Farm&Travel in Australien
Wieder zuhause
Don't worry about the world coming to an end today. It is already tomorrow in Australia. (Charles M. Schulz)
Die meisten Backpacker beginnen ihre Reise durch Australien in Sydney. Für mich endete sie hier. Als ich von Strathburn aus aufbrach, hatte ich beschlossen, bis Sydney zu reisen und dann zu entscheiden, ob ich wieder eine Arbeit suchen wollte oder nach Hause flog. Aus mehreren Gründen entschied ich mich für letzteres. Natürlich war ich traurig, Australien zu verlassen - aber wegen meiner schlechten Erfahrungen wollte ich nicht zurück ins Outback und für typische Backpackerjobs wie Fruitpicking, Kellnern o.ä. hatte ich nie eine Ambition gehabt. Außerdem hatte ich so intensiv gelebt, so viel gesehen, dass ich das Gefühl hatte, randvoll mit Eindrücken zu sein und gar nicht mehr viel aufnehmen zu können. Und natürlich freute ich mich auch auf Zuhause.
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Am frühen Morgen packte ich meine Sachen, da man in den Hostels meist bereits um zehn Uhr das Zimmer räumen muss. Das Packen war eine langwierige Angelegenheit: Wie sollte ich all das, was ich mir in den letzten Wochen zugelegt hatte, so in meine Taschen bekommen, dass es den Flug überstand?
Da der Shuttle zum Flughafen erst am frühen Nachmittag ging, blieb mir noch einmal Zeit, durch Sydney zu streifen und mich zu verabschieden. Und dann ging es wirklich los - ich konnte es kaum glauben. In Deutschland war es mir immer unglaublich erschienen, in Australien aus einem Flugzeug zu steigen und wirklich dort zu sein. Und nun erschien es mir genauso unglaublich, in Frankfurt aus dem Flugzeug zu steigen, wieder zuhause zu sein... Es war einfach eine andere Welt.
Der letzte Plausch mit einem freundlichen Australier im Flughafenshuttle, das letzte Mal etwas in australischen Dollars bezahlen, das letzte Mal ein "See ya!" - und dann checkte ich schon aufgeregt ein. Der Blick auf die Waage war ein Schock: 28 kg! Ich war doch mit 9 kg hierher gekommen! Doch die netten Beamten ließen mich durch... kaum zu glauben!
Endlich saß ich in der Maschine - doch dann zog ein Unwetter auf und wir konnten nicht starten. Aus Sicherheitsgrünen durften die Fluggäste das Flugzeug aber nicht wieder verlassen. Also saßen wir schon zwei Stunden im Flugzeug, bis es endlich losging.
Als ich im Flugzeug saß, hatte mich die Heimat beinahe schon eingeholt. Ich saß nämlich neben zwei netten deutschen Damen, die gerade von einer Gruppenreise durch Australien kamen und nicht müde wurden, mich über meine "Abenteuer" auszufragen.
Es mag merkwürdig sein, aber auf dem Rückflug war ich viel, viel nervöser als auf dem Hinflug. Ich war so aufgeregt nach Hause zu kommen... Und als wir dann endlich landeten, ich mit klopfendem Herzen mein Gepäck gefunden hatte und meine Mutter wieder in die Arme schloss, war einfach alles nur noch unwirklich.
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Das Einleben dauerte länger, als ich gedacht hatte. Zunächst war es natürlich nicht günstig, mitten im Februar anzukommen. Das kalte Wetter wirkte sich weder auf Physis noch auf Psyche besonders gut aus. Das Grau in Grau draußen, der mürrische Winterblick vieler Zeitgenossen, die Menschen in ihren Mänteln und Schals... Aber andererseits auch das Gefühl "zuhause zu sein", Freunde und Familie, die man vermisst hat, zu sehen und in seinem eigenen Bett aufzuwachen.
Und so war ich zwischen Wiedersehensfreude und Sehnsucht nach Australien hin- und hergerissen. Richtig gut ging es mir erst, als ich ein Praktikum begann und in Deutschland wieder eine neue Aufgabe hatte.
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Was bleibt also übrig nach so einer Reise? Als erstes das Fernweh... Das Gefühl, einfach seinen Rucksack packen zu wollen und wieder los zu ziehen. Das Erlebnis, die exotischsten Gegenden im Geist auszumalen und dann tatsächlich zu sehen, das Freiheitsgefühl des Reisens und das Losgelöstsein des Umherziehens - das vermisse ich. Und natürlich Australien an sich. Ein Land, das für mich etwas ganz Besonderes geworden ist - durch seine Menschen und seine Möglichkeiten, seine Natur und seine Städte, und einfach durch seine faszinierende Atmosphäre, die ich so oft vermisse.
Als ich beschloss, nach Deutschland zurückzufliegen, hatte ich vor allem auch diesen Gedanken: Australien läuft nicht weg. Über den Abschiedsschmerz konnte ich mich damit hinwegtrösten, dass ich noch jung bin und noch viele Australienurlaube vor mir habe. Und tatsächlich reiste ich 2009/2010 noch einmal für acht Monate nach Australien, und auch das wird auf keinen Fall die letzte Reise dorthin gewesen sein.
Viele Veränderungen, die die Reise bei mir bewirkte, traten erst nach langer Zeit ein: Ich wurde selbstbewusster, viel weniger materialistisch, ich achtete mehr auf meine Mitmenschen und ihre individuellen Probleme, ich wurde umweltbewusster und immer besser darin, einfach ich selbst zu sein und das zu tun, was ich wirklich wollte, statt mich immer anzupassen oder nur Erwartungen zu erfüllen. All dies ist mir sehr wichtig, und so kann ich nun wirklich sagen, dass diese Reise mein Leben und mich als Menschen sehr zum Positiven verändert hat.
Nach der Rückkehr ging es mir oft sehr schlecht und lange Zeit fraß das Fernweh mich fast auf. Dann wünschte ich mir, wie so viele Leute, ohne dieses Fernweh zu leben.
Aber andererseits... Wäre es besser, nicht über den Tellerrand geguckt zu haben? Wäre es wirklich besser, Australien nicht zu kennen und nicht zu wissen, dass es so ein wundervolles Stück Erde gibt, dass es noch etwas anderes gibt als unser Leben hier? Ich glaube nicht, denn dann wäre mein Leben um vieles ärmer. Auch wenn das Fernweh weh tut, will ich nicht mit meinem Leben "vorher" tauschen, weil es jetzt einfach zu mir gehört und mich in vielen, vielen Dingen bereichert hat.
Aufbruch: | 07.11.2006 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 07.02.2007 |