Acht Wochen in Ghana
In den Norden
Dritter Eintrag, 7. August 2003:
In den Norden
Am 3.August haben wir an einem zweieinhalbstündigen Gottesdienst teilgenommen und später besuchten wir den Strand von Cape Coast.
Es war ein sehr bewegendes Gefühl die Messdiener und den Pater in die Kirche schreiten zu sehen. Die Menschen in diesem Land gehen gerne in die Kirche und der Gottesdienst ist keine lästige Pflicht, sondern der sonntägliche Höhepunkt. Die Menschen nehmen mit Freude an der Messe teil. Es wird viel getanzt und die predigten werden teilweise auf englisch und anderenteils in Twi gehalten.
Nach dem Gottesdienst sind wir zum Strand gefahren.
Für mich war es dort allerdings nicht sehr interessant, denn der Strand war zwar sehr schön, aber recht stark besucht. In Erinnerung geblieben ist mir jedoch mein Spaziergang zum anderen Ende des Strandes. Es gefiel mir dort besser, ich habe mich hingesetzt und konnte in Ruhe meditieren - so lange bis mich Jeannette und Schwester Elisabeth abholten! Sie hatten sich Sorgen gemacht, sich gewundert, wo ich abgeblieben war. Ich hatte ca. eine Dreiviertelstunde meditiert und als ich mich erheben wollte merkte ich, dass meine Beine komplett eingeschlafen waren. Mehrere Minuten lang spürte ich meine Beinen nicht mehr. Durch den Sand war entlang meiner Knie ein gleichmäßiger Druck entstanden, den ich während der Meditation nicht gespürt hatte.
Am 4.August fuhren wir nach Kumasi. Unsere Herberge war außerhalb der Stadt. Laurent, einer der Franzosen ist an diesem Tag krank geworden, deshalb brachte man ihn zusammen mit Marek, einem Polen, früher zum Hotel. Während sich Marek und Laurent auskurierten besuchte ich zusammen mit dem der Rest der Gruppe die Stadt.
Kumasi: Dies ist die alte Hauptstadt der Aschanti. Diese Volksgruppe wiedersetzte sich während der Kolonialzeit gegen die Besatzer. Ihr König Prempeh der I. wurde in den 1870er Jahren von den Briten gefangengenommen und nach Elmina gebracht. Dort sperrten sie ihn ein. In der Burg, die ich zwei Tage zuvor besucht hatte.
Kumasi ist die zweitgrößte Stadt in Ghana, seine genaue Einwohnerzahl kennt keiner. Bemerkenswert ist der Markt von Kumasi, man sagt es sei der größte von Westafrika!
Dies verdankt die Stadt einerseits ihrer Vergangenheit als Hauptstadt des Aschantireiches und andererseits ihrer Lage im Herzen von Westafrika.
Wir hatten leider nicht viel Zeit die Stadt zu erkunden. Ich wollte mir dort eigentlich ein paar Sandalen kaufen, aber ohne ausreichend Zeit hat man selbst auf diesem Markt keine Möglichkeit etwas passendes zu finden. Während wir in der Stadt herumliefen mussten wir kurzzeitig von den asphaltierten Wegen ausweichen, denn wir wollten uns die Kathedrale von Kumasi ansehen. Wir gingen durch völlig verdreckte, staubige Straßen, Kinder spielten in Müllkippen und Abwässer bahnten sich ihren Weg. Es ist wohl eine typische Erfahrung für ghanaische Großstädte. Irgendwann reichte das Geld für den Straßenbau nicht mehr aus, folglich hörten die Arbeiter auf zu bauen und das andere, die arme Seite Ghanas kommt zum Vorschein. Wir sind über Eisenbahnschienen gestiegen. Es waren ca. fünf Gleise und scheinbar war das Gleisnetz früher einmal sehr stark benutzt. Heutzutage scheint es kaum mehr genutzt zu werden, denn halb zerfallene Güterwaggons stehen rings umher.
Die Kathedrale war sehr sauber, relativ schlicht, aber doch sehr stilvoll und schön. Neben dem Kreuz waren überall Abbildungen von dem alten Aschantizeichen, welches "den einzigen Gott" symbolisieren sollen. Letztes Jahr habe ich mir ein Medaillon gekauft, auf dem ebenfalls dieses Zeichen abgebildet ist. Die Ashanti nennen es "Niame".
Auf dem Rückweg gingen wir wieder über die Schienen. Wo vorher noch die Kinder zwischen den Güterwaggons spielten war ist in Windeseile ein Markt aufgebaut worden. Das gesamte Schienensystem hatte sich anscheinend in einen Marktplatz verwandelt! Meinen Reisegefährten schien dies nicht aufzufallen, sie waren wohl zu sehr mit der Andersartigkeit des Landes beschäftigt, um es zu bemerken.
Andersartigkeit: Unter dieses Stichwort kann man getrost das Verhalten der Kinder in Ghana setzen. Der erste große Unterschied zu unseren lauten, quengelnden Kindern ist, dass diese schwarzen Kinder sich normalerweise absolut ruhig verhalten. Wenn du ihnen etwas sagst, dann tun sie das, denn in Ghana gilt das Recht des Älteren. Es gibt nicht so viele alte Menschen und die wenigen alten werden verehrt. Niemand scheut sich hier sein Alter zu verraten, insofern er es weiß, denn ein alter Mensch wird sehr respektvoll behandelt. In Deutschland ist es nur allzu oft umgekehrt. In Ghana grüßen dich alle Menschen. Die Kinder winken, solange du in ihrem Gesichtsfeld bist und rufen "Hallo" oder "Obroni" (das ist ein Wort aus der Twi Sprache und heißt "Weißer Mann").Der Tag in Kumasi war für mich sehr anstrengend, deshalb bin ich an diesem Abend früh ins Bett gekrochen. Den 5. August haben wir größtenteils im Bus verbracht. Nach einer zwölfstündigen Reise sind wir in Kongo angekommen. Kongo ist ein kleiner Ort in der Nähe von Bolgatanga.
Wir befinden uns nun im Norden des Landes und im Gegensatz zum Süden ist dieser Teil von Savannen durchzogen. Es gibt wenig Bäume im Norden. Die Trockenzeit ist ungefähr sieben Monate lang und es wird dann geradezu unerträglich heiß. Wir haben Glück, dass wir jetzt, im August hier sind, denn die Regenzeit endet zwischen November und Dezember.
Wir haben im "Christian Renewal Centre" Quartier bezogen. Es gibt einen Essensraum, welcher auch als Gemeinschaftsraum verwendet wird. Wenn man tiefer in das Grundstück vordringt stößt man nach etwa 100 Metern auf ein längliches Gebäude. In dem Gebäude gibt es zehn Räume. Dort haben wir geschlafen. Am Abend bin ich ein wenig krank geworden. Eigentlich sollten wir in der angegliederten Kapelle alle zusammen einen Gottesdienst feiern, aber weil ich mich so schwach fühlte und mein Zimmergenosse Laurent auch krank war, entschieden wir uns, lieber früh schlafen zu gehen.
Am nächsten Morgen ging es uns beiden wieder etwas besser.
Vor dem Mittagessen am 6.August haben uns zwei Afrikaner über die Rolle der Frau in der ghanaischen Gesellschaft aufgeklärt.
Die Frauen in müssen den wesentlichen Teil der Arbeit leisten. Sie sind für den Haushalt zuständig, für die Erziehung der Kinder und zusätzlich für Arbeiten außerhalb. Sie müssen Wasser holen, Produkte auf dem Markt verkaufen, aber den Erlös an den Mann abgeben. Wenn Mann und Frau sich scheiden bleiben die Kinder bei ihm und sie muss versuchen in ihre alte Familie zurückzufinden. Wenn in Ghana eine Frau heiratet, muss sie ihre Familie verlassen, um beim Mann zu wohnen. Anscheinend ist die Umstellung von der traditionellen Gesellschaft zur modernen mit vielen Hindernissen gepflastert. Die Männer können der traditionellen Feldarbeit nur noch teilweise nachkommen und sind infolgedessen oft arbeitslos. Der traditionelle Weg einen Ehemann bzw. eine Ehefrau zu finden ist in Ghana sehr verschieden zur westlichen Auffassung.
Den alten Bräuchen zufolge werden durch die Heirat Familien zusammengebracht. Die zu heiratende Familie wird nach den Kriterien Wohlstand, Ansehen und Politik ausgesucht, nicht der Einzelpersonen wegen. In islamischen Familien kann ein Mann mit vier Frauen gleichzeitig verheiratet sein. Wenn er eine fünfte heiraten möchte muss er die erste "abstoßen".
Diese erste verliert jedoch möglicherweise ihre Kinder, denn die will vielleicht der Mann behalten. Eventuell hat sie Schwierigkeiten in ihrer alten Familie wieder aufgenommen zu werden, denn durch die Auflösung der Heirat büßt sie ihr Ansehen in der Gesellschaft ein. Frauen sind traditionell nur vollwertig, wenn sie Kinder haben. Erst das dritte Kind macht die Frau zu einer angesehenen Person.
Dies alles klingt in unseren, mehr an Gleichberechtigung gewohnten Ohren sehr hart. Es ist jedoch auch eine positivere Entwicklung in diesem Land zu bemerken. Diese alten frauenfeindlichen Strukturen sind zwar noch sehr präsent, sie verloren in den letzten beiden Jahrzehnten schon an Bedeutung. Auch die Männer in Ghana beginnen umzudenken.
Am 7.August haben wir uns die Kathedrale von Navrongo angesehen. Diese Kirche ist zwar nicht so schön und sauber, wie das Gotteshaus in Kumasi, allerdings sind mir die gleichen positiven Merkmale ins Auge gesprungen. Nämlich eine schlichte, stilvolle und etwas fremdartige Kirche. Wir haben in dieser Kathedrale einen Gottesdienst abgehalten. Allerdings war ich an diesem Tag wieder etwas kranker als am Vortag, deshalb wurde ich während der Messe so müde, dass ich fast einschlief.
Navrongo ist die Universitätsstadt in der "Upper Eastern Region". Es gibt zwei große Städte in diesem Distrikt. Bolgatanga und Navrongo. Erstere ist die Regionshauptstadt. Leider konnte ich mir Navrongo nicht ansehen, Bolgatanga habe ich an anderer Stelle beschrieben.
Aufbruch: | 31.07.2003 |
Dauer: | 8 Wochen |
Heimkehr: | 26.09.2003 |