Indien 2011 - 12 Wochen mit dem Rucksack durch Indien

Reisezeit: September - Dezember 2011  |  von Flo W

8. Akt

Varanasi oder das echte vs. die Verdauung seiner Besucher

Alternativer Titel: Willst du Drogen kaufen?

Rund 15 Uhr, an einem Bahnhof angekommen. Varanasi. Das ist also das Herz Indiens. Naja, bis dato ist nur ein alter, heruntergekommener und dreckiger Bahnhof voller (Auto)Rickshaw-Wallahs zu sehen. Ziel: Flußwärts.
(...)
Der Prepaid-Autorickschawfahrer stoppt. Irgendwo. Nirgendwo? Nein, das zum Glück nicht. Die Straße ist breit und viel befahren. Der Wallah meint, dass das gewünschte Ziel nur mehr ein paar Meter entfernt sei. Einfach geradeaus gehen. Er darf hier nicht weiter fahren. Varanasi-Touristenfalle Nummer I ausgelöst. In Wirklichkeit ist das eigentliche Ziel noch einen guten Kilometer entfernt und die Richtung ist auch falsch. Wenn keine Aussicht auf Commision besteht*, werden die Wünsche des Fahrgastes oft ignoriert.**
Die Unterkunft finden. Erste Frage: wo bin ich? Zweite Frage: wie durch die engen, unbeschrifteten Gassen navigieren? Zunächst ein Versuch mittels einer ungenauen Karte.

So wird das nichts. Nach dem Weg fragen. Verfolgt werden. Dem Verfolger mit der Polizei drohen. Ist diese nahe, verschwindet er. Ist sie weg, ist er wieder da. Wohl ungefährlich. Will Commision abstauben. Mein Freund, das wird nichts. Du läufst diese Meter umsonst. Immer wieder nach dem Weg fragen. Die Rucksäcke drücken. Meter um Meter wird zurück gelegt. Angebote Drogen zu kaufen alle paar Meter. Tak-Tak-Tak. Beständig und in den Hintergrund gedrängt.
Insgesamt dauert die Suche eine gute später. Zwei Tage später, wenn die Gassen verinnerlicht sind, wird die gleiche Route in 15 Minuten zurückgelegt. Wer sagt, dass man nichts dazulernt?

Die Unterkunft ist genau richtig. Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und Bootsfahrten am Ganges sind morgens und abends inkludiert (jeweils die erste Stunde, die zweite, wenn gewünscht, muss extra bezahlt werden). Dazu ein Rooftop-Restaurant mit grandiosem Blick über die Dächer der Stadt und den Ganges.*** Und als Draufgabe ist das Guesthouse in einer Seitengasse versteckt. Der perfekte Ort um dem Trubel zu entfliehen. Hier lässt es sich drei Nächte lang aushalten.
Varanasi, dreckig, überfüllt und laut. Ja, hier schreit wirklich alles Indien. Aber Varanasi ist mehr als das. Eine Bootsfahrt am Ganges und Spaziergänge entlang der Ghats zeigen auch interessante und schöne Seiten der Stadt (teilweise sogar frei von Verkäufern aller Art, teilweise!):
Menschen die eine höhere Kraft suchen. Sich im Fluß zu waschen als Ritual. Der Fluß als Quelle des Lebens.****
Ein anderer Grund warum Varanasi Indien ist, "ja, aber". Im Sinne: Ja, eigentlich schön aber...
Varanasi verfügt z.B. über schöne, enge Gassen. Dadurch kommt ein gewisser Flair. Dort zu spazieren, einen Blick in diesen Shop, einen Blick in jenen. Schatten, dadurch ist die Hitze nicht zu schlimm. Wenn man eine Pause braucht: rauf auf ein Rooftop-Restaurant. Toller Ausblick, dazu ein Lassi oder einen Chai. Herrlich. So weit. Wären die enge Gassen nur für den motorisierten Verkehr gesperrt und die Dichte an Verkäufern nicht ganz so hoch. Das zweite ist nur ein Ärgerniss. Ersteres bei der Geschwindigkeit mancher Motorräder auch eine Gefahr. So bleibt ein "Ja, eigentlich wäre es hier schön aber..."

Aber hier soll ja eine Geschichte erzählt werden. Zwei Erzählstränge scheinen dabei immer möglich. Der eine handelt von der Lieber, der andere vom Kampf. Oft finden sich auch beide. Aber wir schreiben hier nicht Troja 2.0. Nein wir haben nur den Kampf zu bieten (um sich in Varanasi zu verlieben ist die Stadt bei weitem nicht schön genug). Und auch die Frage nach Gut und Böse ist hier, anders als in vielen Geschichten dieser Machart, nur schwer zu klären. Aber meist handelt es sich bei solchen Geschichten sowieso nur um Märchen, Fikition.

Doch genug der Abschweifungen. Der Kampf. In der einen Ecke: Varanasi, alt (oder doch erfahren?), auf sich alleine gestellt (oder doch voller Menschen?), auf alle Fälle aber mit Heimvorteil. In der anderen Ecke: seine Besucher: größtenteils jung, mit westlichen Mägen ausgestattet und kulinarisch aufgeschloßen. Und sie fallen wie die Fliegen. Von dem diesen Geschichtenerzähler bekannten Menschen erwischt es an die 50%. Ja, die Verdauung. Varansi, den Ganges sehen und immer wieder die Toilette besuchen. Eine eigenartige Kombination. Aber wie sagt man so schön: in Indien muss man mit allem rechnen. Man kann nie wissen was sich hinter der nächsten Ecke verbirgt. Ein unglaublicher Tempel, Kühe am Bahnhof, ein atemberaubender Sonnenuntergang, ein 17-jähriger selbst ernannter Drogenbaron, ein Monument für die Liebe, ein Motorrad das durch enge und dunkle Gassen schießt.
Indien, alles ist möglich.

*Er hat lange probiert unserem "Helden" verschiedene Unterkünfte anzudrehen. Denkste. Aber die Rache der Rickshaw Männer kommt schnell.
**Und es blieb nicht bei dem einen Mal.
***Später wird sicher herausstellen, dass das Essen nicht gut ist. Ausnahme: Baked Beans and Fried Eggs on Toast. Also zumindest ein ordentliches Frühstück ist möglich. Und dazu gibt es, trotz Ganges Nähe, Bier. Nicht auf der Karte und illegal versteht sich. Aber das ist nicht unser Problem.
****Beim Verschmutzungsgrad des Ganges kann man dem Ganzen auch eine satirische Seite abgewinnen. Schon baden gilt als gesundheitsschädigende. Doch das Wasser wird auch getrunken.

© Flo W, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Von Delhi nach Mumbai. Der Weg ist ein ?. Indien von seiner schoenen und auch von seiner unschoenen Seite. Der Bericht der etwas anderen Form...
Details:
Aufbruch: September 2011
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: Dezember 2011
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Flo W berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.