Philippinen 2010
Weiteres aus Malatapay
Auch die folgenden drei Tage verbringe ich damit, mit Elray und seinen Gruppen auf den Tauchgängen zu begleiten, zunächst ein Tag bei Apo Island mit den Tauchplätzen Katipanan, Rock West und Chapel. Ich versuche, so gut es geht, mir alles einzuprägen, aber es sind so viele Eindrücke...
Tags darauf geht es dann zu den Ufertauchplätzen Basak und Malatapay Pier, also wieder was neues. Hier ist die Umgebung nicht annährend so schön wie bei Apo Island, viel Sand, schlechtere Sicht, dafür findet man deutlich mehr kleines Getier, daher wird das hier gern von Makro-Fotografen besucht, die nicht an der schönen Umgebung, sondern eben nur an den kleinen Viechern interessiert sind.
Am Abend bekomme ich das erste Gespräch mit Raphael. Er hat mitbekommen, wie es so läuft und fragt mich, wie ich das sehe. Ich muss leider zugeben, dass ich zwar einiges mache, wie Tauchboxen vorher packen, Flaschen bereitstellen, jeweils zum Boot tragen, Handreichungen für die Gäste. Aber nichts davon wäre wirklich nötig, es könnte problemlos auch von der restlichen Crew erledigt werden. Er bestätigt dies. Insbesondere würde es nicht gehen, dass ich als Guide tätig bin. Ich sehe selber, dass ich nicht hundertprozentig in der Lage bin, die Gruppe nach einer Stunde oder bei Erreichen von 50 bar wieder exakt unter dem Boot zu haben. Er sagt noch dazu, ich habe ja nun mal auch die Brevetierung nicht.
Er habe aber mit Crew, Guide und Gästen gesprochen und ein rundum positives Feedback bekommen, ich hätte schon einen Wert für ihn. Er ist daher sehr wohl daran interessiert, dass ich bleibe und er würde mit Sicherheit eine Tätigkeit finden, die mich ausfüllt. Morgen will er sich mal mit mir zusammensetzen und darüber sprechen. Die nächsten Tage ist er dann unterwegs. Na schauen wir mal.
Folgender Tag dann wieder nach Apo Island und hier wird auch nochmal der Unterschied zwischen den Tauchplätzen deutlich. Erstmals habe ich nämlich an den Tauchplätzen Coconut (das echte Coconut) und Cogan Strömungstauchgänge und zwar echte Strömung. Diese bläst die Taucher an den wunderschönen Fels- und Korallenformationen vorbei. Um nicht zu schnell zu werden, sollte man sich in die Strömung stellen und leicht dagegen schwimmen, wodurch der Vortrieb gemildert wird und man etwas mehr Zeit hat, sich anzuschauen, wo man gerade vorbei getragen wird. Für einen Fotografen, der Ruhe und Zeit braucht, ist das natürlich gar nix.
Schwimmt man allerdings in Richtung der Strömung, wird man dagegen richtig schnell, was natürlich auch Spaß macht. Man sollte nur aufpassen, wo man hintaucht, sonst schlägt man eventuell recht unsanft in einem Felsen oder in den Korallen ein. Da ich versuche, auf die anderen Taucher zu achten, in deren Nähe zu sein, mich dabei aber auch umzusehen, um etwas zu entdecken, was man den anderen zeigen könnte, nebenher versuche mir die Umgebung einzuprägen, schwimme ich oft hin und her, vor und zurück. Dabei stelle ich fest, das ist ganz schön anstrengend, ungefähr so, als ob man in bergiger Landschaft wandert und in einer Wandergruppe immer vor und zurück läuft. Mehr Anstrengung, mehr Luftverbrauch, einfache Rechnung. Beim zweiten Tauchgang habe ich nach 70 Minuten nur noch 40 bar. Das ist an sich natürlich nicht dramatisch, aber eben 30-40 bar mehr verbraucht, als normal und wenn man sich nur treiben lassen würde, müsste der Luftverbrauch sogar geringer und nicht höher sein.
Beim dritten Tauchgang von Rock West nach Katipanan ist dann wieder alles ruhig, der Luftverbrauch wieder normal und ich habe mehr Zeit, mich damit zu beschäftigen, nach Getier zu suchen. Immerhin entdecke ich in den Korallen ein Marble Shrimp und eine Tigermuschel. Jeder hat mal klein angefangen.. Weiterhin bekommen wir eine sehr große Sephia zu sehen.
Wieder in der Basis angekommen, wollen Raphael und ich über alles weitere reden, wir setzen uns in die Bar. Nach den ersten kurzen Aufwärmsätzen, setzen sich jedoch leider die Tauchgäste Angela und Eric dazu und beginnen sich nett mit Raphael zu unterhalten. Fein...
Irgendwann muss Raphael dann gehen, da er morgen für 3 Tage wegfährt, geklärt ist nichts. Ich begleite ihn zum Auto, er sagt, Gäste gehen nun mal vor. Das ist nachvollziehbar, er lebt von denen, für mich ist aber nun blöd, da ich nicht weiß, wie es weitergeht. Er fragt, ob ich denn noch da bin, wenn er wiederkommt, ich frage, ob er tatsächlich Verwendung für mich hat, was er bejaht. Damit sage ich zu, weiter zu bleiben. Die nächsten Tage soll alles wie gehabt laufen.
Am folgenden Tag stehen dann wieder Ufertauchgänge an, darunter zwei neue, Guinsoan Nord nach Süd und Mohon. Hierbei soll ich auf einen neuen Tauchgast, Ibrahim, achten, der nach längerer Zeit wieder taucht. Tatsächlich hat er einige Schwierigkeiten mit der Tarierung, nicht gefährlich, aber merklich. Nach meiner Einschätzung liegt das aber an der ungewohnten Leihausrüstung.
Auch hier gibt es jedoch einige Strömung, daher muss ich immer darauf achten, dass er nicht irgendwo gegen donnert, während er an der Ausrüstung rumfummelt. Auch ist die Sicht mit rund 15 Metern nicht berauschend. Und daraus ergibt sich eine dieser Situationen, die fast comichaft im Gedächtnis haften bleiben. An einer Stelle nimmt die Strömung etwas zu, wir sind schon in Ufernähe also am Aufsteigen, ca. 6 Meter. Ibrahim ist mit dem Inflator beschäftigt, um Luft abzulassen um unten zu bleiben.
Plötzlich ein großer Felsen im Wasser, der bis knapp unter Wasseroberfläche reicht, ca. bis zwei Meter darunter. Ibrahim wird direkt darauf zu getrieben und bemerkt es augenscheinlich nicht. Mist, ich bin etwas entfernt, gebe Gas, um ihm gegebenfalls zu helfen, mit der Strömung wird das ernsthaft schnell. Kurz bevor ich ihn erreiche, bemerkt er den Felsen und schwimmt seitlich vorbei, damit hatte ich nun nicht gerechnet und fliege selber auf den Felsen zu. Ich könnte vielleicht noch seitlich vorbeikommen, ich entscheide mich aber oben drüber, das wird knapp...
Heftig eingeatmet, Fahrstuhl nach oben, ich fliege auf den Felsen zu, ich werde drüber kommen, aber da lauert 2 Meter höher die Oberfläche, ich habe die Lungen voller Luft und habe ordentlich Geschwindigkeit. Ich würde ungern wie ein aufgepumpter Wasserball aus dem Wasser schießen...
Ich mache also folgendes, noch vor dem höchsten Punkt des Felsens atme ich sofort wieder heftig aus und schlage dabei quasi ein Rad über den Felsen. Damit will ich meine Flossen zunächst nach oben bringen, um eine Abwärtsbewegung hinzubekommen und danach gegen die Strömung abbremsen zu können.
Dabei sehe ich auch Ibrahim seitlich an dem Felsen vorbeitreiben. Und ich sehe noch etwas, nämlich oben auf dem Felsen einen sehr schnell weglaufenden Einsiedlerkrebs, der scheinbar panisch das Weite sucht.
Dabei schießt mir die comichafte Situation durch den Kopf.
Kurt, der einsiedelnde Krebs hat es sich auf seinem Felsen gemütlich gemacht und hält Siesta. Seine Augen sind schwer, bis er aus dem Augenwinkel einen recht fetten (Ibrahim) und einen nicht ganz schlanken Taucher (mich) auf sich und seinen Felsen zu rasen sieht. Nun werden seine Augen groß und alle Alarmsirenen schrillen, denn einer davon kommt auch noch direkt auf ihn zu. Er nimmt besser all seine vier Laufbeine in die Scheren und krallt die verbleibenden vier Beine in seinem Gehäuse fest und sieht zu, dass er weg kommt. Nachdem ich über ihn weggedonnert bin, dürfte er noch einige Flüche in unsere Richtung gesandt haben. Recht hat er.
Ich schnüffel schon wieder zu viel Druckluft und meine Fantasie treibt wilde Blüten. Trotzdem steht mir ein breites Grinsen im Gesicht ob meiner letzten Gedanken.
Der nächste Tauchgang am Tauchplatz Mohon, schlechte Sicht, 10 Meter, Ibrahim hat inzwischen seine Tarierung unter Kontrolle. Neben schlechter Sicht gibt es wenig zu sehen. Schade, schade, dieser Tauchgang hätte ruhig etwas schöner sein können. Warum? Es war mein einhundertster Tauchgang. Etwas weniger als sieben Monate nach meinem ersten eigenen Tauchgang also Nummer 100. Im Schnitt also an jedem zweiten Tag einer.
Nummer 101 am Malatapay Pier war dann wieder etwas, wenn auch nicht viel, schöner.
Wieder in der Basis dann eine Überraschung, Marbyl, zuständig für den Schriftkram, Abrechnung und Aufnahme neuer Tauchgäste, fragt mich während ich meine Sachen spüle, ob es okay ist, wenn ich morgen in Apo Island Guide für zwei neue Gäste bin. Ich bin kurz überrascht, sagte Raphael nicht noch gestern abend, als Guide geht nicht? Allerdings bin ich deswegen ja hier und es sind morgen so viele Taucher, dass ein Guide fehlen würde. Elray müsse morgen einen Kurs unterrichten und der zweite Guide Gary kann nicht alle Taucher unter einen Hut bringen, da deren Können meilenweit auseinander liegen würde. Ich solle mich um ein ukrainisches Pärchen kümmern, die noch nicht so fit unter Wasser sind und einige Zeit nicht getaucht sind. Ich sage ja.
Nun bin ich doch wieder Guide, mal sehen, wie das ausgeht.
Aufbruch: | 04.11.2010 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 30.04.2011 |