Philippinen 2010

Reisezeit: November 2010 - April 2011  |  von Frank P.

6 Monate auf unbekannten Wegen.
Über und unter Wasser.

Der Start

Und endlich erreicht mich erstmals das Gefühl:

Urlaub.

Wochen und Monate hatte ich damit verbracht, mich darauf vorzubereiten. Endlose Stunden verbrachte ich damit, Über Reiseführern zu brüten und im Internet Informationen über Information durchzuarbeiten. Und trotzdem stellte sich einfach das Gefühl Urlaub nicht ein. Zuviel lief nebenher und zerrte an meinen Nerven, lies mich nicht zum atmen kommen.

Früh hatte ich alles soweit vorbereitet, wie dies von Berlin aus möglich war, doch was würde das nützen?

Klar war, trotz aller Informationen, trotzdem ich schon so viel von der Welt gesehen habe, betrete ich Neuland. Noch nie war ich in Süd-Ost-Asien, nie weiter östlich als die arabische Halbinsel. Eine völlig unbekannte Mentalität wird es wohl sein, andere Gepflogenheiten, in einem Entwicklungsland.

6 Monate lang, 5 Monate davon ohne festes Ziel, das Gepäck auf dem Rücken und vor dem Bauch. Mein komplettes Tauch- und Fotogerödel, Netbook und auch ein paar Anziehsachen,

Aber was habe ich überhaupt vorbereitet? 4 Wochen am Anfang, wo Sibille mich begleiten wird und wir "normalen" Urlaub machen. Flüge gebucht, Unterkünfte reserviert. Ob das so hinhaut wird sich erst noch zeigen.

In den vier Wochen werden wir auch 4 verschiedene Unterkünfte haben, mindestens 3 lange Fährüberfahrten brauchen. Fähren waren nicht mal zu reservieren. Und Fähren gelten auf den Philippinen nicht gerade als das sicherste und zuverlässigste Verkehrsmittel.

Es wird schon werden...

Es wird schon werden, an diese Worte werde ich wohl noch öfter denken müssen.

Eine Redewendung der Philippinos lautet dann auch "Bahala na", was in etwa bedeutet "Es wird schon irgendwie gutgehen" oder "Gott wird es richten". Und die müssen es schließlich wissen, immerhin leben sie hier.

Aber trotz aller Unwägbarkeiten und dem mich vorher umgebenen Ungemach, hatte ich nicht eine Sekunde Sorgen wegen der Reise und der Durchführung und nicht nur, weil ich mir sagte, es wird schon gutgehen. Nur das Urlaubsgefühl wollte sich einfach nicht einstellen.

Bereits 3 Tage vor dem Abflug hatten wir alles gepackt. Auch dabei gab keinerlei ernsthafte Probleme. Und das muss man sich zu Gemüte führen. Ich bleibe 6 Monate in einem wildfremden Land und meine Frau begleitet mich vier Wochen. Erlaubtes Gepäck pro Person:

Ein Gepäckstück zu 23 Kg und ein Handgepäckstück 7 Kg. Punkt.

Dies sind Daten, die eine durchschnittliche westeuropäische Frau an den Rand des Nervenzusammenbruchs treiben und sie aus dem Gepäck des Mannes alles rausschmeißen wird, was irgendwie entbehrlich scheint, um die neu geschaffenen Kapazitäten für das eigene Gepäck zu nutzen. Nur bei dieser Geschichte ist der Mann derjenige der durch Tauch-, Foto- und Elektronikausrüstung, mal genau gar keine Kapazitäten abtreten können wird.

Das war eigentlich immer meine einzige Sorge, wie ich das mit 23 Kg und nur einer Reisetasche bewerkstelligen sollte. Kostenlos zusätzliches Tauchgepäck aufgeben, wie es jahrelang üblich war, gibt es nämlich nicht mehr. Es gilt bei der Qatar-Airways als normales Gepäck oder eben Übergepäck, welches zum Spottpreis von 56,- Euro, in Worten sechsundfünfzig, pro Kilo, nicht pro Tasche, sondern pro Kilo, befördert werden könnte. Pro Strecke, nicht etwa hin und zurück. Um es noch deutlicher zu machen. Eine 1-Liter-Flasche Wasser fliegt die Strecke Berlin - Cebu und zurück für 112,- Euro. Ein Sack mit einem Kilo Reis würde natürlich das Gleiche kosten, der könnte dann einfach mal auf den Philippinen und nicht immer in China umfallen.

Egal, da ich nicht vorhatte, aus finanziellen Gründen die Reisedauer von 6 auf 2 Monate zu verkürzen und die Qatar für uns leider konkurrenzlos war, mussten wir uns einfach an das Limit halten. Punkt. Im Übrigen wären andere Fluglinien noch teurer gewesen.

Um es kurz zu machen, wir haben es nicht nur geschafft, sondern deutlich die Höchstgrenzen unterschritten. Die beiden Gepäckstücke wogen 15,6 und 20,3 Kg, beide Handgepäckstücke jeweils 6,6 Kg.

Wenn es nicht schon vorher 1002 Gründe gab, meine Frau zu loben und zu preisen, dann doch wohl jetzt. Eine Frau, die mit knapp 16 Kg Gepäck für einen 4 wöchigen Urlaub auskommt, ist nicht von dieser Welt. Sorgen muss ich mir eher über über meine 33,5 Kg Gepäck machen. Das ist zwar angesichts dessen, was ich eingepackt habe, sicher nicht viel, liegt aber 3,5 Kg oder 224,- Euro über dem Limit. Abgesehen davon, muss ich es ja auch über Monate oft hin und her schleppen.

Bahala na, ich werde schon einiges an Schwund haben und sicher nicht alle Lektüre wieder mit zurück nehmen. Also alles im grünen Bereich.

So saßen wir 3 Tage lang auf gepackten Koffern und warteten auf den Tag des Abfluges. Andre hatte sich bereit erklärt, er würde uns zum Flughafen fahren bzw. von dort mit meinem Auto zurückfahren. Also gab es auch hier kein Problem.

Es war schon fast grotesk. In den letzten Wochen hatte ich so viel um die Ohren, nur mit der Reise schien einfach alles glatt zu gehen. Da pocht dann immer der Gedanken im Hinterkopf "Du musst doch etwas vergessen haben, Du musst doch etwas vergessen haben, Du musst doch etwa..."

Möglich, aber das ist das Problem mit den vergessenen Dingen, man kommt nicht darauf, was es sein konnte. Und man weiß noch nicht mal, ob es überhaupt so ist.

Bahala na, es wird schon gut gehen.

Außerdem, was soll schon schiefgehen, was fehlen?

Sibille ist dabei, was schon fast die gesamte Miete ist.

Pass, Socken, Laptop, alles da. Was fehlt?

Eigentlich nur eines. Das Gefühl, im Urlaub zu sein und zwar 6 Monate lang. Nur das kann man leider nicht einpacken. Im übrigen geht es Sibille genauso, auch bei ihr will sich das Gefühl nicht einstellen, für sie ist es allerdings so, dass sie das Gefühl hat, auf den Mond zu fliegen und keinerlei Bezug zum Reiseort bekommt. Schließlich begleitet sie mich "nur" und hätte sich die Philippinen sicher nicht als Reiseziel ausgesucht.

So fuhren wir also zum Flughafen, alles reibungslos. Eingecheckt und warten. Beim Bummel über den Flughafen schauen Sibille und ich sich an, so eine der Situationen, wo man das Gefühl hat, beide denken gerade das Gleiche. "Ich habe das Gefühl, ich fahre gerade zu Karstadt und nicht in den Urlaub". Sibille nickt. "Ja, ich auch"

So steigen wir also ein. Modernes, bequemes Flugzeug, ordentliche Beinfreiheit. Vor sich hat jeder Fluggast einen Monitor im Vordersitz. Per Touchscreen kann er unter gefühlten 12 Millionen Optionen von Filmen, Fernsehsendern, Musikprogrammen, Spielen, Flugdaten usw. wählen. Was das für ein Schnickschnack? Wo bleibt da die obligatorische Langeweile im Flieger? Wo das Gefühl, "Och nö, nicht diesen Sch...film, da schlafe ich doch lieber". Hallo, das gehört doch zu so einem Langstreckenflug dazu. Wozu habe ich mir Lektüre mitgenommen?

So geht der Flug dann ruhig und problemlos.

Und dann, ganz plötzlich, war es da. Das erste Mal das Gefühl von Urlaub.

Was war geschehen?

Das Essen wurde serviert.

Und hier, eingepfercht in seinem Sitz, essend, wie ein Huhn auf der Stange, mit geschmeidigen Bewegungen wie ein Pinguin Messer und Gabel führend, stellte es sich erstmals ein. Das Gefühl, im Urlaub zu sein. Warum auch immer, es war einfach so.

Ich bin endlich unterwegs, lasse endlich los.

Gepäck für 2 Personen

Gepäck für 2 Personen

© Frank P., 2010
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 04.11.2010
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 30.04.2011
Reiseziele: Philippinen
Der Autor
 
Frank P. berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.