Mit dem Motorrad über den nahen Osten in den hohen Norden
Eiszeit
Ruhig war es die Nacht in meinem kleinen Hüttendorf, wie ausgestorben . Auch den Vermieter habe ich seit gestern nicht mehr gesehen. Da er nur Bargeld akzeptierte und ich noch welches im Nachbarort holen musste, machte er mich darauf aufmerksam, dass der Schlüssel in den Hütten ja stecken würde, ich sollte mir eine aussuchen, er würde später noch einmal vorbeikommen.
Was heisst "später" wohl in Norwegen ?
Er hatte mir Wlan versprochen, das gab es aber leider nicht, also gehe ich mal davon aus, dass er mit einer Kürzung der vereinbarten "Miete" einverstanden sein wird.
Ich lege das Geld auf den Tisch und fahre los.
Es sind ca. 20 km bis zum Gletscher, die Wolken hängen wieder tief, aber es regnet (noch) nicht.
Mit meinen Gletschern habe ich irgendwie kein Glück in Norwegen, am Ende der 20 km hört die Strasse auf, man müsste umsteigen in einen "Gletscherbus", der einen dann zum Gletscher bringt.
So etwas kenne ich auch aus Kanada, nein Danke, vor allem nicht bei der Sicht.
Ich drehe also wieder um und fahre die Stichstraße zurück.
Zumindest gibt es auf der Strecke einen schönen Wasserfall...
Auf dem Rückweg fahre ich auch wieder an meiner Geisterstadt vorbei, dort ist immer noch alles ruhig....wann die wohl Saison haben?
Was das Wetter angeht, ist Norwegen echt multitaskingfähig. Die Sonne scheint und gleichzeitig fallen dir die Wolken fast auf den Kopf ...
Nach ein paar Kilometern schraubt sich die Strasse aus dem Tal nach oben...
Ich sehe in einer Kurve ein Schild zu einem Wasserfall, nur ein Auto parkt dort, scheint wohl nicht so bekannt zu sein, na ja, halten wir halt mal an und schauen mal, was der Wasserfall so zu bieten hat.
Gott sei Dank bin ich nicht daran vorbeigefahren, dieser Wasserfall war der Beeindruckenste, den ich bisher gesehen habe.
Nicht wegen seiner Größe, sondern der Möglichkeit, nach einem kleinen Fussweg ganz nah an ihn heranzukommen.
Die Wassermassen stürzen ohrenbetäubend an dieser Stelle direkt an mir vorbei und innerhalb weniger Augenblicke bin ich nass, zur Abwechselung aber mal nicht vom Regen .
So etwas findet man wohl nur in Norwegen, in anderen Ländern wäre bestimmt deutlich mehr Sicherheitsabstand zum Wasserfall. Ein irres Gefühl, man spürt hautnah die gewaltige Power der Wassermassen...
Die Strasse wird danach schmaler und schraubt sich immer weiter nach oben.
Ein Schild deutet darauf hin, dass es hier wohl auch zu einem Sommerskigebiet geht.
Da bin ich mal gespannt, wie norwegische Sommerskigebiete aussehen ..
Das irre an Norwegen ist ja, dass man aufgrund des nördlicheren Breitengrades nicht so hoch fahren muss, um in die Regionen des ewigen Eis zu kommen.
Wenn man in Norwegen in einer Höhe von ca. 1500 m unterwegs ist, fährt man durch Landschaften, die es in den Alpen erst ab 3000 m zu bestaunen gibt.
Und das Tolle daran:
Während man auf "normalen" Strassen in den Alpen nur für einen kurzen Moment während einer Passüberschreitung z.B. in diese Regionen kommt, befinden sich in Norwegen ganze Hochebenen mit 50 km Länge und mehr in diesen Regionen.
Und somit bin ich innerhalb kurzer Zeit wieder zurück in der Arktis ...
Bald darauf erreiche ich dann auch das Sommerskigebiet.
Echt putzig und hübsch bunt !
Hier gab es einen lecker Kakao, was der pinkfarbene Traktor jedoch für eine Aufgabe hat, konnte ich nicht herausfinden...
Der Spass und leider auch wieder der Regen fing jedoch erst nach dem Skigebiet so richtig an.
Die asphaltierte Strasse hört dort nämlich auf und es geht offroad weiter.
Man ist wieder alleine unterwegs und Strasse sowie Landschaft sind wie geschaffen für ein Möppi wie die GS ...
Nach ca. 30 km komme ich langsam wieder zurück von meinem Ausflug in die Arktis ...
Die Strassen sind nun wieder gut ausgebaut und ich komme schnell voran.
Am Wegesrand entdecke ich durch Zufall eine der schönsten und größten Stabkirchen Norwegen, die Lomskykja.
Analysen haben ergeben, dass der Baubeginn der Stabkirche um 1158 war.
Im Mittelalter war die Kirche Hauptkirche für Nord-Gudbrandsdalen, zudem war der Ort eine wichtige Station für Pilger. Aus diesen Gründen wurde die Kirche extra gross gebaut.
Nach der Besichtigung der Stabkirche gehts weiter und nach ca. 30 km denke ich mir, ein Blick auf die Karte kann ja nicht schaden, denn langsam müsste mal die Abzweigung zur RV 55 kommen.
Ahh, in Lom muss ich ab und gerade habe ich ja ein Schild gesehen, dass es noch ca. 40 km bis dort hin sind.
Ich fahre also weiter und nach 20 km sehe ich an einer Kreuzung ein Schild, dass es nach Lom in die Richtung geht, wo ich gerade herkomme.
Da stimmt doch was nicht. Ich hole die Karte raus und Mist...ich habe Lom mit Lalm verwechselt.
In Lom stand die Stabkirche und dort hätte ich abbiegen müssen. Ohh nein, 50 km zu weit gefahren, das bedeutet, 50 km wieder zurück fahren.
Was meint ihr, habe ich mich jetzt darüber geärgert oder habe ich mir gedacht, hätte ich nicht durch Zufall im Augenwinkel das Schild nach Lom gesehen, wäre ich ja noch mal 20 km weiter bis nach Lalm gefahren, bevor ich den Irrtum festgestellt hätte, also habe ich ja eigentlich Glück gehabt.
Es war spät, es hat geregnet, ich bin kein Berufsoptimist, die Frage müsste somit beantwortet sein...
Nach 100 km Umweg komme ich dann also endlich zur Abzweigung auf die RV55.
Jetzt ist es ja nicht mehr weit bis zu meinem heutigen Etappenziel.
Was ich jedoch nicht wusste, die RV 55 geht nicht durchs Tal, sondern führt rauf zum Sognefjellet, welches auch das Dach Norwegens genannt wird und seinen höchsten Punkt bei 1434 m hat.
Norwegens höchster Berg, der Galdhøpiggen mit knapp 2500 m, ist ebenso Teil dieser Strecke wie der größte Gletscher des Landes, der Jostedalsbreen.
Es ist ca. 19 Uhr, als ich die RV 55 erreiche und ahnunglos abbiege.
Am Anfang der Strecke sieht auch alles noch ganz normal aus...
..als ich mich dann jedoch ziemlich alleine gegen 22 Uhr bei starkem Regen und sagen wir, frischen Temperaturen, immer noch in dieser Gegend aufhalte, ist dies schon ein befremdliches, aber irgendwie auch faszinierendes Gefühl...
Gegen kurz vor 23 Uhr erreiche ich dann endlich einen Campingplatz, der natürlich schon geschlossen hat.
An eine Hütte ist somit nicht zu denken und mir bleibt nichts anderes übrig, als mein Zelt aufzubauen...hoffentlich regnet es jetzt nicht die ganze Nacht durch ...
Was für ein Tag, und ich dachte, ich hätte die Arktis schon lange hinter mir gelassen ...
Aufbruch: | 12.06.2012 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 28.07.2012 |
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