Mit dem Motorrad über den nahen Osten in den hohen Norden
Finnland- Land der tausend Seen
Samstag, 23.06.2012
Ich verlasse meine Zelle und gebe den Schlüssel beim Wärter ab, denn heute ist wieder Reisetag.
Das Möppi ist mittlerweile ja schnell gepackt und fast hätte ich es wieder vergessen...das blöde Bremsscheibenschloss!
Während ich so auf der Hauptstrasse die ersten Meter durch Helsinki cruise, sehe ich doch glatt noch ein tolles Motiv.
Das Tolle, wenn man mit dem Motorrad unterwegs ist, ist ja die Möglichkeit, mal einfach so am Strassenrand oder wo es einen beliebt, stehenzubleiben.
Ich stoppe also, zücke meine immer griffbereite Kamera, drehe mich ein wenig nach rechts und nehme das Motiv ins Visier.
In voller Konzentrations aufs Motiv höre ich plötzlich Stimmen...doch ich kann nicht verstehen, was sie mir sagen wollen.
Ist es jetzt soweit nach knapp zwei Wochen alleine reisen, werde ich jetzt langsam komisch im Kopf? Einfach ignorieren...
Eine Polizeisirene heult kurz auf und lässt mich vor Schreck fast die Kamera fallen.
Ja schau einer an, die Polizei hat sich angeschlichen und steht neben mir und gibt mir zu vertehen, dass ich weiterfahren soll.
DIE haben also mit mir gesprochen...na dann ist ja doch noch alles klar im Stübchen oben.
Tanken wäre nicht schlecht, bevor ich Helsinki verlasse.
Also steuere ich die nächste Tankstelle an...
Kennt ihr den finnischen Tankstellen- Triathlon?
Der geht so:
Ihr fahrt an eine Zapfsäule, sagen wir die Nummer 5.
1. Diziplin: Checken, wie es funktioniert
Ich mache den Tankrucksack halb ab, nehme wie gewohnt den Zapfhahn aus der Halterung, führe den Rüssel in den Tank, drücke den Hebel voll durch, schaue auf die Anzeige und....nix tut sich.
Hmm, Rüssel wieder raus, blöd in der Gegend rumschauen und ahh, da vorne ist ein Automat für Kreditkarten und Geldscheine.
Anscheinend muss man in Finnland zuerst bezahlen.
2. Diziplin: Denksportaufgabe
Ich führe die Kreditkarte ein, das Gerät rattert und die Karte kommt heraus mit dem Hinweis, Karte nicht gültig.
Hmm, was ist das denn schon wieder...
Okay, versuchen wir es mit Geldscheinen. In beiden Fällen muss ich aber im voraus wissen, wieviel ich tanken will. Einfach volltanken geht nicht. Also muss ich erstmal rechnen, wieviel ich wohl verbraucht habe mal den Spritpreis = Summe an Geldscheinen...
3. Diziplin: Sprint und Manövrierübung
Nachdem ich die Geldscheine eingeführt habe, bekomme ich als Auswahl Zapfsäule 1 und 2.
Mein Möppi steht aber an Zapfsaule 5! Kein Abruch möglich!
Also wähle ich notgedrungen die Säule 1.
Innerhalb von 1 Minute mit dem Tanken beginnen steht auf dem Bildschirm. 59 sec, 58 sec, 57sec....
Das darf doch wohl nicht wahr sein...ich sprinte also zur Zapfsäule 5, schwinge mich auf den Bock, Tankdeckel wieder schliessen, Tankrucksck wieder befestigen, Handschuhe nicht vergessen, Schlüssel ins Zündschloss, starten und Möppi an die Zapfsäule 1 fahren, Möppi ausmachen, Handschuhe zur Seite legen, Tankrucksack abmachen, Zündschlüssel abziehen, Tankdeckel aufschliessen, Rüssel rein... 10 sec, 9 sec, 8 sec....und los gehts.
Hab ich doch in einer super Zeit hinbekommen, oder ?
Erste Haltestätion: Porvoo
Porvoo ist eine sehr alte Stadt, genauer gesagt, Finnlands zweitälteste Stadt.
Es ist heute recht warm und der Stadrundlauf in dieser hügeligen Stadt mit den Motorradklamotten und meinen "Enduro- Skistiefeln" treibt mir das Wasser aus den Poren.
Wahrscheinlich werde ich mich unterwegs in Zukunft auf die weniger schweißtreibenden Sehenswürdigkeiten konzentrieren...
Sobald man von der Küste ins Landesinnere abbiegt, scheint Finnland nur noch aus Seen und ein bisschen Land zu bestehen.
Tatsächlich gibt es in Finnland 187888 Seen, das muss man sich mal vorstellen!
Kaum hat man den einen See hinter sich gelassen, taucht auch schon wieder der nächste See auf.
Die Strassen in Finnland sind in sehr gutem Zustand, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, mal aus einer Kurce zu fliegen, doch eher gering.
Ich glaube ja, dass die Finnen wegen mangelnder Kurvenerfahrung vor jeder Kurve erstmal eine Kurvenbesichtigung machen, bevor sie die Kurve dann fahren .
Die Strassen sind wie in Deutschland durchnummeriert.
Einstellige Zahlen haben die wenigen Autobahnen, zweistellige Zahlen die "roten" Landstraßen, dreistellige Zahlen die "gelben" Landstrassen und unbefestigte Strassen, die unter Endurofahrern auch "Pisten" genannt werden, haben vierstellige Zahlen.
Das Tempolimit ausserorts beträgt 80 - 100 km/h.
Unterwegs komme ich an einer Stadt namens Lappeenranta vorbei, die in Finnland dafür bekannt ist, dass im Sommer finnische Künstler Kunstobjekte aus Sand bauen.
180 LKW- Ladungen aus Sand werden hierfür angeliefert und die Sandburgen werden mit einer speziellen "Beschichtung", die aufgesprüht wird, versigelt und regenresistent gemacht.
In Finnland bewege ich mich hauptsächlich auf "gelben" Strassen, die auf der Karte als landschaftlich besonders schön gekennzeichnet sind.
Jedoch frage ich mich schon, was hier die Kriterien dafür sind, ob eine Strasse landschaftlich schön ist oder nicht. Sie führen eh alle an Seen vorbei, die Landschaft ist überall gleich und die Strassen gehen meist immer nur geradeaus.
Auf den gelben Strassen herrscht auch so gut wie kein Verkehr, dass ist echt ein irres Gefühl, kilometerlang so eine Strasse für sich zu haben.
Kurz vor meinen Tagesziel halte ich am Strassenrand an und lese in meinem Reiseführer, welcher Campingplatz in der Gegend empfohlen wird.
Die Gegend ist menschenleer, plötzlich fährt ein finnischer Harley-Fahrer mit seiner Freundin hinten drauf an mir vorbei.
Kurze Zeit später kommt er wieder zurück und hält neben mir an.
Er fragt mich, ob ich ein Problem habe und ob er helfen kann. Ich erkläre ihm, dass soweit alles in Ordnung ist und ich nur nach einem Campingplatz in meinem Reiseführer nachschlage.
Oh, er würde in dem nächsten Ort zwei Kilometer von einem Campingplatz entfernt wohnen, wenn ich will, würde er mir den Weg zeigen. Klar will ich, warum nicht...
Tja liebe Autofahrer, wann hat denn bei Euch extra ein Auto umgedreht als ihr mal am Strassenrand standet, um Euch zu helfen?
Das ist schon toll bei uns Möppifahrern ...
Geschwindigkeitsbegrenzungen scheint der Kollege nicht zu kennen, nun ja, er ist ja Einheimischer und müsste ja wissen, was er tut. Also hinterher...
Nach 20 km kommen wir am Campingplatz an, seine Freundin checkt für mich die Lage, wir kommen ins Gespräch.
Er heisst Mikko und hat wohl eine Motorradwerkstatt und vetreibt KTM- Motorräder. Die Harley wird nur mal ab und zu benutzt, wenn er mit seiner Freundin durch die Gegend fährt.
Ansonsten fährt er am liebsten mit seiner 950er KTM.
Vor zwei Wochen ist er mit Kumpels 1000 km in 24 Stunden gefahren...Offroad bzw. Pisten natürlich..die spinnen, die Finnen !
Nach der Geschwindigkeitsbegrenzung gefragt, sagt er mir, dass man schon aufpassen sollte, ab 300 € aufwärts geht der Spass los, wenn sie dich erwischen.
Na der muss ja Kohle verdienen mit seiner Werkstatt, wenn der immer so unterwegs ist...
Ich frage ihn noch nach einen Tipp bezüglich Moskitoschutzmittel.
Am Besten wäre Leder, sagt er mit einem Grinsen.
Oder die einheimische Marke "Off", Autan würden die Mücken hier lieben und bevorzugt anfliegen...
Zum Schluss gibt er mir noch seine Handynummer, wenn ich Probleme mit meinem Möppi hätte, sollte ich ihn anrufen.
Wie geil ist das denn, ich habe jetzt meinen privaten ADAC in Finnland ..
Wetter ist für heute Nacht nicht so besonders angesagt, von daher checke ich die Alternativen auf dem Campingplatz.
Es gibt noch kleine Hütten für 50 € die Nacht und Betten für 15 €.
Was sind denn "Betten"?
Die gibt es im Moment eigentlich nicht, da man die Zimmer nicht abdunkeln kann und hier ist es ja mittlerweile nachts auch ziemlich hell.
Egal, zeigt mal, im Zelt ist es ja auch hell.
Ich werde in einen Schlafsaal geführt, wo ich der Einzige wäre.
Klar, nehme ich...dazu noch Frühstück und einen Hamburger zum Abendessen...und das ganze für 26 €...was will man mehr ?
Nach dem Abendessen schaue ich mir noch etwas die Gegend an, bevor ich dann schlafen gehe in meinem Hochbett mit Blick auf die Mitternachtssonne...
Sonntag, 24.06.2012
Ich hatte mit dem Wetter den richtigen Riecher, nachts hat es angefangen zu regnen.
Von daher habe ich es auch nicht besonders eilig mit dem Losfahren.
Heute liegen ja auch eigentlich nur 380 km an, da kann man ruhig etwas trödeln bei dem Wetter.
Doch es hilft nichts, der Regen hört nicht auf.
Na ja, so wird mir wenigstens die Entscheidung abgenommen, ob ich gleich als Michellinmännchen losfahre oder mit dem Regengeraffel noch warte.
Ich bin natürlich wieder auf den gelben Strassen unterwegs, als ich nach ca. 70 km ein Schild entdecke, dass Autofahrer vorsichtig sein sollen, nicht in den See zu fahren.
Ich amüsiere mich köstlich darüber, da ist hinter der nächsten Kurve die Strasse zu Ende und der See fängt an.
Aha, hier muss man eine Fähre nehmen.
Ein Blick auf die Tafel lässt mich jedoch Böses ahnen.
Sind das etwas die Fährzeiten? Wir haben gerade 13 Uhr....
Ich habe aber Glück und die Fähre fährt im Dauerbetrieb hin und zurück...und kostenlos ist sie auch noch, nicht schlecht...
Es will heute einfach nicht aufhören zu regnen.
Für die, die kein Motorrad fahren, hier eine kleine Beschreibung, wie es sich anfühlt, bei Regen zu fahren:
Das erste, was man spürt, ist ein Gefühl, als ob es im Schritt undicht wird...das ist aber (hoffentlich) nicht wirklich so, sondern liegt daran, dass sich das Wasser im Schritt sammelt und es dort kälter wird.
Nach 15 Minuten fängt bei so einem Dauerregen dann das Visier von innen an zu beschlagen, es ist so, als ob man im Nebel fährt. Dann läuft das Wasser irgendwann trotz Gummiüberziehhandschuhe in die Handschuhe hinein und zum Schluss, wenn man Pech hat, gibt es Wassereinbruch am Hals und am Nacken, dass läuft dann so langsam den Rücken runter. Die Schuhe sind eh schon nass, da meine Überziehstiefel ja defekt sind...
Unterwegs kommt mir bei dem Regen der Gedanke, dass das keine Seen sind in Finnland, sondern alles lokale Überschwemmungen...
Der Regen hört dann nach 350 km kurz vor meinem Etappenziel auch langsam auf.
Abends lerne ich im Hotel Eckhardt kennen, einen Musiktherapeuten aus Berlin, den es in dieses Kaff wegen eines Seminars verschlagen hat.
Wir gehen noch zusammen bei einem Türcken ne Pizza essen.
Im tiefsten Finnland doch alles wie zu Hause hier ...
Montag, 25.06.2012
Der Regen hat über Nacht aufgehört, der Himmel ist jedoch grau in grau.
Deshalb ziehe ich vorsorgehalber schon mal wieder mein Michellinmännchenkostüm an. Ich bin komplett fertig und will losfahren, da hängt sich das Navi auf, nix geht mehr.
Mist, wieder absteigen.
Ich muss für den Neustart die Batterie entfernen, dafür brauche ich einen ganz kleinen Imbussschlüssel.
Wo ist der? Natürlich ganz unten im Koffer...
Also alles ausräumen. Mittlerweile fühle ich mich in meinen ganzen Klamotten wie in einer finnischen Sauna.
Zudem fliegen andauernd Mücken um mich herum.
Das mit den Mücken stimmt tatsächlich, die Blutsauger sind hier wirlich eine Plage.
Sobald man irgendwo anhält, formieren sich die Mistviecher zu einem Geschwader und fliegen im Kamikazeflug auf dich herab. Pearl Harbour lässt grüssen...
Außerdem sind die Vampire anscheinend kälteresistent und wasserdicht, bei Regen hat man nämlich auch keine Ruhe.
Und "Off" habe ich mir leider noch nicht besorgt...
Mit einer halben Stunde Verspätung geht es dann endlich los...
Unterwegs komme ich an einem der bekanntesten finnischen Kriegsdenkmäler vorbei.
In der Gegend tobte wohl die blutigste Schlacht der Finnen, der sogenannte Winterkrieg.
Im November 1939 sind die Russen an dieser Stelle ohne Kriegserklärung nach Finnland einmaschiert.
Ein paar tausend Finnen standen 180000 Russen gegenüber.
Aufgrund besserer Ortskenntnisse und eines harten Winters konnten die Finnen tatsächlich die Russen zurückschlagen.
Für jeden toten Soldaten wurde ein Stein niedergelegt.
Es scheint sich jedoch noch nicht bei Jedem rumgesprochen zu haben, dass der Krieg schon lange beendet ist, kurze Zeit später hatte ich so meine Probleme..
Mittlerweile finde ich die langen Geraden hier in Finnland richtig klasse.
Das ist einfach ein irres Gefühl, wenn man den Highway ganz für sich alleine hat, in der Mitte der Strasse fährt, sich dabei hinstellt und von "oben" auf die Gegend und den Horizont schaut.
So müssen sich Leonardo und Kate in Titanic gefühlt haben, als sie ganz vorne an der Spitze des Schiffes standen .
Doch so ganz alleine bin ich jetzt doch nicht mehr.
Mann muss jetzt sehr genau den Strassenrand beobachten, ob dort nicht Rentiere zu sehen sind. Die springen nämlich mal ganz gerne auf die Strasse...
In der Zwischenzeit hat mein Navi wieder ein Problem bekommen, jetzt wird es vom Bordnetz nicht mehr mit Strom versorgt und läuft nur noch mit Batterie.
Diese ist aber schon fast leer, weshalb ich beschliesse, für den Rest des Tages nach Karte zu fahren, ging ja früher auch ohne Navi und so viele Strassen gibt es hier oben ja auch nicht mehr.
Doch ein Schild lässt mich nach einer Stunde Fahrt etwas stutzen...
Den Polarkreis wollte ich erst bei meiner nächsten Etappe erreichen, mein nächstes Etappenziel liegt noch ein paar Kilometer unter dem Polarkreis.
Ein genauer Blick auf die Karte bestätigt meine Vermutung, ich hätte vor 50 km abbiegen müssen. Klasse, Dirk...
Es gibt laut Karte jedoch noch eine Alternative, um die 50 km nicht zurück zu fahren.
Das würde jedoch bedeuten, 50 km unbefestigte Strasse durch Niemandsland zu fahren.
Soll ich oder soll ich besser nicht?
Nach kurzem Überlegen entschliese ich mich zu dem kleinen Abenteuer...
Das Problem dabei ist nicht die Strasse selbst, sondern der Gedanke, was passiert, wenn das Möppi plötzlich liegen bleibt.
Na ja, wird schon gut gehen, schliesslich stehen ja auch ein Traktor, ein Jeep und ein Multivan bereit, mich zu retten, wenn etwas schiefläuft !
Du lässt mich doch nicht im Stich, liebes Möppi, gell?
Bekommst auch beim nächsten Tankstopp 98 statt 95 Oktan...
Glaubt mir, man fühlt sich so richtig prächtig, wenn man nach einer Stunde wieder die ersten Häuser sieht und auf die rote Strasse abbiegen kann .
Die restlichen 100 km sind dann schnell runtergespult und ich komme gegen 21 Uhr in Rovaniemi am nördlichen Polarkreis an.
Aufbruch: | 12.06.2012 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 28.07.2012 |
Tschechische Republik
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