Mal mit dem Fahrrad zum Klettern (nach Griechenland)
Oktober 2019 - Buchten, Bunker, Bukë in Albanien
Die Fahrt zur albanischen Grenze von Budva/Bar kommend verlief erst auf der großen Straße nach Ulcinj. Direkt wo wir die Hauptstraße verlassen, bellen uns Müllhaldenhunde zähnefletschend an und verfolgen uns. Jana's rechte Hinterradtasche hat nun ein Dreiangel, das wir mit Ducktape überkleben. Der Pfefferspray ist von nun an wieder in der Lenkertasche, das erste mal auf der Reise.
"Europas Nordkorea"
Über Albanien wussten wir bei unserer Einreise nicht viel.
Es ist das neunte Land unserer Radreise und das vierte, dass wir zum ersten Mal betreten.
Bis vor 28 Jahren war Albanien quasi das "Nordkorea Europas", aber es hat sich viel verändert.
Kurz vor der Grenze treffen wir einen Franzosen mit plattem Hinterreifen. Er ist nach 10 km Schieben überglücklich, als Thomas den 1,5 cm langen Riß im Schlauch fachmännisch flickt.
Die erste Nacht in Albanien verbringen wir auf einer Öko Farm, die auf Spendenbasis Radfahrer beherbergt. Nette Location mit vielen Tieren. Wir kochen uns mit Hanna eine leckere Kartoffel-Tomatenpfanne. Jana hatte im kleinen Laden den ersten Kontakt zur albanischen Sprache. Ergebnis: auf den ersten Eindruck hin keine Parallelen zu irgendeiner anderen Sprache. Zeigen und mit Händen und Füßen verständigen ist angesagt.
Wir bleiben am nächsten Tag in Shkodër. Die Stadt ist nur paar km weg von dem Öko-Hof, doch ein Pärchen aus Hamburg erzählt, es wäre ganz schön und nicht so chaotisch wie in Tirana. Außerdem herrscht auf den Straßen reger Fahrradverkehr.
Wir sehen in einer Stunde mehr Räder als auf der gesamten Tour durch die Balkanländer bisher. Auffällig ist die tiefe Sitzhaltung, mit der Frauen und Männer die quietschenden und klappernden Gefährte steuern.
Bei einem kleinen Ausflug zu einer alten Brücke treffen wir eine Gruppe Jungen, die uns einladen mit ihnen zu einer Sehenswürdigkeit zu wandern. Die Fahrräder werden im Gebüsch versteckt und angeschlossen. Zwei der 13 jährigen Jungs sprechen Deutsch, haben ca. ein Jahr in Deutschland gelebt, als ihre Väter da arbeiteten. Wir werden gefragt, ob wir Arbeit besorgen könnten. Die Löhne in Albanien sind mit 200 bis max. 600 € pro Monat sehr niedrig. Lebensmittel kosten aber in etwa genauso viel wie bei uns. Die Preise in den Gaststätten sind im Kontrast dazu sehr niedrig. Für 2 € bekommt man einen leckeren Salat oder eine Suppe. Bei Ausländern werden aber Preise auch oft nach abschätzendem Blick - oder der Frage aus welchem Land man kommt gemacht.
Unsere "Wanderleiter". Sie kennen sich in ihrem Gebiet bestens aus. Es geht durchs Gebüsch ohne erkennbare Wege. Zwischendurch "finden" sie Feigen, Granatapfel, Pfirsische und Esskastanien und teilen sie mit uns.
Plötzlich eine harmlose Blindschleiche vor uns in der Sonne. Schneller als wir reagieren können, erschlägt einer der Jungs das Tier mit einem Stein. Wir sind empört und zeigen das deutlich. Größe Verwunderung auf der Gegenseite: "Heute ist doch Freitag, da sind Schlangen böse, da muss man sie töten" Das Argument, woher die Blindschleiche die Wochentags kennt, macht sie dann doch nachdenklich. Es ist ihnen irgendwie peinlich.
Wir wollen noch einmal ans Meer und radeln auf kleiner Straße nach Shëngjin. Die herrliche Lagune wird mit Hotelneubauten zugepflastert und Müllberge überall am Strand. Da vergeht uns die Lust am Baden. Die Campingplätze, Hotels und Restaurants sind bereits geschlossen, die Saison ist vorbei. Wir sind etwas enttäuscht, hatten uns einen sonnigen Strand mit wenig Menschen erträumt. Nach einer leckeren Fischmahlzeit in einem der wenigen geöffneten Restaurants treffen wir Mario, einen Besitzer eines Campingplatzes, der mit seiner Familie gerade Müll aufsammelt. Wir fragen und dürfen unter der überdachten Terrasse unser Zelt aufbauen. Mario verschwindet mit einer vollen Schubkarre voller Plastikmüll und ist ganz schnell wieder da. So ist das hier leider. Wenn schon jemand Müll sammelt, kippt er ihn beim Nachbarn ab.
Wer was über die Geschichte Albaniens lernen möchte, sollte um Krujë keinen Bogen machen. Auch wir quälen uns mit unseren Rädern hinauf in die Stadt auf ca. 600 m, die wie ein Schwalbennest am Berg klebt. Die Festung diente Skanderbeg, dem Volkshelden, sich gegen das osmanische Empire zu verteidigen.
Auf der Straße von Fushe Krujë nach Tirana über 4km Möbelgeschäfte, eines am anderen. Das ist für jeden Geschmack was dabei.
Wie fast immer in Großstädten ist der Verkehr in Tirana chaotisch. Jana wird fast von einem Auto gerammt, welches sich als entgegenkommender Linksabbieger vor Ihr reindrängeln will. Wir weichen genervt auf Fußwege aus, bis wir die Radautobahn im Zentrum finden.
Der Verkehr in Albanien ist etwas speziell. Es fahren hauptsächlich “alte Sterne“ --> Mercedes Benz aller Baujahre und Modelle. Der soziale Status definiert sich hauptsächlich über den Wagen, den man fährt. Der Wartungszustand spielt da keine Rolle, Hauptsache der Lack glänzt. Dies erklärt die tausenden Autowaschboxen an den Straßenrändern, wo gekärchert wird, was das Zeug hält. Die pechschwarzen Wolken aus dem Auspuffrohren treiben uns die Tränen in die Augen. Und ein paar hundert km weiter reden wir über EURO 6d temp und Elektroautos...
Am darauffolgenden Tag lassen wir uns bei einer Freewalking-Tour durch Tirana die albanische Geschichte erklären. Eri unser Guide macht das super. Der Kommunismus, der erst 1992 friedlich abgewählt wurde, hat tiefe Spuren hinterlassen. Eine Anekdote über das Verbot privater Fahrzeuge zu dieser Zeit lässt uns das oft ungestüme Fahrverhalten der Albaner verstehen - zumindest mit der Zusatzinformation, dass es bei der Auflösung des Verbots keinen Fahrschulzwang gab. Albanien hofft auf die Aufnahme in die EU. Ob das für das gemeine Volk Vorteile bringt, muss sich zeigen.
Die kommunistischen Größen der Vergangenheit wurden in eine Ecke hinter einem Gebäude verbannt. So nach dem Motto: Die sind nicht mehr präsentabel
Thomas muss nun langsam Richtung Durrës zur Fähre nach Italien steuern, die gemeinsame Zeit neigt such dem Ende. Einen etwas abgelegenen Ort besuchen wir aber noch zusammen - das Kap Rodon.
Aufbruch: | 17.08.2019 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | Dezember 2019 |
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