Zu Fuss durch die Staaten, entlang der Kueste und durch Nationalparks

Da ich erst spaet Abends in Fort Bragg ankam, genehmigte ich mir ein Motelzimmer, auch weil die Campingplaetze mehrere Meilen ausserhalb waren.
Das Schoenste war die Dusche. Hat sich schon lang nicht mehr so gut angefuehlt und meine Kleidung zu waschen, die schon stehen konnte.
Allerdings war es komisch in einem Bett zu schlafen und nicht von Zeltwaenden umgeben zu sein.
Fort Bragg hoert sich ja nach einem nicht sehr viel versprechenden Namen fuer eine Stadt an, doch ich wurde positiv ueberrascht.
Umgeben von Industriegebiet findet man eine kleine historische Altstadt mit urigen Kneipen, Jazz- Cafes und vor allem vier Secondhandbuchlaeden vor.
Ab Fort Bragg und je weiter man in den Sueden geht, wird es schwieriger versteckte, geheime Campingplaetze zu finden.
Erstens, weil im Sueden einfach mehr Leute leben und zweitens, da es mehr Obdachlose gibt und die Polizei und die Ranger deswegen strenger sind und besser kontrollieren.
Aber diese wissen wiederum auch die besten Tipps, so zum Beispiel ein Strand in Fort Bragg an dem man campen und nicht vertrieben werden kann, da es First Nations Land ist.
Obdachlose und Backpacker nebeneinander, teilen um das Feuer sitzend ihre Erlebnisse, natuerlich zu Gitarrenklaengen, denn viele reisen und verdienen ihren Lebensunterhalt als Strassenmusikanten.
Ihr altes Leben hinter sich lassend und dem materiellen Dingen den Ruecken zukehrend, zufrieden mit dem Himmel als Dach.
Von Vorteil ist natuerlich, dass es hier im Sommer nicht regnet.
Das ist die positive Seite und leider kann man die negative, und das ist der Grossteil, Seite nicht verleugnen, all die Menschen, die wegen Drogen auf der Strasse leben.

Gut kann man von den Sachen, die die Leute wegschmeissen oder die Supermaerkte weggeben, leben ohne auch nur einen Cent fuer Essen auszugeben.
Einerseits toll, erschreckt mich die Wegwerfgesellschaft andrerseits in starkem Masse.
Nicht nur Lebensmittel, sondern alles.
Kleidung und Einrichtungsgegenstaende, erstanden im Kaufrausch, stellt man spaeter fest, dass man es nicht braucht.
Seitdem ich hier lebe, gehe ich nicht mehr zu H&M, kaufe keine neue Klamotten.
Hier findet man in jedem Ort mindestens einen Secondshop, Thrift Stores, deren Erloese den Obdachlosen zu gute kommen oder bargain markets, wo man Kleidung per Pfund fuer vier Dollar einkauft und oft ist sogar noch das Warenetikett befestigt.
Nicht einmal getragen und schon weggegeben und am Ende des Tages wird, was man nicht verkaufen konnte auf die Muellhalde gekippt.
Oh Mann, das ist Wahnsinn.

Man lernt ganz andere Leute kennen, wenn man zu Fuss die Gegend erkundet oder per Anhalter faehrt und fuehlt sich viel freier.
Keinen Bus, den man erwischen muss, keine Plaene an die man sich halten muss. Man stoppt wo es einem gefaellt oder zieht weiter.
Mal sitzt man auf der Ladeflaeche und der Wind weht einem ins Gesicht, mal eingezwaengt zwischen Hunden, dann wieder der einzige Beifahrer, nicht zu vergessen die Geschichten, die man hoert.

Leider ersetzte der Highway ab Fort Bragg den Grossteil des Trails, da das Land an der Kueste in Privatbesitz und nicht wie im Norden Nationalpark ist.
Die Landschaft war atemberaubend, doch die Highways wirklich gefaehrlich, eng und kurvenreich (Papa du wuerdest den Highway 1 lieben, super zum Motorradfahren und du koenntest alle zwei Minuten fuer ein Photo stoppen ).
Ein Tag am Highway reichte mir und von da an trampte ich bis an die Point Reyes Seashore. Manche nahmen mich nur fuenf Meilen mit, andere siebzig oder mehr.
Ja, auch das passiert beim trampen, dass man an total ungeeigneten Plaetzen abgesetzt wird, gut dass mich nach kurzer Zeit schon Mutter und Tochter mitnahmen, die selbst ihre leidigen Erfahrungen hier gemacht hatten.
Aber auch, dass man nur am Strassenrand steht, wie in Gulala, froehlich den Leuten zuwinkt, die vorbeifahren und ploetzlich kommt der Besitzer raus, fragt wo es hingeht, laedt einen auf einen Kaffee ein und sagt, hey mein Kollege faehrt in zwei Stunden in die Richtung und koennte dich mitnehmen. Super!

Hatte ich mich auf die Point Reyes Seashore gefreut, nach dem ueberlaufenen Campingplatz in Bodega Bay.
Wieder Ruhe, Natur und Einsamkeit. Doch als ich ankam, war ich erstmal geschockt von den Massen an Menschen, die ich vorfand, den horrenden Preisen fuer Campingplaetze und dass die meisten schon reserviert waren.
Kann man natuerlich verstehen, das San Francisco nur eine Stunde weg ist und die Leute schnell mal raus wollen.
Wenn man aber die Natur nicht mehr riechen kann, weil die Frauen eine Parfuemwolke hinter sich herziehen und geschminkt??? sind, ist es schon ein bisschen seltsam.
Gut, dann hatte ich eben fuer zwanzig Meilen nur zwei Tage, anstatt meiner geplanten vier und wuerde frueher in San Fran ankommen.
Die Point Reyes Seashore ist wirklich sehenswert und sehr schoen, doch ich wuerde nur unter der Woche gehen und nicht mehr fuer einen Zeltplatz zahlen, da man viele, nette kleine Stellen abseits des Weges finden kann und Ranger ist mir nicht einer ueber den Weg gelaufen, aber das konnte ich vorher ja nicht wissen.
14 km war ich schon gelaufen am folgenden Tag und noch nicht einmal nah am naechsten Zeltplatz.

Meine Fuesse taten weh, mit jedem Schritt wurde es schwerer und schwerer und die Strasse schien sich ins Unendlich zu erstrecken.
Endlich kam mir jemand entgegen und ich fragte sie gleich nach dem naechsten Zeltplatz.
Hier in Bolinas gibt es keinen, aber da du Deutsche und wie es scheint verrueckt bist und aussiehst als ob du eine Dusche vertragen koenntest, kannst du in meinem Garten campen.
Gesagt, getan.
Das Waldgrundstueck hatten sie vor dreissig Jahren gekauft, als Bolinas noch mehr eine Hippiekommune war und unter anderem Grateful Dad hier lebte.
Eine verschworenen Gemeinde in der jeder jeden kennt, das Ortsschild wird immer von den Bewohnern entfernt, da sie nicht von Touristen uebrlaufen werden wollen. Wenn man es doch gefunden hat, kann man am Ortsschild lesen 'Entering-socially acknowledged nature-loving town'.
Eine Unmenge von organischen Farms, unter anderem die erste Kaliforniens, ja die Natur lieben sie wirklich und achten sie.
Zwei Weltereisende, die hier ihren perfekten Lebensort gefunden haben.

Abends erzaehlten sie mir von ihren Reisen, bei einem Glas Wein und gutem Essen und dann durfte ich auch noch im Gaestezimmer schlafen.
Drei wunderbare Tage und Naechte verbrachte ich bei ihnen, in dem kleinen Surferdorf Bolinas und David nahm mich auch zum surfen mit.
Gut, dass ich erst am naechsten Tag hoerte, dass ein Hai nahe der Kueste gesichtet worden war.
Sie selbst hatten auf ihren Reisen so viel Grosszuegigkeit und Gastfreundschaft erlebt, dass sie das weitergeben wollen an andere Reisende.
Sobald ich die Gelegenheit habe, werde ich das auch machen und so wird ein positiver Kreislauf erzeugt, der mich an das Gute im Menschen und an eine friedvolle und bessere Zukunft glauben laesst.

Auf nach Frisco!