Hause zu rennen.
Normalerweise scheint die Ghanaer nichts aus der Ruhe zu bringen. Keiner rennt hier nicht hektisch durch die Straßen. Man schlendert mit ca. 2 Km/h durch die Stadt. Wer sich abhetzt wird von der Bevölkerung verständnislos angeglotzt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich je irgendjemanden auf den Straßen habe rennen sehen.
Dieses Verhalten ändert sich jedoch schlagartig, wenn sich der Himmel verdunkelt und ein Gewitter ankündigt. Die zehn Minuten, bevor der Regen da ist, sind jedes Mal aufs neue faszinierend. Es liegt eine Art Untergangsstimmung in der Luft. "Schaff ich es noch vor dem Gewitter nach Hause, oder schaffe ich es nicht?"
Man kann diesen zehnminütigen Countdown in drei Phasen einteilen:
Die erste Phase ist die Erkennungsphase:
Das Licht wird schwächer, es wird allgemein dunkler. Es wird merklich kühler. Plötzlich registriert man, dass alle Menschen um einen herum damit beschäftigt sind, ihre Sachen zusammenzuräumen, oder nach Hause rennen. Wenn diese Faktoren zusammentreffen, dann kann man sicher sein, dass der Regen kommt.
Die zweite Phase ist die Phase der Erkenntnis:
Wenn man ein paar Mal Gewittereinbrüche miterlebt hat, bekommt man ein Gespür dafür, ob man noch rechtzeitig zu Hause ankommt. Die Erkenntnis bezieht sich auf dieses Gespür.
Ich konnte fühlen, dass wir es nicht rechtzeitig bis zur Klinik schaffen würden. Deshalb sind wir stattdessen zu Abdallahs Haus gefahren.
Es machte mir jedesmal großen Spaß zu rätseln, ob wir es noch schaffen, oder nicht.
Die zweite Phase ist die längste, sie wird durch die dritte Phase beendet.
Die Phase der Gewissheit, oder der Kälte und des Sturms:
Sie beginnt ungefähr eine Minute vor dem Unwetter, der letzten Minute vor Ablauf des Countdowns.
Du bemerkst, dass diese Phase beginnt, wenn es sehr windig wird. Kalte Luft strömt durch die Straßen, man muss seine Mütze festhalten. Es kommt mitunter vor, dass Einkauftaschen samt Inhalt weggeweht werden.
Wenn diese Phase beginnt, dann hat man die Gewissheit. Die Gewissheit: "Ja, ich schaffe es!", oder, "Nein, ich werde es nicht rechtzeitig schaffen zu Hause zu sein!".
Für den Fall, dass man es nicht schafft kann man sich getrost auf die Gastfreundschaft der Ghanaer verlassen. Es ist üblich, dass man in die Häuser von fremden Leuten eingeladen wird, wenn das Gewitter anfängt und man noch auf der Straße steht.
Wir haben es gerade noch rechtzeitig zur Wohnung von Abdallahs Onkel geschafft.
Die Wohnung besteht aus zwei Räumen, einem Vorraum mit Dusche und Platz für den Motorroller. Der zweite Raum ist ein kleines Wohnzimmer. Dieser Wohnraum ist ziemlich gemütlich, er ist mit einem Filzteppich ausgelegt, ein Sofa steht in der Ecke, ein Bett, ein Fernseher und eine Musikanlage sind im Raum verteilt.
Abdallah wohnt während seiner dreimonatigen Sommerferien in der Wohnung, den Rest des Jahres lebt er im "Training College". Einer Ausbildungsstätte für angehende Grundschullehrer.
Hinter der Wohnungstür befindet sich ein kleiner Innenhof. Ringsum sind die Zwei-Zimmer-wohnungen der anderen Familienangehörigen. Alle Wohnungen haben ein Dach aus Wellblech.
In Bolgatanga
Am 30. August bin ich um 6:00 Uhr aufgestanden. Um 7:00 Uhr stand ich zusammen mit Abdallah an der Kreuzung zur Straße nach Bolgatanga. Die "Christian Brothers" wollten uns dort aufnehmen. Wir fuhren zusammen mit ihnen nach Bolga. Allerdings haben wir die Stadt erst am Nachmittag gesehen. Unsere erste Station war ein Dorf in der Nachbarschaft von Bolga. Das Dorf hieß Kongo, ich war dort schon einmal am Anfang des Monats zusammen mit der Reisegruppe.
Wir gingen dort in eine Kirche. Der Orden wollte an diesem Tag zwei neue Mitglieder ordinieren. Der Gottesdienst dauerte drei Stunden. Am Anfang war es lustig, es wurde Musik gespielt und getanzt. Später wurde es ziemlich langweilig, denn die Ordinierung der "Christian Brothers" bestand nur aus Reden. Zwei Stunden lang nur Vorträge!
Nach der Messe aßen wir gemeinsam. Das Essen schmeckte sehr gut. Besonders der Salat, denn es gab ein Salatdressing. Ich habe seit über einen Monat kein Salatdressing mehr als Beilage gehabt!
Die Ordensbrüder fuhren direkt wieder nach Tamale zurück. Wir stattdessen nach Bolgatanga.
Ich traf dort Dennis wieder. Letztes Jahr haben meine Mutter und ich zusammen verschiedene Sachen in seinem Geschäft eingekauft. Dieses Jahr half er mir die Preise bei anderen Händlern auszuhandeln. Ich kaufte für einen Freund eine traditionelle Tonpfeife.
Um 17:00 Uhr fuhren wir dann wieder zurück nach Tamale. Für den Hinweg brauchten wir zwei Stunden, für den Rückweg drei. Dies lag einerseits am Regen und an der Dunkelheit, andererseits am Auto, denn der Bus war extrem alt.
Er war etwas größer als ein VW-Bulli und sah aus, als hätte er mindestens 25 Jahre lang seinen Dienst getan. Er musste 34 Personen transportieren, obwohl er höchstens für 24 vorgesehen war, wahrscheinlich sogar nur für 20 Personen. Die Armut treibt die Besitzer dazu, den Bus hemmungslos zu überladen. Wir wurden von vielen LKW überholt. Als wir eine leichte Steigung überwinden mussten schaltete der Fahrer in den zweiten Gang zurück, weil der Motor so schwach war. Zum Glück hatte der Bus einen Scheibenwischer und eine Musikanlage.
Der 31. August war ein Sonntag. An diesem Tag habe ich mich viel ausgeruht.
Ich hielt mich lange in Abdallahs Wohnung auf. Viele Freunde waren da und erzählten ein wenig über sich. Ich wollte auch noch ins Internet gehen, aber die Leitungen waren blockiert.
Auf dem Weg zurück zur Klinik überraschte uns ein Regenschauer, sodass wir uns eine Stunde lang unterstellen mussten.
Zwei neue Volontärinnen waren angekommen. Die zwei österreichischen Medizinstudentinnen leben nun auch in "meinem" Haus.
Abends spielte ich ein wenig Kamu Wali .Dieses Spiel besteht aus einem langen ausklappbaren Holzbrett. In jeder Seite sind sechs Mulden (also insg. 12) ausgeschnitzt. Mit Kugeln, Nüssen oder anderen Früchten können jetzt zwei Spieler die Mulden nach einem bestimmten System füllen und wieder leeren. Es gibt verschiedene Spiele für das Wali-Brett. Ich spiele am liebsten eine Variante, bei welcher man vier Kugeln in einem Loch haben muss, um sie für sich gewinnen zu können. Wer am Schluss am meisten Kugeln hat, gewinnt das Spiel.
Aufbruch: | 31.07.2003 |
Dauer: | 8 Wochen |
Heimkehr: | 26.09.2003 |