Acht Wochen in Ghana

Reisezeit: Juli - September 2003  |  von Baris Yildirim

Die Shekhinah Klinik

7.Eintrag:

Die Shekhinah Klinik

21. August 2003:

Am Vormittag habe ich geholfen den Computer aufzubauen. Es ist der erste PC dieser Klinik!
Später bin ich in die Apotheke gegangen und half dort ein wenig aus. Am Nachmittag konnte ich die Software für den Computer installieren. Dies war am Vormittag leider nicht möglich, denn die Stecker waren mit der Steckdose nicht kompatibel. Die Steckdosen in Ghana habe drei Löcher, sie können deutsche Stecker annehmen, wenn man mit einem Schraubenzieher ins dritte Loch drückt. Es ist etwas kompliziert und gefährlich, aber immerhin funktioniert es.
Wir hatten jedoch weder deutsche noch ghanaische Stecker, es waren chinesische und diese sind wiederum völlig anders gebaut. Also musste zunächst jemand in die Stadt geschickt werden, der die Enden der Kabel austauscht und sie mit ghanaischen Steckern versieht.

In der Klinik ging das Gerücht um, dass bald neue Volontäre eintreffen würden. Die meisten Angestellten hielten es jedoch nicht für glaubwürdig, da schon oft angekündigte Volontäre nicht erschienen sind.

Ich habe eine Liste erstellt in die sich alle eintragen können, die in unserem Haus wohnen. Mir gefiel die Vorstellung, dass später einmal neue Volontäre auf die Liste blicken würden. Sie würden sich ausmalen, wer die Personen seien, die vor ihnen in diesem Haus gewohnt haben. Wenn die Volontäre meinen Bericht gelesen haben, würden sie sogar ein paar Informationen über ihre Vorgänger haben.

Das Wort Krankenhaus ist für Shekhinah eher irreführend. Eine bessere Bezeichnung wäre wohl "Arztpraxis-Wohn-Arbeits-Essensverteil-Zentrum".

Jeden Tag wird am Morgen Essen gekocht. Auf einen Jeep mit Ladefläche wird es dann in die Stadt Tamale gebracht und an Arme, geistig Verwirrte und Alte verteilt.

Täglich können sich 30 Patienten, die kein Geld für die Medikamente haben, am Morgen in der Klinik anmelden. Am nächsten Tag müssen sie bzw. ihre Verwandten eine Arbeit verrichten, die sie berechtigt am dritten Tag untersucht zu werden. Sie werden auch kostenfrei operiert und mit Medikamenten versorgt, wenn es nötig ist. Die Arbeit, welche sie verrichten müssen, ist meistens eine Gartenpflegearbeit. Manchmal helfen die Patienten auch bei der Erdnussernte mit.

Dr. David Abdullai ist der einzige Arzt in der Klinik. Meistens kommt er zweimal pro Woche. Dreimal wöchentlich besucht er eine andere Klinik. In Dr. Davids Klinik arbeiten einige Krankenschwestern und Krankenpfleger. Der Oberpfleger empfängt die 30 Patienten, die am jeweiligen Wochentag behandelt werden wollen. Zu seinen Aufgaben gehört die Untersuchung der Kranken und das Verschreiben von Medikamenten. Die Patienten können sie sich dann in der Apotheke kostenlos abholen. Im Grunde genommen muss der Oberpfleger die Arbeit eines Arztes erfüllen, während der Doktor selbst fast die ganze Zeit im OP steht. In der Klinik werden allerdings nur kleine Operationen durchgeführt.

Zu den täglich 30 nicht zahlenden Patienten kommen noch ein paar finanzkräftigere hinzu. Manchmal sind es insgesamt 40 Patienten pro Tag, manchmal bis zu 70. Wenn ein Patient nicht zahlen kann und wegen seines kritischen Krankheitsverlaufs auch nicht imstande ist drei Tage zu warten, wird er ohne Wartezeit sofort behandelt. Notfallpatienten haben hier immer Vorrang!

Hinter dem Eingangstor ist in der Mitte des Geländes ein langes Gebäude mit einem blauen Davidstern. Der vordere Bereich dieses "Davidsternhauses" ist halb offen, d.h. es gibt ein Dach, aber die Wände sind nur brusthoch. Dort warten die Patienten, die am Vortag gearbeitet haben. Der hintere Teil des Gebäudes ist geschlossen. Dort befindet sich das Zimmer des Sozialarbeiters und der Behandlungsraum des Oberpflegers.

Der Klinikbetrieb wird fast ausschließlich durch Fördergelder aus Holland, Österreich und Deutschland finanziert. Zu den geförderten Diensten gehört neben der physischen Behandlung auch eine seelische Unterstützung und ein Förderungsprojekt für mittellose Schüler, die ihr Schulgeld nicht bezahlen können.

Links neben dem Davidsternhaus befindet sich die Apotheke. Dort werden Medikamente an die Patienten vergeben, die vorher durch den Oberpfleger untersucht wurden.

Rechts neben dem Davidsternhaus sind ein paar Wohnhäuser für alte und kranke Patienten. Ein Wohnkomplex besteht aus sieben kreisförmig angeordneten Rundhäusern aus Beton. Links neben der Apotheke sind Reihenhäuser, welche ebenfalls bewohnt sind. Wenn man tiefer in das Grundstück hinein geht, überquert man über einen großen Platz. Links stehen einzelne eckige Wohnhäuser und etwas weiter hinten wieder runde Wohnkomplexe. Rechts des Weges ist ein längliches Gebäude. Dort ist der Gemeinschafts- und Essensraum für das Klinikpersonal und die Volontäre. Dort befindet sich auch der Operationssaal und die Wäscherei.

Ein Weg führt bis an das andere Ende des Grundstücks. Rechts und links neben dem Pfad sind Bäume gepflanzt worden und auf halben Wege geht nach links ein Pfad ab. Dieser führt zu einem Gebäude, welches eine Raumkirche, zwei Volontärswohnungen und die Küche der Klinik beherbergt.

Der Hauptpfad führt den Besucher der Klinik noch ca. 50 Meter weiter geradeaus und endet an einem einzelnen Haus. Dies ist das Wohnhaus in dem Sandra und ich untergebracht sind. Es ist ziemlich geräumig. Es gibt Leitungswasser, einen Herd, eine Dusche, ein Klo und drei Schlafzimmer. Allerdings ist das Haus ziemlich leer und äußerst dürftig ausgestattet. Die Wände sind teilweise gerade frisch verputzt worden und noch nicht angemalt. Jetzt in der Regenzeit gibt es viele Moskitos, die nachts zum Benutzen eines Moskitonetzes zwingen.

22. August 2003:

Ich habe mir angewöhnt täglich um 7:00 Uhr aufzustehen. Was in Deutschland während der Ferienzeit als masochistisch erscheint ist hier normal. Um sieben Uhr morgens ist man hier einfach wach! Wenn ich nicht gerade ein Schlafdefizit aufzuholen habe, kann ich nach sieben Uhr hier gar nicht mehr weiterschlafen. Vielleicht liegt es an dem freundlichen Wetter, vielleicht daran, dass man fast den ganzen Tag draußen ist.

Es war wenig Betrieb im Krankenhaus und ich half ein wenig in der Apotheke, im Computerraum und beim Medikamente sortieren mit Nora und Sandra.

Am Nachmittag fuhr ich in die Stadt. Ich habe 220 Euro in 2.100.000 Cedis eingetauscht. Diese Währung ist leider sehr viel schwächer als unsere. Selbst die Währung der Nachbarländer ist zehn mal so viel Wert.

Im Verlaufe meines Stadtbesuches kaufte ich mir eine handgemachte Strohmatte und ein neues Tagebuch.

Bücher sind in Ghana oft handgeklebt. Die Manufaktur erlebt hier gerade ihre Blütezeit.

Viele Dinge sind in diesem Land vergleichbar mit der Entwicklung in Deutschland im beginnenden 20. Jahrhundert. Die Familien sind sehr groß, ca. sechs Kinder im Durchschnitt. Viele Personen wohnen in einem Haus und es gibt weniger Autos. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt in Dörfern. Schätzungen zufolge ca. 80%. Viele Waren sind handgemacht, die Löhne niedrig und die Menschen oft arm. Fast alle Menschen in Ghana glauben an Gott. In den Schulen ist die Prügelstrafe ein gängiges Mittel.
Es ist erstaunlich wie viele Parallelen es zu unserer eigenen Gesellschaft vor 100 Jahren gibt!

Wer in die Vergangenheit reisen will, der sollte nach Schwarzafrika gehen. Ich garantiere, es ist eine Erfahrung mit einer anderen Welt!

Falls ihr Interesse habt mehr über dieses Krankenhausprojekt zu erfahren, dann besucht die Website:
www.shekhinah.de

© Baris Yildirim, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Dieser Bericht umfasst eine Reise durch zahlreiche Regionen des Landes Ghana. Meine Aufenthaltsorte waren: Accra, Akosombo, Cape Coast, Kumasi, Tamale (Shekhinah-Klinik), Bunkpurugu, Yendi, Mole- Nationalpark und Hohoe.
Details:
Aufbruch: 31.07.2003
Dauer: 8 Wochen
Heimkehr: 26.09.2003
Reiseziele: Ghana
Der Autor
 
Baris Yildirim berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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