Philippinen 2010
Von Cebu City nach Moalboal
Heute verlasse ich endlich Cebu City Richtung Moalboal. Ich muss zwar nochmal hierher zurück, aber erstmal will ich raus aus dem Mief und dem Krach. Tauchen will ich auch endlich wieder.
Meine Sachen hatte ich wie üblich schon am Vorabend gepackt und ordentlich zurechtgestellt. Jetzt trage ich es hinunter und beginne es auf dem Motorrad zu verstauen. Dabei beobachtet mich ein Einheimischer neugierig. Schließlich spricht er mich an, woher, wohin und überhaupt. Er gibt mir recht belanglose Tipps, ich soll nicht ohne Spiegel fahren, immer alle Papiere dabei haben usw. Ach was. Ich sehe zu, dass ich Land gewinne. Maschine kurz gecheckt und ab dafür.
Mit dem Gepäck quäle ich mich durch Cebu Citys Verkehr. Es fährt sich heute recht instabil, endlich erreiche ich die South Costal Road, eine Art Autobahn, die aus Cebu City rausführt. Oha, die Fuhre wackelt bedenklich, so schnell fahre ich doch gar nicht, aber hier kann ich nicht einfach 40 fahren. Irgendwas stimmt aber nicht, nur kann ich hier schlecht anhalten. Schließlich endet die Art Autobahn und dann versetzt plötzlich das Hinterrad. Mir schwant sofort was los ist und mir graut. An einer Kreuzung halte ich an, wegen des Gepäcks ist es nicht einfach, das Fahrzeug abzustellen, da es immer umkippen würde. Viermal muss ich den Standort wechseln.
Ich steige ab und meine Befürchtungen bewahrheiten sich. Der Hinterreifen ist platt.
Prima. Halten wir zunächst das Positive fest. Das hätte mir auch am Arsch der Welt passieren können, fernab jeglicher Zivilisation. Da habe ich hier ja noch Glück gehabt. Allerdings empfinde ich gerade recht wenig Glück. Ich bin völlig leer, kaum geht es richtig los, ist auch schon die erst Panne da.
Ich entspanne mich erstmal. Die Sonne knallt. Eigentlich ist es völlig egal, ob das so schnell passiert oder später. Ich habe so oder so nicht damit gerechnet, dass ich sorgenfrei durch die Philippinen toure und von allem verschont bleibe. Erstmal ruhig Blut. So stehe ich also 1-2 Minuten rum und denke nach.
Hier ist eine Ortschaft, Lalay, also wäre Hilfe möglich und ein Stück entfernt bin ich, glaube ich, an einem Vulcanisierer vorbeigekommen. Was das denn? Jemand der kaputte Reifen flickt. Der was macht? Reifen flickt, ja, bei uns undenkbar.
Allerdings war der ein gutes Stück weg. Ich fahre so vorsichtig es geht zurück, kurz darauf hält ein anderer Motorradfahrer an, zeigt mir, dass an der Kreuzung, wo ich eben war nur ein Stück die Straße rein, ein Vulcanisierer ist. Na bestens, wenden klappt hier auf der autobahnartigen Straße nicht gerade virtuos, aber man kann wenden und das schaffe ich auch.
Ich schleppe mein waidwundes Vehikel in die Seitenstraße. Eine typisch philippinische Seitenstraße, voller Eaterys (simpelste Ess"lokale"), Shops, dutzenden Tricycles, zig Fußgängern, Kötern, Hähnen, Karaokebars und genau einer Langnase, wahrscheinlich der einzigen im Umkreis von 10 km. Da ist der Vulcanisierer. Eine einfache Bretterbude. Davor eine eigenartige Apparatur, in der ein Feuer brennt und womit wohl Reifen bzw. Schläuche flickt.
Er spricht genau gar kein Englisch, ist aber auch nicht nötig, was kaputt ist, liegt auf der Hand. Jetzt bin ich gespannt was kommt, immerhin habe ich auch noch das volle Gepäck hinten drauf. Interessiert ihn herzlich wenig, er holt einen Metallbock und klemmt diesen unter den Gepäckträger, dessen massive Bauweise sich auch dafür als nützlich erweist. Auch in meinem Reifen ist innen ein Schlauch. Das Ventil ist raus gerissen, na klasse, also neuer Schlauch und dafür muss der Hinterreifen ab, dazu das Gepäck und der Gepäckträger runter.
Falsch gedacht. Es wird einfach ein neues Loch geschnitten, das alte mit der brennenden Apparatur zugeschweißt und das Ventil in das neue Loch eingeschweißt. Ich brüte dabei in der Sonne, bin augenscheinlich Attraktion des Tages. Eine Einladung, derweil in einer Eatery zu essen muss ich leider ausschlagen, ich gönne mir aber ein Wasser.
Als das Ventil sitzt wird der Reifen aufgepumpt und in einem Wasserbad nach Löchern durchsucht. Zwei findet er, in einem steckt noch ein Metallspan. Er markiert sich die Löcher mit kleinen Hölzchen. Jetzt raut er den Reifen an und klebt jeweils einen Flicken drauf, welche wieder aufgebrannt werden. Nach rund 20 Minuten baut er wieder alles zusammen. Ich frage "Finish?", er nickt. Preis? Und jetzt kommt eine knifflige Situation. Ich habe nach dem Preis gar nicht gefragt, hatte auch gar keine Wahl, außerdem sprach er kein Englisch. Wenn er jetzt also 500 Pesos fordert, muss ich das zahlen, ich bin ausgeliefert. Den Preis kann er dann aber auf Englisch nennen.
30 Pesos. Was? Ich frage nach 30 Pesos? Kopfnicken. Ich habe gerade eine Flasche Wasser für 20 Pesos getrunken und das kostet 30 Pesos? 50 Cent?
Ich weiß, es war vielleicht falsch, wahrscheinlich kostet das hier nur so viel. Vielleicht hat er sogar selbst schon etwas draufgeschlagen, aber so geht das gerade für mich nicht. Die 100 Pesos, 1,50 Euro soll er behalten, nein, kein Wechselgeld. Ich war echt am Arsch, ich wollte ja nicht im Niemandsland stecken bleiben, sondern nach Moalboal. Und diese besch... eidene Situation wurde schnell und ohne viel Federlesen beseitigt. Bestimmt ist ein Trinkgeld von über 200% nicht angemessen. Mir egal, gerade hier in diesem Moment hielt ich es für angemessen.
So geht die Reise weiter und jetzt eiere ich auch nicht mehr rum. Vorsichtig fahre ich natürlich trotzdem. Ist auch sinnvoll. Bisher hatte ich den philippinischen Verkehr ja als angenehm empfunden, hier zwischen Talisay und Carcar wird gefahren wie bekloppt, hier sind sie die aberwitzigen Überholmanöver, ohne jegliches Hirn. Busse und LKW überholen einfach, egal was entgegen kommt. Lichthupe und gut ist. Hier ist Aufmerksamkeit wahrlich wichtig. Die Straße selbst ist wieder in recht gutem Zustand.
Ich erreiche Carcar eine übliche philippinische Kleinstadt. Ob ich hier den Reifen und Schlauch wechseln lasse? Dann muss ich alles abbauen und komme eventuell erst sehr spät nach Moalboal, wo ich noch keine Unterkunft habe. Ich entscheide mich, den Flickkünsten des Vulcanisieres zu vertrauen und weiter zu fahren. Geht ja nur in die Bergwelt von Cebu Island.
Weiter muss ich nach Barili und Cebu Island von Ost nach West durchqueren. Ein Schild weißt nach rechts. Die Straße ist weniger gut. Eigentlich laut Plan eine Straße ersten Ranges. Ich fahre weiter, die Straße windet sich durch kleine Ortschaften und immer höher. Ich komme an ein Schild, die genannten Ortschaften sind auf meiner Karte nicht verzeichnet. Ich folge dem eigentlichen Straßenverlauf und plötzlich endet die asphaltierte Straße.
Ne oder? Das kann nicht sein. Es gab aber keinen sinnvollen anderen Weg. Zwei Fußgänger kommen vorbei, wollen helfen. Ich frage nach Barili. Ja ja, da weiter, immer gerade aus.
Nun sollte man wissen, dass Philippinos auch wenn sie nicht den Hauch einer Ahnung haben, trotzdem eine Antwort geben und damit auch in Kauf nehmen, einen Ortsunkundigen am Arsch der Welt, auf einem voll beladenem, kleinen Motorrad einfach eine Schotterpiste entlang schicken, nur um ihr dämliches Gesicht nicht zu verlieren, weil sie sagen müssten "Ich weiß es nicht". Ich habe mir dafür folgende Maßnahme ausgedacht. Ich stelle einfach weitere Fragen, die auf der vorherigen aufbauen bzw. mache Feststellungen, die dann zutreffend wären. Hier also würde ich bald ans Meer kommen und von dort weiter nach Moalboal kommen.
Als ich in die leeren Augen meines Gegenüber blicke und ihm nochmal die Karte und auf Barili zeige, ist er anscheinend doch bereit ein Stück seines Gesichtes zu verlieren und lieber eine Frau in einem Haus gleich am Straßenrand zu fragen. Er hat nämlich genau gar keine Ahnung von dem, was ich ihn gefragt habe oder wo Barili liegt. Die Frau sagt dann klar was los ist. Hier geht es nicht nach Barili, da muss ich nochmal bis Carcar zurück und eine andere Straße nehmen. Mir kam diese hier auch eigenartig vor, aber das Schild war eindeutig. Ich hätte dem ersten Vogel auch gern die Meinung gegeigt, ob ihm klar ist, was er da beinahe angerichtet hätte, aber ich belasse es wieder dabei, einfach weiter zu fahren. Er hätte es eh nicht verstanden. So schüttele ich nur den Kopf, als ich von ihm wegfahre.
Wieder in Carcar angekommen schaue ich mir das Schild nochmal an, eigentlich eindeutig nach rechts. Ich fahre also weiter geradeaus und siehe da, an einem Kreisverkehr kommt ein neues Schild Richtung Barili und hier sieht die Straße auch aus, wie erwartet. Gut, dass ich auf mein Gefühl gehört habe, besser, wenn ich das noch früher getan hätte.
Der weitere Verlauf der Fahrt muss als problemlos bezeichnet werden, der Reifen muckte nicht mehr. Völlig problemlos? Na nicht ganz, nach einiger Zeit setzte Regen ein und auch wenn der Reifen keine Luft mehr verloren hat, so ist er doch ganz schön abgefahren. Dazu das Gepäck, also schön vorsichtig.
Auf Regen folgte aber schnell Sonnenschein und die letzten Kilometer bis Moalboal verliefen nun wirklich reibungslos. Auf Anhieb finde ich auch den Abzweig zu den Unterkünften und auch gleich ein Hinweisschild auf eines der von mir recherchierten günstigen Unterkünfte. Dort angehalten, ein Bediensteter fragt mich gleich, ob ich ein Zimmer möchte. Ja, möchte ich. Die Zimmer seien alle nur mit Ventilator, das wusste ich bereits. Ich frage nach dem Preis, der mir mit 12 US$ bekannt ist und so auch auf der Internetseite zu lesen sind.
Nein, es sei etwas teurer geworden 800 Pesos. Das ist zwar nicht etwas, sondern rund 30% mehr aber ist mir egal. Hier bleibe ich nur eine Nacht und schaue mich heute Abend in Ruhe nach einer anderen Unterkunft um.
Es ist 16.30 Uhr. Bin ich doch ganz gut durchgekommen oder nicht?
Bahala na.
Aufbruch: | 04.11.2010 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 30.04.2011 |