Ke Nako Afrika!
On the road again…
Südafrika - Reisetipp #14:So eine Mietwagenreise erfordert Sitzfleisch.
Auf uns kamen nun die anstrengendsten Tage unseres Urlaubs zu, zumindest was die Fahrstrecken betraf. Wir wollten die Drakensberge im Norden umfahren und dann den Weg nach Süden, Richtung Küste, einschlagen.
Die Etappe des ersten Tages war wahrscheinlich die schönste unserer bisherigen Reise. An immer neuen Bergformationen kamen wir vorbei, passierten zuerst die nördlichen Drakensberge, dann den Sterkfontaindamm und nachher in einiger Entfernung den Royal Natal NP mit seinen markanten Formationen, dem Sentinel und dem Amphitheater.
Bald nachdem wir ein Sotho-Schaudorf "besucht" hatten kamen wir direkt in den nächsten Nationalpark, dem Golden Gate Highlands NP. Wer meint dass uns die ganzen Berge und Felsformationen schön langsam langweilig sein müssten der täuscht sich!
Immer wieder gibt es neue Aussichtspunkte und andere Ansichten, in diesem Nationalpark leuchten skurrile Sandsteinformationen in vielen verschiedenen Farben.
Nicht weit nach dem Golden Gate NP war das Tagesziel erreicht, das Künstlerstädtchen Clarens.
Clarens hat sich in den letzten Jahren zu einem regelrechten Touristenmagneten gemausert, hier reiht sich Kunstgalerie an Kunstgalerie in den fein herausgeputzten Strassen der Stadt.
Mit ein Grund (wenn nicht sogar die Hauptursache) des Touristenbooms dürfte aber sein, dass vor einiger Zeit 2 Berühmtheiten hier weilten: Brad Pitt und Prinz Harry!
Für mich mit ausgeprägter Yellow-Press-Phobie und als Shoppingmuffel sowieso war das alles nun kein wirkliches Highlight, einzig dass es hier ein deutsches Lokal, den "Roten Hahn", gab finde ich erwähnenswert.
Einerseits wegen dem gratis WLAN, hauptsächlich aber weil im Lokal der gute alte Heino ständig Weihnachtslieder schmetterte und weil man hier - sollte man Rippchen bestellen - dicke Scheiben vom Bauchfleisch serviert bekommt.
So kam es dass Christa eine 300g-Bauchfleisch-Scheibe am Teller hatte.
Lacht nicht, sie hatte noch Glück, Sandra bekam es gleich mit 600g vom Schweinebauch zu tun...
Am nächsten Tag hieß es wirklich die Arschbacken zusammenkneifen, mehr als 700km waren bis Graaff-Reinet zurückzulegen, dem "Juwel der Karoo".
Der Weg dorthin führte uns durch den wenig aufregenden Free State, die größte Stadt auf der Strecke ist Bloemfontein.
Davor sieht die Gegend so:
danach so:
aus.
Trotzdem überstanden wir die Fahrt besser als gedacht und weil wir schon um 05:30 aufgebrochen waren, hatten wir bereits um 15:00 ein Zimmer in Graaff-Reinet bezogen.
Graff-Reinet ist ein schönes, historisch interessantes Städtchen, immerhin die viertälteste von Europäern gegründete Stadt in Südafrika. Um ein niedliches Kirchlein scharen sich einige weitere herausgeputzte Kolonialhäuser, allesamt Nationaldenkmäler.
Hier in der Karoo wollten wir nun endlich einmal Springbok essen als uns auf dem Weg zum empfohlenen Restaurant ein Xhosa auf deutsch ansprach.
Es stellte sich heraus dass es sich bei ihn um den im Lonely Planet erwähnten Xolile Speelman handelte, er wollte mit uns eine Township-Tour machen, wollte uns das Leben der schwarzen Bevölkerung mit all ihren Problemen näherbringen.
Genau jene Township-Tour hatte Christa vorab schon ins Auge gefasst, so traf es sich gut dass sich Xolile sozusagen "selber gemeldet" hatte.
Hannes und Sandra waren vorab eher skeptisch was den Besuch des Townships betraf, zu sehr hatten wir vor allem Hannes im Lauf unserer Reise immer wieder mit seiner Township-Angst aufgezogen.
Spätestens nach dem Essen aber waren die beiden auf unserer Seite, Xolile holte uns direkt vom Restaurant ab und versorgte uns von der ersten Sekunde an mit interessanten Informationen.
Der Name "Township" zum Beispiel wurde aus Soweto, der bekanntesten aller Townships, übernommen. Soweto ist die Abkürzung von "SOuth WEst TOwnship" und wurde dem Gebiet nahe Johannesburg seinerzeit von der weißen Regierung gegeben. Soweto entstand weil die weiße Regierung die schwarzen Leute zwar nicht in der Stadt, dennoch aber als billige Arbeitskräfte immer "in Griffweite" haben wollte.
Nur wenige Minuten vom Stadtzentrum von Graaff-Reinet zu Fuß entfernt betritt man eine andere Welt.
Ärmliche und ärmlichste Hütten stehen im Kontrast zu den fröhlichen und freundlichen Menschen, unter ihnen viele Kinder, die man auf der Strasse trifft.
Das Alkoholproblem ist allerdings unübersehbar, ständig torkeln uns v.a. ältere Männer entgegen. Trotzdem grüssen sie uns, einige entschuldigen sich sogar für ihren Rausch.
Wir betreten eine Shebeen, eines der Township-Lokale die früher ohne Lizenz ausschenkten. Dieses hier betreibt seine Wirtschaft jetzt legal, es gibt aber auch noch jede Menge illegale Lokale.
Xolile hat uns am Anfang gefragt ob wir einige der Hütten auch von innen sehen wollten. Er versicherte uns glaubhaft, dass er bei jeder seiner Touren andere Häuser besuchen würde, damit das gegebene Trinkgeld an immer neuen Stellen ankommt. Noch lieber als Geld aber würde in den Häusern gebrauchte Kleidung genommen werden.
Seit dem Ende der Apartheid wurde an jedem Haus eine Außentoilette, ein Wasseranschluss und ein Stromanschluss eingerichtet. An der Stromzuleitung hängt eine Art PIN-Eingabegerät, den PIN können sich die Menschen im Stadtamt gegen Bezahlung holen, ähnlich wie bei einer Telefonwertkarte.
So vorbereitet betraten wir das erste Haus, einige Kinder hatten davor gespielt und waren zu uns gekommen.
Es gab einen Wohnraum, eine Küche und ein Schlafzimmer, inmitten all dessen stand eine blinde Frau umringt von vielleicht 6 oder 7 Kindern. Die Kinder tollten herum, für sie war diese Umgebung selbstverständlich - wir waren wie vor den Kopf geschlagen.
Noch ärmlicher dann die 2. Hütte, nur aus dünnen Holzbrettern und Wellblech.
Dort saß ein junger Mann auf einem alten Eisensessel, gleich daneben seine schüchterne Frau, in der anderen Hälfte des Raumes stand deren zerschlissenes, heruntergekommenes Bett.
Hinter einem Vorhang sehen wir noch die "Küche" sowie einen blechernen Waschzuber.
Wir waren willkommen, dennoch sah man beiden Leuten, besonders der Frau, an wie unangenehm ihnen diese Situation war.
Xolile erzählt über die Lebensumstände der Menschen, über Korruption und wie dankbar man hier über UNO- und EU-Hilfen ist. Von der UNO kommen viele der gemauerten Häuser, von der EU kommen die Wasserleitungen. Aus Südafrika selber kommt kaum etwas, Grund: Wer im Township wohnt bezahlt keine Steuern. Die komplette Infrastruktur wird deshalb von o.g. Institutionen und privaten Gönnern bezahlt.
Wir laufen weiter, gehen dann nochmal in eine Hütte - diese wird gerade um einen Raum erweitert. Ein neues Kind soll gemacht werden und das erfordert Privatsphäre...
Jetzt sagt Xolile wir sollen einen Block alleine gehen, er wartet hinter der nächsten Ecke auf uns.
Kein Problem, wir sind ja jetzt schon alte Township-Hasen! Es dauert nicht lange, schon sind wir von einer Horde Kinder umringt, gewunken wird allerorts und ein Mann kommt und will uns helfen. "Durch das Township dürft ihr nicht alleine gehen, ihr seid weiß!"
Dann wieder kommt uns eine Kindergruppe singend, tanzend und verkleidet entgegen und möchte dass wir sie fotografieren, an der gleichen Stelle ist das Hospital und Xolile erklärt dass hier 16% aller Menschen HIV haben.
Allerdings nur von denen die sich testen ließen, die Dunkelziffer ist wesentlich höher...
Diese Township-Tour war ein Wechselbad der Gefühle, einerseits die unvorstellbare Armut der Menschen, der Kontrast zum 500m entfernt liegenden Ortskern von Graaff-Reinet. Andererseits die ausgestrahlte Lebensfreude der Menschen, allen Umständen zum Trotz.
Ganz im Gegensatz dazu schienen im weißen Teil von Graaff-Reinet die Gehsteigkanten mit Sonnenuntergang hochgeklappt zu werden. Auf unserer Suche nach einem Pub oder einer Bar für ein Feierabendbirl wurden wir erst nach langem Weg und erst in einer Seitengasse fündig - obwohl es immerhin Samstagabend war!
Na ja, in diesem Pub waren dann einige reifere Damen Zugange, eine davon, in sexy weißen (für unsere Augen etwas zu knappem) Leggings gekleidet, hat uns direkt mit großen Gesten in Graff-Reinet willkommen geheißen.
Jede Wette: wären Hannes und ich alleine gewesen dann wären wir von den überwuzzelten Schnecken an Ort und Stelle und mit Haut und Haar vernascht worden...
"Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Die nächstbeste Zeit ist jetzt."
Aus Uganda
Aufbruch: | Oktober 2011 |
Dauer: | circa 5 Wochen |
Heimkehr: | November 2011 |
Swasiland