Nicas und Ticos - Jan/Feb 2010
Nicaragua: Armadillo am Cosigüina
Auf Reisen gleichen wir einem Film,
der belichtet wird.
Entwickeln wird ihn die Erinnerung.
Max Frisch (1911 - 1991)
Wir waren also am Vortag am Cosigüina-NP, der Halbinsel ganz im Norden von Nicaragua angekommen und weil wir heute zum Vulkankrater hoch wollten mussten wir schon um 5 Uhr aufstehen.
Was gar nicht so schlecht war weil zum Einen der Hund die halbe Nacht gebellt hat und zum Anderen die 3 Dänen schon um 3 Uhr Nachts den ersten Bus nach Honduras erreichen wollten und uns an ihrer Abreise teilhaben liessen.
Ganz zu schweigen von den Busfahrern und allen anderen Leuten, die vor fünf schon durch`s Dorf fuhren und uns per Hupe wissen liessen, dass sie schon arbeiten mussten.
Um 5:30 ging`s los und zuallererst begutachteten wir den nächtens gejagten Armadillo (=Gürteltier), den wir heute Mittag serviert bekommen sollten (Das Leben kein Wunschkonzert - von wegen "zum Abendessen"!).
Die Entstehung des Menüs war recht lustig: Zuerst sollte es Leguansuppe geben, eine weitverbreitete Sache hier. Dazu wollte Anry, unser Guide, ein paar Kinder bei der warmen Quelle dazu anstiften uns die nötigen "Rohstoffe" zu besorgen. Jetzt war es so, dass auch einige besoffene Nicas im Tümpel schwammen (was für ein Aufruhr wegen uns...) und einer von ihnen hatte einen Cousin der jede Nacht auf Armadillo-Jagd geht.
Dessen Frau wiederum würde er fragen, ob sie uns das Vieh direkt zubereiten könne und wir dann zum Essen kommen können.
So war es, mit vielen "Vielleicht`s" also und deshalb schauten wir am Morgen ob der Auftrag ausgeführt worden ist.
Mission Accomplished!
Zurück zum Wesentlichen:
Wir fuhren also frühmorgens zum Cosigüina-Vulkan um denselben zu besteigen. Zuerst per Jeep soweit es ging, danach zu Fuss.
Diverse Begegnungen blieben nicht aus:
Jose, unser Localguide, sagte dass es hier alles gäbe, von Wildschweinen angefangen über Schlangen bis hin zu Pumas, Leoparden, Löwen und Tigern. Wir sollten uns also in acht nehmen.
Häh?!
Von welchem Baum ist der denn gefallen?
Na ja, egal. Es dauerte nicht lange und wir standen am Kraterrand, belohnt mit einem überwältigenden Ausblick.
Vor uns der Krater mit seinem See, dahinter auf der einen Seite der Golf von Fonseca mit Blick auf El Salvador und Honduras, auf der anderen Seite der Halbinsel der endlose Pazifik.
Leider am Foto nicht gut zu erkennen: Der Golf von Fonseca, dahinter Honduras und links davon El Salvador.
Wir konnten bis zum NP Padre Ramos mit seinen Mangrovenwäldern sehen, dahinter noch den Playa Jiquililla erahnen, wo wir am Vortag einige schöne Stunden verbracht hatten.
Nach einer kurzen Wanderung am Kraterrand, bei der Anry und ich noch einige Ideen für neue Tourangebote ausgesponnen haben, stiegen wir wieder ab, zurück zum Jeep.
Noch ein Wort zu Anry: Er studiert Touristik an der Universität in Lèon und hat mir gestern sein Projekt für das Examen vorgestellt. Es geht im wesentlichen um eine Finca in seiner Heimatregion, die diverse Produkte einer Pflanze (deren Name mir leider entfallen ist) anbieten will. Er strotzt vor Ideen, laut eigener Aussage war er es der vor einigen Jahren das Sandboarding am Cerro Negro "erfunden" hat, heute die beliebteste Tour, die ab Lèon angeboten wird.
Auch bei der Rückfahrt blieb die ein- oder andere Begegnung mit den netten Nicas nicht aus.
Nachdem wir uns bei unserer Gastfamilie frischgemacht und unsere Rechnung bezahlt hatten, brachen wir auf zu unserem Rendezvous mit der Armadillo-Familie.
Wir mussten ein kurzes Stück durch einen Hohlweg gehen, von links und rechts wurden wir neugierig beäugt.
Dann waren wir angekommen, wir wurden freundlich empfangen.
Der Armadillo war schon fertig, etwas anderes brutzelte noch am "Herd".
Während wir warteten konnten wir uns umsehen:
Der Jäger hielt Siesta in der Hängematte, das Sagen hatte eindeutig die Mutter! Es waren noch einige Kinder aller Altersstufen da, die genauen Verwandtschaftsverhältnisse waren schwer zu durchschauen.
Wir frugen ob wir Fotos machen dürften und wie überall hier freuen sich die Menschen sogar, wenn sie auf Speicherkarte gebannt werden! Die jüngeren sind schüchtern und die älteren befangen, sie posen sobald sie sehen dass die Kamera auf sie gerichtet ist.
Das Mädchen hat ein Sichelbein, die Mutter erzählte uns dass ein Sohn von ihr das gleiche Problem hatte. Eines Tages aber kam ein Arzt nach Potosi und operierte ihren Jungen unentgeltlich. Sie holt ein zerfleddertes Heft, in dem sie ihre Familienfotos aufbewahrt. Stolz zeigt sie uns die Bilder.
Dann nehmen wir Platz, das Essen wird auf den besten Tellern angerichtet und wir essen Armadillo mit Reis und Kochbananen.
Es schmeckte gut, das Fleisch war ganz zart. Ich würde sagen irgendwo zwischen Schwein und Huhn. Und weil viele Knochen dabei sind bekamen die zwei dürren Haushunde auch ihren Teil (nur der Jagdhund schien gut genährt).
Es gab da noch ein anderes kleines Mädchen, sehr schüchtern und doch neugierig. Immer hat sie sich versteckt, doch bei jeder Gelegenheit hat sie einen Blick riskiert um zu sehen was die Gringos machen.
Beim Nachbarn auf der anderen Seite des Zaunes wurde ebenfalls etwas geboten: Ein Junge trainierte einen jungen Hahn für die hier allseits beliebten Hahnenkämpfe.
Hahnenkämpfe sind umstritten, ich weiss. Für die Menschen hier bedeutet es schlicht und einfach eine Einnahmequelle, oftmals die einzige.
Nach dem Essen wird noch ein wenig Reis ausgstreut und schon sind diese kleinen Papageien zur Stelle!
Irgendwann ging es an`s Begleichen der Rechnung. Die Mutter nennt einen unverschämt niedrigen Preis, wir verdoppeln den Betrag kurzerhand und bedanken uns ganz herzlich für das Essen.
Anschliessend hatten wir noch einige Geschenke für die Kinder, Schreibwaren, Haarspangen etc. Es war schön zu sehen wie sie strahlen, wie sie das Neue sofort ausprobieren!
Christa schenkte der Mutter noch ein T-Shirt, der Sohn von ihr nahm es und trägt es einer Reliquie gleich mit beiden Händen ins Haus.
Daraufhin passierte etwas ganz rührendes: Mutter und Sohn sprechen längere Zeit mit dem Guide, der daraufhin sinngemäss übersetzt:
Sie möchten sich für die Geschenke bedanken. Sie seien zwar arm, dennoch würden sie uns gerne noch etwas auf die Reise mitgeben.
Im Garten steht ein Papayabaum. Der Junge klettert im Nullkommanix rauf, lacht als er oben ist und ruft ¿cuántos? (Wieviele?)
Wir wollen natürlich nur eine, er wirft sie runter und schon ist er wieder am Boden - stolz wie Oskar!
Langsam machten wir uns dann auf den Rückweg, geplättet von all den Eindrücken, die wir in nur 2 Tagen gesammelt hatten.
Das war er also, unser Cosigüina-Trip!
Aufregend, faszinierend und erstaunlich.
Schade nur dass es ab jetzt nicht mehr besser werden kann...
Und dann war da noch:
- Die Geschichte mit den Fischern von Corn Islands, die ihre Kinder auf die besten Schulen in den USA schicken können. Grund: die Corn Islands liegen auf der Schmuggelroute zwischen Kolumbien und den USA. Hin- und wieder, speziell wenn es Kontrollen gibt, fallen dann eben einige weisse Päckchen ins Meer, die die Fischer dann in ihren Netzen wiederfinden
- Die beiden Rucksäcke voll mit Sternfrüchten, die ich nach Österreich mitnehmen soll, weil ich Anry erzählt habe dass bei uns im Supermarkt 1 Euro pro Karambolfrucht verlangt (und auch bezahlt) werden. Hier in Nicaragua sind diese Früchte Vogelfutter.
- die beiden halbnackten Jungs am Strassenrand, denen wir bei der Hinreise ein paar Stifte geschenkt hatten. Bei der Rückfahrt standen sicher 6 oder 7 Kinder an der selben Stelle. Als wir mit unserem Jeep ankamen riefen sie alle schon von weitem: ¡Lápiz, Lápiz! (Stifte, Stifte!)
- Anry, der sich gefreut hat wie ein Schneekönig weil er das erste Mal Armadillo probieren kann und uns nach einem Telefonat mit seiner Freundin gefragt hat, ob er ihr wohl etwas mitbringen dürfe. ¡Si, claro! durfte er, und eine Riesenportion noch dazu!
(Anry, if you read it: Best wishes to your little son Mathias!)
- und, und, und...
Aufbruch: | 17.01.2010 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 11.02.2010 |
Costa Rica