Philippinen 2010

Reisezeit: November 2010 - April 2011  |  von Frank P.

Wie blöd kann man sein?

Eigentlich lief alles gerade schön nach Plan. Ich hatte eine schöne Unterkunft in Moalboal gefunden, die Umgebung hier ist recht nett, morgen gehe ich erstmals wieder tauchen: Ich habe es auch endlich mal geschafft, mir Kopien von den Papieren meines Scooters zu machen.

Diese werden nun sorgsam verstaut. Die Originale kommen zum Pass und dem Impfpass. Kommen zum Pass... zum Pass... wo ist mein Pass? Oh nein... das... darf nicht wahr sein. Er ist nicht da.

Sofort kommt mir aber die bittere Realität ins Gedächtnis, ich habe den im Safe des letzten Hotels in Cebu City vergessen. Das glaube ich nicht. So oft hatte ich mir schon gesagt, das geht nicht gut, insbesondere bei dieser dämlichen Plastiktütengeschichte und von wegen Safe.

Und vor dem Hotel in Cebu hat mich noch ein einheimischer Reisender zugequatscht, während ich das Motorrad bepackt habe.

Das habe ich ja genial hinbekommen. Ich rufe sofort im Hotel an. Hier zunächst völliges Unverständnis, was ich wollte. Nein, ich möchte nicht einchecken, ich habe bereits ausgecheckt, nur mein Zeug im Safe vergessen. Viermal muss ich erklären, um was es geht. So bescheuert kann die Alte am anderen Ende doch gar nicht sein. Aber ich muss freundlich bleiben, da am anderen Ende ist mein Pass, Impfausweis und viel Bargeld.

Ich male es ihr in Engelsgeduld am Telefon in Worte auf. Endlich versteht sie, da muss sie jemand anderen fragen... Ja, tun sie das bitte...

Kurze Zeit später, erste Erleichterung, das Paket ist noch da. "Dont worry" schallt es vom anderen Ende. Ich beiße die Zähne zusammen, ja klar, okay, ich komme es morgen abholen. Heute ist nicht mehr, es ist 17.00 Uhr und es wird gleich dunkel, bis Cebu City sind es 90 km philippinische Landstraße, das ziehe ich auf keinen Fall mehr durch, die Nummer wäre mir zu heikel.

Mir bleibt nichts, außer morgen in aller Frühe loszufahren. Junge ist das unnötig...

Ich laufe schnell bei der Tauchbasis vorbei und teile mit, dass es morgen eventuell nix wird. Ist okay, ich soll einfach bis 12.00 Uhr anrufen. Das packe ich locker, zumindest, wenn alles glatt läuft.

Junge könnte ich mir in den Arsch beißen. Selbst wenn alles gutgeht, woran ich nicht mal so sehr zweifel, ich muss einmal zusätzlich nach Cebu City, denn einmal muss ich in jedem Fall nochmal hin, um das Original des Certificate of Registration abzuholen und den philippinischen Führerschein machen zu lassen. Ich rufe einfach mal bei dem Händler an und frage nach, ob das Teil da ist. Recht unfreundlich teilt man mir mit, ich möge doch morgen anrufen, der hatte wohl schon Feierabend. Na klasse...

Wer keine Arbeit hat und ich habe hier wahrlich keine, der macht sich halt welche...

Um 5.00 Uhr am nächsten Morgen klingelt der Wecker, ich will ja zeitig los. Draussen ist es noch finster, also trane ich mich aus und um 5.40 Uuhr geht es dann doch los. Ich mache schnelle ein paar neue Erfahrungen.

Zunächst einmal ist es auf den Philippinen nicht immer warm. Das habe ich schon vorher gemerkt, aber so früh ist es für kurze Hosen und T-Shirt eigentlich zu kalt. Na wird schon noch wärmer werden.

Dann stelle ich fest, Philippinos scheinen ein Volk von Frühaufstehern zu sein, es ist noch nicht mal 6.00 Uhr und es ist ordentlich voll auf den Straßen. Auch das Philippinos immer fahren, wann immer möglich, scheint eher eine Fabel zu sein, hier laufen fast alle und vorzugsweise auf der Straße, was dem Verkehr etwas abträglich ist. Mit dem Scooter kann ich mich natürlich recht gut durchschlängeln. Bis Barili ist die Straße teilweise nicht besonders gut und in den Orten immer wieder Menschenaufläufe. Findet hier eine Völkerwanderung statt, neben den Schlaglöchern wollen also die Fußgänge und der Gegenverkehr im Auge behalten werden.

Ab Barili dann keine Fußgängerhorden mehr, dafür in einer kleinen Ortschaft ein Viehmarkt, mit viel Hallo und noch mehr Lieferverkehr. Das hätte recht interessant sein können, aber gerade jetzt interessiert mich der Hintern der dämlichen Kuh vor mir überhaupt nicht. Ich habe doch keine Zeit.

Ich schlängel mich durch, auf dem Weg zwischen Barili und Carcar sind viele Kurven, Steigungen und Gefälle, es geht nur zäh voran.

In Carcar selber dann nochmal reges Treiben auf den Straßen, am Ortsende endlich freie Fahrt bei ordentlichen Straßenverhältnissen. So, mein lieber Gege, jetzt mal zügig durchgeladen und Feuer frei. Ich will heute noch tauchen.

Schnell geht es nun voran, aber nicht nur für mich. Was ich schon bei der Fahrt von Cebu City nach Moalboal bemerkt habe, bestätigt sich nun deutlich. Hier fahren sie wirklich wie die Gestörten, so wie warnend oft vorher beschrieben. Die Busse rasen wie die Kranken, hupen dauerhaft. Ich bin froh, dass die Kawa zügig geht und ich nicht dauernd überholt werde.

Dann wird die Straße vierspurig, jeweils zwei pro Richtung und was ich nun erlebe, war selbst für mich neu und ich habe schon einiges im Straßenverkehr erlebt. Im Gegenverkehr überholen ist nicht unüblich. Im Gegenverkehr überholen selbst wenn einer kommt, auch das ist hier normal und auch schon woanders gesehen. 2 Busse schießen aber den Vogel ab. Sie überholen auf beiden Gegenspuren und es kommen ihnen Fahrzeuge entgegen, die auf den Seitenstreifen ausweichen müssen. Die Geschwindigkeit schätze ich auf 100 kmh. Ich denke kurz deutsch und male mir aus, was ich mit den Fahrern machen würde, so bald ich sie erreicht habe. Es wäre ein recht unerfreuliches Aufeinandertreffen geworden. Ich denke, insbesondere wäre ich da im Gegenverkehr gewesen, wäre ich Amok gelaufen.

Ich denke schnell philippinisch. Es scheint hier genau gar keinen zu interessieren. Ich denke, ich lebe gesünder und ruhiger, wenn ich auch bei solche absurden Dingen es einfach hinnehme wie alle anderen.

Müßig zu erwähnen, dass einer der geistesgestörten Bußfahrer keine 300 Meter später rechts ran fährt um anzuhalten. Wie bekloppt kann man sein...

Egal, ich selber komme auch gut voran. Leider scheine ich aber die South Costal Road verpasst zu haben, die autobahnähnlich aus Cebu City raus und damit natürlich wieder rein führt. Da ich inzwischen in Talisay bin und dichter Verkehr herrscht, muss ich sie verpasst haben. Oh nee.. von Talisay bis Cebu City im Stau? Ich werde zum Elch!

Immerhin bin ich hier in meinem Element und schlängel mich durch und zwar zügig. Oh nein meine kleinen philippinischen Freunde, ihr erklärt keinem Berliner neue Regeln beim Hauen und Stechen in schwerem Verkehr. Auch du nicht, du Schädel von einem Taxifahrer. Das war meine Lücke, das bleibt meine Lücke, da kannst du belanglos hupen und dicht ran fahren wie du willst. Affe...

Endlich Cebu City und bald den Weg nach Downtown erreicht, hier ist wieder freie Fahrt. Ich komme am Hotel an, 8:01 Uhr. Nicht so schlecht für die Verhältnisse. Es war allerdings schon ein ziemlicher Ritt.

Rein und... alles da. Ich bekomme mein "Tütchen" aus dem Tresor, alles drin. Na das war doch schon mal was.

So, was nun? Mein Hintern tut weh und Hunger habe ich auch, Frühstück ist ok, aber nur schnelle Kelle bei Mc D. Ich rufe erneut beim Händler an, vielleicht geht ja doch noch was mit den Papieren, zeitlich bin ich gut dran. Zu gut wahrscheinlich, um 8:20 Uhr geht keiner ran, um 8:30 Uhr auch nicht.

Hmmm... wat nu? Wieder zurück? Nee, mich sticht der Hafer und ich zocke, ich fahre einfach nach Mandaue City und spreche vor Ort vor. Und wenn sie zu haben oder das Papier nicht da ist? Dann habe ich es wenigstens versucht.

Zunächst geht es noch recht zügig, insbesondere durch die Hafenzone von Cebu City, dann kurz nach Ortseingang Mandaue fetter Stau, aber da bin ich ja geübt. Leidlich zügig erreiche ich den Händler, 8:45 Uhr, sie machen gerade auf. Ich stelle mich schon mal verbal auf Debatten ein. Der Verkäufer erkennt mich gleich, grüßt freundlich. Ich frage nach den Papieren. Das mache die Dame am Schreibtisch, ich solle mich doch schon mal setzen. Schön die Verantwortung weitergereicht, denke ich mir.

Die Dame am Schreibtisch würdigt mich weder eines Blickes noch wird mein Gruß erwidert, man merkt ihr an, das ist eigentlich zu früh für sie, kein Vergleich zu den morgendlichen Völkerwanderern. Sie nestelt hier rum, schiebt das an seinen Platz und macht erstmal Notizen in einem Buch. Ich will nicht unhöflich sein, wahrscheinlich muss sie was vorbereiten. Ich mache meine Arbeit ja auch im Büro erst fertig, bevor ich mich eines neuen Problems annehme.

Plötzlich schiebt sie mir das Buch hin und zeigt an eine Stelle, sagt lächelnd "Bitte dort unterschreiben" und holt Papiere aus einer Schublade und legt sie mir hin. Wie jetzt hat die schon für mich gearbeitet? Ich habe ja noch nicht mal gesagt, was ich will und der Verkäufer hat es definitiv auch nicht, da bin ich sicher.

Die kann doch unmöglich gewusst haben, wer ich bin und was ich will.

Doch hat sie. Alles da, Certificat of Registration und Versicherungspolice, Datum von vorgestern, also 7 Tage nach Kauf, genau wie versprochen. Ich komme mir ein wenig doof vor, aber nur kurz. Ich bedanke mich und wünsche einen schönen Tag.

Peng, alles erreicht. In meiner Dämlichkeit vergesse ich meinen Pass, muss früher als erwartet nach Cebu City und dann erledige ich nebenbei noch was zusätzlich. Das Glück ist wohl mit den Dummen. Aber war es Glück?

Auf dem Weg zurück fantasiere ich vor mich hin. Es war und ist kein Glück. Ich bin überzeugt, mir kann einfach nichts passieren. Mir ist hier nichts passiert, mir ist damals bei meinem Ritt durch die USA nichts passiert und auch bei meinen sonstigen, manchmal recht unorthodoxen Unternehmungen, ist mir auch nichts passiert. Mir kann nichts passieren. Ich wurde von einem Engel geküsst und der sitzt zu Hause in unserer Wohnung und macht sich Sorgen um mich. Völlig unnötig, dank ihr kann mir doch gar nichts passieren.

Wer nun meint, ich habe auf der Fahrt zu viele Auspuffgasen geschnüffelt, mag recht haben. Ich bin jedoch sicher, dass mir keiner die Unrichtigkeit meiner These beweisen kann. Und so lange das nicht geschieht, gehe ich jetzt davon aus, dass mir nichts passieren kann. So lange ich in den Gedanken meiner Frau bin, wird mir nichts passieren. Ich weiß es.

Mit diesen Gedanken geht es zurück.

Die South Costal Road finde ich diesmal natürlich und lasse die Fury mal ernsthaft von der Leine, 120 rennt der Bock. Da war ein Schild mit einer 60? Hmmm, die meinten bestimmt nicht mich. Deutlich zügiger läuft der Rückweg. Ich kann jetzt nochmal den Weg von Carcar nach Barili genießen und mich noch mehr an der schönen Bergstraße erfreuen. Zwar habe ich das vorher schon bemerkt, aber mit dem Gepäck beim ersten und angespannt heute morgen beim zweiten Mal, fehlte mir die Muße.

Bald darauf erreiche ich Moalboal, hole mein Tauchgepäck und erscheine pünktlich, wie am Anfang verabredet, um 11:30 Uhr in der Tauchbasis.

Bahala na.

Mehr ist einfach nicht zu sagen.

© Frank P., 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
6 Monate auf unbekannten Wegen. Über und unter Wasser.
Details:
Aufbruch: 04.11.2010
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 30.04.2011
Reiseziele: Philippinen
Der Autor
 
Frank P. berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.