Kulturland TÜRKEI - 2010

Reisezeit: April - Juni 2010  |  von Uschi Agboka

Yusufeli / Türkei

Blick aus unserem Hotelfenster auf den Ararat - Dogubayazit.

Blick aus unserem Hotelfenster auf den Ararat - Dogubayazit.

In den Gassen von Dogubayazit.

In den Gassen von Dogubayazit.

Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zum Ishak-Pascha-Palast, dem "Neuschwanstein" Ostanatoliens.

Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zum Ishak-Pascha-Palast, dem "Neuschwanstein" Ostanatoliens.

Ishak-Pascha-Palast -  geschaffen für Fürsten, denen die Welt zu Füssen liegen sollte.

Ishak-Pascha-Palast - geschaffen für Fürsten, denen die Welt zu Füssen liegen sollte.

Beeindruckend ist die Moschee.

Beeindruckend ist die Moschee.

Die Überreste einer urartäischen Siedlung - Blick vom Ishak-Pascha-Palast.

Die Überreste einer urartäischen Siedlung - Blick vom Ishak-Pascha-Palast.

Wir verlassen Dogubayazit, Richtung Norden - der Ararat begleitet uns.

Wir verlassen Dogubayazit, Richtung Norden - der Ararat begleitet uns.

Der Ararat sieht jährlich viele Bergsteiger an. Doch der Berg ist unberechenbar.

Der Ararat sieht jährlich viele Bergsteiger an. Doch der Berg ist unberechenbar.

Sonntag, 16. Mai 2010 17. Tag Yusufeli/Türkei

Wie immer sind wir früh auf. Der Anblick des Ararat begeistert uns auch heute Morgen.

Ararat
Der 5.137 m hohe Vulkan erhebt sich im Osten der Türkei, ganz in der Nähe zu Armenien, Aserbaidschan und Iran. Für die Armenier ist er "Mutter Erde", für die Kurden "der Berg des Bösen" und auf Türkisch heißt der "Schmerzensberg". Der Ararat ist das Nationalsymbol der Armenier. Der Völkermord an den Armeniern wurde Anfang des 20. Jahrhunderts begangen, als im Zusammenhang mit armenischen Unabhängigkeitsbestrebungen und dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) eine große Zahl von Armeniern im Osmanischen Reich, aus dem die heutige Republik Türkei entstand, getötet wurde. Im engeren Sinn versteht man unter diesem Begriff die Massaker in den Jahren von 1915 bis 1917. Bei den größten Massakern und auf den Todesmärschen kamen etwa bis zu über 1,5 Millionen Armenier um. Während viele Armenier die Vertreibungen und Massaker als ungesühntes Unrecht empfinden und seit Jahrzehnten eine angemessene Erinnerung fordern, gelten die Deportationen nach der offiziellen türkischen Sichtweise als "kriegsbedingte Sicherheitsmaßnahme". Bis heute fand keine Wiedergutmachung, geschweige denn eine Aufarbeitung der Vorgänge statt. Die türkische Leugnung des Genozid bedeutet nicht die grundsätzliche Leugnung der Toten. Seit 1965 haben 22 Staaten die durch den osmanischen Staat begangenen Deportationen und Massaker der Jahre 1915-1917 offiziell als Genozid entsprechend der UN-Völkermordkonvention von 1948 anerkannt (u.a. Argentinien, Belgien, Griechenland, Italien, Kanada, Libanon, die Niederlande, Russland, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Uruguay und Zypern). In einer Anfrage vom 10. Februar 2010 wurde die Bundesregierung von der Fraktion Die Linke um eine klare Stellungnahme gebeten, ob die Bundesregierung die Auffassung vertrete, dass es sich bei den Massakern an den Armeniern 1915/16 um einen Völkermord im Sinne der UN-Konvention von 1948 handele. Die deutsche Bundesregierung antwortete am 25. Februar 2010: "Die Bundesregierung begrüßt alle Initiativen, die der weiteren Aufarbeitung der geschichtlichen Ereignisse von 1915/16 dienen. Eine Bewertung der Ergebnisse dieser Forschungen sollte Wissenschaftlern vorbehalten bleiben. Dabei ist die Bun-desregierung der Auffassung, dass die Aufarbeitung der tragischen Ereignisse von 1915/16 in erster Linie Sache der betroffenen Länder Türkei und Armenien ist. Das Europäische Parlament hat mit den Beschlüssen vom 18. Juni 1987 und 15. November 2001 die Anerkennung des Völkermordes durch den heutigen türkischen Staat zu einer Voraussetzung des EU-Beitritts der Türkei erklärt und am 28. Februar 2002 in einer weiteren Beschlussfassung die Türkei zur Einhaltung dieser Vorgabe gemahnt. Nicht einmal ansatzweise kann der kulturelle Verlust beziffert werden, der mit der Vertreibung und Ermordung der Armenier einherging. Ich persönlich bin der Auffassung, wenn man ein Land bereist, muss man sich auch mit dessen Schattenseiten vertraut machen. Und die heutige Türkei hat meiner Ansicht nach, viel wieder gutzumachen.

Der hebräische Name "Ararat" hat seinen Ursprung im Reich der Uratäer (9-7 Jahrh. v. Chr.). 1840 war der Vulkan zuletzt aktiv - 2.000 Menschen verloren ihr Leben, ein Dorf wurde total vernichtet. Um den Berg Ararat ranken sich viele Legenden, u. a. die der Arche Noah, die während der Sintflut hier gelandet sein soll. Viele wollen Spuren von ihr entdeckt haben, doch den Beweis blieben sie schuldig. Viele Jahre war der Ararat aus Sicherheitsgründen gesperrt, doch heute tummeln sich auf ihm nicht nur Archensucher, sondern jede Menge Gipfelstürmer - mehr als 15.000/Jahr! Aber man sollte dem Berg Respekt zollen - jedes Jahr verunglücken hier einige der Bergsteiger.

Zunächst genießen wir unser Frühstück auf der Dachterrasse des Hotels um 6.30 Uhr, mit Blick auf den Ararat. Dann geht es zum Ishak-Pascha-Palast. Auf der Straße dorthin sehen wir eine riesige Kaserne. Panzer demonstrieren die Macht des Staates in diesem Bereich der Türkei. Rolf braucht Geduld. Erst als das Militärgelände zu Ende ist, kann er fotografieren. Der Ararat zeigt sich in seiner ganzen Schönheit. Der Ishak Pascha Palast liegt traumhaft im Gebirge. Von hier hat man einen phantastischen Überblick über die Landschaft.

Ishak-Pascha-Palast
geschaffen für Fürsten, denen die Welt zu Füssen liegen sollte. Auf 2.220 m Höhe ist er ein imposantes Bauwerk (erbaut zwischen 1685-1784) in der Türkei. Er vereint armenische, georgische, persische, seldschukische und osmanische Architekturstile. Auf 7600 m² und zwei Etagen zählte der Palast ursprünglich 366 Zimmer. Die Anlage verfügte unter anderem über eine Moschee, ein Hamam, eine Haremsabteilung, eine Bibliothek, einen Kerker und ein Grabmal, in dem auch die Erbauer (der Emir von Dogubayazit, Çolak Abdi Pascha und sein Sohn Ishak Pascha II.) bestattet wurden, sowie eine Zentralheizung, fließendes Wasser und ein Abwassersystem. Unterhalb des Palastes liegen die Überreste einer auf die Zeit um 800 v. Chr. datierten urartäischen Siedlung mit dem türkischen Namen Eski Beyazit ("Alt-Beyazit"). Nordöstlich des Palastes erblickt man ein urartäisches Felsgrab, dessen Eingang von überlebensgroßen Relieffiguren gerahmt wird.

Auch hier haben wir Kontakt zu einem jungen Kurden, der, um sein Studiengeld aufzubessern, selbstgefertigte Glücksarmbänder verkauft (wir erstehen 2 Stck.) und auf unser Motorrad aufpasst. Unsere Fahrt führt uns nun über Igdir nach Kars, an der armenischen Grenze entlang, nochmals über einen Pass von 2.286 m. Hier wimmelt es von Soldaten und es gibt einige Militärkontrollen. Hinter den Bergen liegt der Iran und die armenische Grenze ist nicht weit. Die ersten 50 km auf unserer heutigen Fahrt führen durch eine Baustelle, entweder Schlaglöcher oder Schotter. Dann erreichen wir eine grüne, aber mit Steinen versehene Hochebene. Es ist eine karge Landschaft. Und die Unterkünfte der hier lebenden Menschen sind erbärmlich. Man darf nie vergessen, dass das türkische Militär unzählige Kurdendörfer dem Erdbogen gleichmachte, weil man sie - zu Unrecht, wie sich später herausstellte - verdächtigte, kurdische Rebellen zu beherbergen. Die entwurzelten Menschen leben entweder in Städten als Bettler oder hier verstreut in ärmsten Behau-sungen. Doch überall, selbst hier im entlegendsten Teil der Türkei, stehen riesige Handy-Sende-Masten. Der Handy-Empfang ist in der gesamten Türkei einmalig gut. Da wir an der armenischen Grenze entlang fahren - man sieht die Wachtürme auf den Bergen - gibt es auch hier viele Militärkontrollen. Man schaut unsere Pässe an, ist höflich, freundlich und dann können wir weiterfahren. Die Landschaft sieht oft aus wie in USA, große Lavafelder, geschaffen von den umliegenden Vulkanen. In Kars machen wir Tankstopp. Nun ändern wir die Fahrtrichtung, fahren über Göle. Die Schaf- und Ziegenhirten bilden kleine lustige Figuren aus Stein am Wegesrand. Alle Kinder, Erwachsenen und das Militär - erneute Passkontrolle - sind uns freundlich gesonnen und winken. Bald kommen wir in ein wildromantisches Tal, an einer Seite ein steiniger Berg und an der anderen Seite Birken und Pinien, dazwischen ein wildrauschender Fluss. Leider auch hier mit Müllablagerungen. Wir erreichen ein kleines Dorf. Mit Kirschtee erfrischen wir uns. Und dann das Highlight des Tages: Wir sehen einen sehr jungen Fuchs durch das Gras schleichen. Und dann kommt das Schönste des Tages. Die Fahrt durch das Tal des Oltu Cayi! Atemberaubende Szenarien bieten sich uns. Eine imposante Schlucht mit einem reißenden Fluss und zerklüftete Berghänge, die uns an Landschaften in USA erinnern. Kleine verschlafene Dörfer an den Hängen, die nur zu Fuß über wackelige Brücken zu erreichen sind. Ein Traum! Besonders für uns Motorradfahrer, denn die kurvige Strecke ist gut zu fahren, kaum Schlaglöcher. Es ist ein herrlicher Tag, Sonnenschein und sehr warm. Nur bei der Fahrt am Vormittag über die Pässe und Hochebenen ging ein kalter Wind. Gegen 17.15 Uhr erreichen wir Yusufeli. Es war ein besonders schöner Tag. Rolf fährt inzwischen türkisch: Gegen die Fahrtrichtung, Geschwindigkeit meist ignorierend, d. h., wir haben uns angepasst. Gestern Abend haben wir in dem Schulungscenter für Teppich-Knüpferinnen einen wunderschönen Teppich gesehen, Kosten 2.250 Euro, runter zum Sonderpreis für uns auf 1.400 Euro, kann uns zugesandt werden. Rolf fängt gleich an, mit mir um etwas zu wetten. Ich verliere 100 Euro und der Grundstock für den Teppich ist gelegt. Nach dem Duschen - es steht mal wieder das ganze Zimmer unter Wasser - geht es in den Ort. Dieser soll in naher Zukunft in den Fluten eines gewaltigen Dammes verschwinden. Die türkische Regierung plant ein riesiges Staudammprojekt. Dabei missachtet sie die internationalen Auflagen für den Schutz der Bevölkerung und der Natur im sensiblen Tal des Coruh. Das Herzstück der Kraftwerke ist der seit den 80er Jahren geplante Yusufeli Staudamm. Er würde mit einer Staumauer von 271 m Höhe den Coruh und seine Seitenflüsse auf einer Länge von 80 km aufstauen und in Spitzenzeiten 540 MW Energie produzieren. Das Projekt ist umstritten, da 17.000 Menschen ihre Heimat und ihre Lebensgrundlage verlieren würden, die Artenvielfalt vernichtet würde und viele georgische Kirchen sowie tausendjährige Kulturgüter und fruchtbares Kulturland zerstört würden. Viele Menschen hier kämpfen für den Erhalt ihrer Heimat.

Zum Abendessen gibt es Gemüsesuppe, Auberginen mit Lamm und Salat bzw. Huhn und Hackbällchen mit Kartoffeln, dazu Wasser. Kosten 10 Euro. Anschließend sitzen wir noch am Fluss und haben Unterhaltung mit einigen Männern, die entweder Deutsch oder Englisch sprechen. Mücken stören uns kaum.
Gefahrene Meilen: 250 (403 km).

Berglandschaft in Ostanatolien bei Kagizman.

Berglandschaft in Ostanatolien bei Kagizman.

Blick auf Kars

Blick auf Kars

Oft machte ich mir Notizen, wie hier beim Tankstopp in Kars.

Oft machte ich mir Notizen, wie hier beim Tankstopp in Kars.

Auf dem Weg zwischen Kars und Göle, Aygir-See.

Auf dem Weg zwischen Kars und Göle, Aygir-See.

Verlassenes Dorf im Penek-Tal.

Verlassenes Dorf im Penek-Tal.

Im Dorf Aksar machten wir Teepause.

Im Dorf Aksar machten wir Teepause.

Zwischen Göle und Yusufeli erinnert die Landschaft manchmal an die in USA ...

Zwischen Göle und Yusufeli erinnert die Landschaft manchmal an die in USA ...

Traumhafte Landschaft vor Yusufeli.

Traumhafte Landschaft vor Yusufeli.

In dem Haus links haben wir in Yusufeli übernachtet - war abenteuerlich.

In dem Haus links haben wir in Yusufeli übernachtet - war abenteuerlich.

Vor dem "Hotel" in Yusufeli - Katzen haben es mir angetan.

Vor dem "Hotel" in Yusufeli - Katzen haben es mir angetan.

© Uschi Agboka, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Motorrad von Niederbayern über Österreich, Italien, Griechenland in die Türkei und zurück über Griechenland, Mazedonien, Kosovo, Montenegro, Kroatien, Österreich
Details:
Aufbruch: 30.04.2010
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 01.06.2010
Reiseziele: Italien
Griechenland
Türkei
Serbien
Montenegro
Kroatien
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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