Ich braus dann mal davon - einmal um die Welt
Die Magie von Cuzco
Bolivien liegt hinter mir. Der Flug von Santa Cruz ueber Las Paz und weiter ins peruanische Cuzco war spektakulaer (Bilder vom Titicacasee-Ueberflug s. voriges Kapitel). Beim Landeanflug auf Cuzco denkt man die ganze Zeit, wo der Pilot zwischen all den eng zusammenstehenden Andengipfeln eine Schneise finden soll. Bis sich dann das Tal vn Cuzco oeffnet.
Cuzco magisch
Cuzco ist einer jener Orte, an dem man (also der weitreisende Tourist) einmal gewesen sein muss. Spektakulaer auf 3300 Metern in den Anden gelegen, mit einer Vergangenheit so wechselhaft und mythenumrankt wie sonst nur Rom oder Jerusalem. Die alte Hauptstadt der Inka, erbaut in der Form eines Panthers, Herrscherin ueber ein Gebiet, das Tausende Kilometer weit reichte, tief bis ins heutige Chile im Sueden, bis nach Ecuador im Norden. Der Legende nach wurde im 12. Jahrhundert der erste Inka Mannco Capac vom Sonnengott Inti beauftragt, qosq'o, den Nabel der Welt zu finden. Riesige Tempel und Palaeste entstanden, von denen immer noch stattliche Ueberreste zu sehen sind.
1533 marschierte Fancisco Pizarro in die Stadt ein.
Und gestern bin ich hier angekommen....
Wenn ich gesagt habe, dass Cuzco einer der Orte ist, die man gesehen haben muss, so duerften auch die Nebenwirkungen klar sein. Hunderttausende stroemen jedes Jahr in die Stadt, zumal in unmittelbarer Naehe auch Machu Pichu liegt. Und so ist alles auf Tourismus programmiert. An jeder Ecke gibt es Pizza (statt wie frueher Pizzarro), und dauernd fluestern einem Frauen "Massage, Massage" zu. Es gibt Shiatsu und "Swedish Massage". In Anspielung auf den Jungferauenkult der Inka antworte ich nun "Nur, wenn die Masssage von einer wunderschoenen Jungfrau durchgefuehrt wird." Das Ablenkungsmanoever funktioniert ausgezeichnet, von diesem seltsamen Touristen lassen die "Massage Massage - Frauen" etwas irritiert wirkend schnell ab.
Trotz all dieser Nebenwirkungen, trotz all dieser Schlepper, die einem Touren hier- und dahin verkaufen wollen, bleibt Cuzco ein magischer Ort. Man muss nur in eine Nebenstrasse abbiegen, hoch ins Kuenstlerviertel San Blas steigen - und schon hat einen der Charme Cuzcos gefangen genommen. Da sitzen Quechua-Frauen strickend in den Gassen, die Tuecher in den kleinen Geschaeften leuchten bunt, und mit jeder Strassenecke wechselt die Perspektive auf die huegelige Stadt.
San Blas
Der heilige Blasius heisst auf Spanisch San Blas. Ihm zu Ehren haben sie auf einem der Huegel Cuzcos eine kleine Pfarrkirche gebaut, die in ihrem Innnern wertvolle Schaetze birgt. Ich muss ein stolzes Eintrittsgeld zahlen (wie fast ueberall in Cuzcos Kirchen und Museen), bekomme dafuer aber einen Audioguide, der mich sogar auf Deutsch bedient. Die Kanzel aus Zedernholz glt als eine der schoensten weltweit. Der Kuenstler soll fuenfzehn Jahre daran geschnitzt haben. Sein Schaedel liegt irgendwo oben zwischen ein paar Heiligen. Der Arme - so die Legende - hatte Lepra und dann eine Erscheinung. Wenn er umsonst eine Kanzel fuer San Blas schnitzt, wird er geheilt. So geschah es, doch am Ende wollte der Schnitzer dann doch Geld. Die Strafe Gottes folgte auf dem Fuss - und auf den Kopf fiel ihm ein Teil der riesigen Kanzel. Immerhin thront sein Schaedel relativ weit oben in der Naehe des heiligen Blasius, waehrend Luther, Zwingli und die anderen "Ketzer" ganz unten die gesamte Last tragen muessen - verdammt in alle Ewigkeit. A propos - der Papst war auch schon da, hiess damals allerdings noch Kardinal Ratzinger. Und der Audio-Guide erzaehlt nicht ohne Stolz und mit bayerischem Einschlag, dass Ratzinger spaeter erzaehlt ahbe, in ganz Peru habe ihn diese kleine Kirche San Blas am meisten beeindruckt. Leider darf ich keine Fotos machen, diese Kirche ist wirklich ein Prachtstueck. Auf einem Gemaelde wandelt Blasius wie Christus uebers Wasser. Seinen Verfolgern hatte er gesagt, wer wirklichen Glauben habe, der koenne uebers Wasser laufen. Sie taten es ihm nach, ertranken aber natuerlich Alle. San Blas war ein beruehmter Heiler, irgendwann sarb er als Martyrer, in Cuzco ist er beliebt wie kein zweiter Heiliger. Es stimmt uebrigens nicht, dass das Wort Blasphemie von San Blas kommt. Ein Mann, der uebers Wasser gehn und heilen kann, ist ueber jeden Zweifel erhaben. Dennoch war er en verfolgter Aussenseiter. MIr ist er irgendwie sehr sympathisch, der Blasius - ebenso wie das gesamte Viertel, das seinen Namen traegt und von den Kreativen bevoelkert wird.
Sacsayhuaman
Ich habe schlecht geschlafen, es muss die Hoehenluft sein. Zwar liegt Cuzco nicht ganz so hoch wie La Paz, aber es reicht, um einem den Atem zu rauben. Trotz Nieselregens entschliesse ich mich, hoch in die alte Festungsanlage Sacsahuaman zu klettern. 1536 fand hier eine schlimme Schlacht zwischen den Spaniern und den Inka statt. Es soll so viele Tote gegeben haben, dass Schwaerme Aas fressender Kondore herflogen und sich wochenlang satt assen. An die Tragoedie erinnern die acht Wappen in Cuzcos Wappen. Es ist nicht weit nach Sacsayhuaman, aber schon nach wenigen Metern steilen Weges brennen mir die Lungen. Ich verfluche jede Zigarette, die ich in mienem Leben geraucht habe. Mein Herz schlaegt heftig, es ist steil, steil, steil. Mein Stolz, nicht wie die anderen Touristen mit Bus oder Taxi hoch z fahren ist aber groesser. An einem kleinen Kiosk kaufe ich ein paar Kekse. Ein paar Schulmaedchen kaufen ebenfalls ein paar Suessigkeiten, die nette Verkauferin scherzt mit ihnen und ruft ihnen zum Abschied hinterher. "Passt auf Maedchen, es ist rutschig, passt auf". Und mir wird ploetzlich klar, dass wir uns in Deutschland nie vom Verlsut der Tante Emma Laden erholt haben. Wie wichtig ist das gute Wort - enfach so mal zwischendurch. Und wo findet man es in Deutschland noch? Selten an der piepsenden Kasse der REWE-Filiale unter gleissendem Neonlicht. Was fuer ein Verlust! Und was fuer ein Reichtum fuer die quietschvergnuegten Quechua-Maedchen auf ihrem Schulweg!
Den Tabak verfluchend keuchend und stoehnend komme ich dem Kopf des Panthers immer naeher. Ja, Sacsayhuaman wurde als Kopf des Panthers angelegt, der Rest des Koerpers liegt unten in Cuzco. 22 zickzackfoermige angelegte Mauern sind die Zaehne des Panthers. Endlich kommen sie in Sicht, ich hole tief Luft. Und bin sicher - die Magie dieses Ortes wirkt doppelt, wenn man sich zu Fuss durch die duenne Luft hocharbeitet.
Das blaue Band
Beim Abstieg faellt mir eine kleine Schlucht ins Auge. Ueberall haengt Plastk darin herum und zerstoert die Harmonie des Ortes. Plastiktueten muessten verboten werden - weltweit, warum ist das nicht laengst geschehen?
Trotz meines Aergers ueber den Plastik fuehle ich mich gut. Ich habe den Berg bezwungen. Es wird warm, es hat aufgehoert zu nieseln. Ich ziehe meine Jacke aus, da spuere ich: es fehlt etwas. Mein blaues Baendchen, das ich mir letztes Jahr an der Wallfahrtskirche Jesus do Bonfim im brasilianischen Salvador da Bahia hatte umbinden lassen. Verbunden mit drei Wuenschen, die dann in Erfuellung gehen, wenn sich das Baendchen loest. Ein ganzes Jahr ist das her. Einer meiner Wuensche: das Rauchen aufgeben. Ich setze mich in eine kleine Bar und esse ein leckeres Alpaka-Steak - garantiert nicht aus Massentierhaltung (die ebenso wie Plastiktueten verboten gehoert!). Danach rauche ich feierlich meine letzte Zigarette. Das skandinavische Paerchen, das mit mir am Tisch sitzt, ruft mir nach, ich haette das Paeckechen Zigaretten auf dem Tisch liegen lassen. "Nein, ich habe gerade aufgehoert zu rauchen" Der Mann lacht und ruft "Das ist gefaehrlich fuer mich, ich koennte in Versuchung geraten." Doch ich merke, er macht nur einen Scherz. Das Paeckchen Marloboro bleibt hinter mir auf einem Tisch im Viertel San Blas liegen.
Aufbruch: | 07.10.2011 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 15.01.2012 |
Peru
Ecuador
Kolumbien