Mit dem Motorrad über den nahen Osten in den hohen Norden
Hurtigruten - die schönste Seereise der Welt
Montag, 02.07.2012
Die Fähre kommt tatsächlich pünktlich, ist ja auch ein Postschiff, die müssen ja pünktlich sein.
Schnell stelle ich fest, dass ich an der falschen Stelle stehe, hier kommen anscheinend nur die Fussgänger an Board.
Also noch schnell ne Runde um den Block und schon geht es an Board.
Auf dem Schiff bin ich schon einmal, einen Lebensberechtigungsschein fürs Schiff habe ich jedoch noch nicht, aber das sollte jetzt das kleinere Problem sein.
Also ab an die Rezeption des Schiffes...
180 € für das Teilstück zwischen Tromso und den Lofoten transformieren mich vom blinden Passagier zum armen Passagier.
Aber dafür habe ich ja auch eine Traum- Schiffsreise gebucht und sehe die Bergwelt von Norwegen vom Wasser aus.
Das Schiff hat im Gegensatz zu den Mittelmeerfähren einen wirklich gehobenen Standard.
Als erfahrener Fährenspezialist (zumindest für die Fähren in den Süden) wird erstmal der Überblicksplan des Schiffes studiert...wo sind die besten Plätze zum Übernachten, wo die Restaurants, wo die Toiletten.
Das Panoramadeck hört sich doch toll an, von dort hat man bestimmt eine tolle Aussicht.
Und genau so ist es...
Hier in den bequemen Sesseln mit dem herrlichen Blick aufs Wasser lässt es ich doch herrlich aushalten, wer braucht da schon eine teure Kabine. Ausserdem ist es ja eh hell und da muss man sich ja die Landschaft anschauen.
Ein bisschen ist es so, als ob man in einen 18-stündigen Kinofilm sitzt, irgendwann wird man müde und müsste eigentlich mal ein wenig schlafen, aber man hat das Gefühl, dann etwas zu verpassen, also bleibt man wach, läuft herum und schaut halt...
Die Fähre ist noch nicht so voll, die Plätze am Panoramafenster sind natürlich belegt, aber ansonsten ist noch viel Platz auf den hinteren Plätzen.
So gegen 04.30 werde ich dann doch müde, immerhin habe ich ja morgen noch den ganzen Tag zum Schauen und morgen Abend muss ich ja auch noch ein bisschen fit sein, um einen Schlafplatz auf den Lofoten zu finden.
Also Isomatte und Schlafsack raus und ne Runde knacken...
Um 05.50 werde ich von einem ohrenbetäubenden Lärm aus meinem Dämmerschlaf gerissen.
Die Putzfrau saugt, was der Sauger hergibt.
Sie saugt so nah an meiner Isomatte entlang, dass sie diese sogar berührt.
Ich überlege, ob ich mich jetzt totstellen oder zum Angriff übergehen soll.
Unglaublich, die Frau kennt kein Erbarmen...
Kurz danach kommt richtig Trubel auf an Board, die Fähre hat angelegt und neue Passagiere kommen aufs Schiff.
Also notgedrungen aufstehen....ein Blick aus dem Fenster und ich frage mich, wer die Landschaft in den zwei Stunden geklaut hat....es ist mal wieder alles grau in grau und es regnet .
Na toll, die schönste Seereise der Welt und ich sehe nix mehr davon...
Ich packe meine Isomatte und meinen Schlafsack zusammen und schaue mal, ob es irgendwo etwas zu futtern gibt.
Die Preise lassen mich zur Salzsäure erstarren, rund 30 E für ein Frühstück, Mittag- oder Abendessen kosten ca. 45 €, ein Kakao ca. 5 €
Ja spinnen die denn?
Jetzt muss ich einfach mal was zum Preisniveau in Norwegen loswerden.
Ohne jetzt hier angeben zu wollen, verdiene ich, glaube ich, nicht ganz so schlecht, ich muss jedenfalls in Deutschland nicht auf den Pfennig schauen.
Norwegen jedoch hat Lebenshaltungskosten, bei denen ich das Gefühl habe, an der Armutsgrenze zu leben.
Wenn das hier so weitergeht, muss ich nach 4 Wochen Norwegen Privatinsolvenz anmelden.
Eine Übernachtung ist kaum unter 60 € zu bekommen, kein Hotel, sondern einfaches Hostel mit Gemeinschaftsbad natürlich.
Eine Pizza mit Cola kostet ca. 30 €!, das ist günstig, wenn man in einem Restaurant essen geht.
Der Spritpreis liegt bei knapp 2 € pro Liter, für einen Fast Food Hamburger mit Pommes zahlt man 20 €.
Selbst im Supermarkt sind die Preise fast doppelt so hoch wie in Deutschland, ich frage mich echt, wie die Norweger das alles bezahlen können.
Ich WILL es jedenfalls nicht, meine Schmerzgrenze ist da echt überschritten.
Also teile ich mir meine zwei Äpfel und die Kekse gut ein für den Tag .
Weil es draussen nix zu sehen gibt, lese ich in meinem Kindle.
Neben mir sitzt ein Norweger, der mich fragt, ob ich ein Ladekabel für den Kindle habe, er hätte seines leider zu Hause vergessen und sein Kindle wäre leer.
Klar habe ich ein Ladegerät dabei, dies ist jedoch unten am Motorrad.
Am nächsten Fährhafen kann ich in die Garage und hole das Kabel.
Der Norweger ist happy und wir kommen ins Gespräch.
Jan heisst er, kommt aus Oslo und er ist mit seiner Frau Lena und einem befreundeten Päärchen (Astrid und Öyrind) zum Marathon nach Tromso gereist und jetzt befinden sie sich auf dem Rückweg.
Im Laufe des langen Nachmittages erfahre ich so Einiges von Jan...
Er und seine Frau haben sich vor 18 Jahren einen Traum erfüllt und haben ein großes Haus gebaut, in dem sie mit 4 befreundeten Pärchen wohnen. Jeder hat seine abgeschlossene Wohnung von ca. 120 qm, dazu gibt es in der Mitte einen Gemeinschaftsraum, einen Hobbyraum für Partys und einen Fitnessraum.
Das hört sich ja genial an .
Des Weiteren erfahre ich etwas über die "Skandinavische Nahrungskette".
Aufgrund des Preisniveaus gehen die Norweger in Schweden einkaufen, die Schweden in Dänemark und die Dänen in Deutschland.
Die Gehäter sind in Norwegen sehr hoch, ein Postbeamter verdient, wenn ich es richtig verstanden habe, bereits 60 000 € im Jahr.
Mir wird bezüglich Preisen so einiges klar...
Draussen schüttet es und es ist kalt....
Wo ich denn heute Abend übernachten werde, fragt mich Jan.
Keine Ahnung, wenn es aufhört zu regnen, will ich einen Campingplatz ansteuern und dort mein Zelt aufbauen, morgen soll es ja wieder ganz schön werden.
Jan und seine Clique wollen auch in Svolvaer aussteigen und hätten dort eine Hütte gemietet, wenn ich wollte, könnte ich bei denen übernachten.
Das ist ja lässig , klar will ich...
Jan ruft noch kurz im Hotel an, ob dies möglich wäre und die Sache ist perfekt.
Super, ich habe eine Übernachtungsmöglichkeit auf den Lofoten bei dem Scheisswetter, damit hätte ich jetzt nicht gerechnet .
Ich schleiche ein wenig auf dem Boot rum und treffe alte Bekannte.
Ein Ehepaar aus der Schweiz, die ich in einem Hotel in Finnland kennen gelernt habe.
So klein ist die Welt .
Wir unterhalten uns eine Zeit lang und ich erfahre von denen von der N 17, die wohl schönste Küstenstrasse Norwegens, die von den Lofoten Richtung Trondheim geht und ca 650 km lang ist.
Sie ist zugleich aber auch die teuerste Strasse Norwegens, da nicht weniger als 6 Fähren auf dieser Strecke genommen werden müssen.
Egal, die will ich fahren, mit dem Motorrad ist das eh nicht so teuer wie mit dem Auto.
Das ist echt das Tolle am Individualreisen, man trifft immer wieder Leute, die einem super Tipps geben und schon nimmt die geplante Route einen anderen Verlauf .
Gegen 18 Uhr kommen wir pünktlich in Svolvaer an, natürlich regnet es immer noch.
Die Vier nehmen ein Taxi und ich hinterher zum Hotel.
Und wow...die Unterkunft ist echt genial, das Beste, was ich auf meiner Urlaubsreise bisher hatte.
Die "Hütte" hat einen hohen Standard und liegt direkt an einem Fjord.
Abends gehen wir in einem schicken Restaurant, welches zur "Hüttenanlage" gehört, etwas essen.
Ich bestelle mir auf Empfehlung von Jan ein Walsteak und mir ist klar, dass dies das teuerste Abendessen meines Lebens wird .
Aber das ist egal heute, wenn der Abend so schön ist wie heute, sollte der Preis mal keine Rolle spielen.
Und ausserdem ist ja die Übernachtung "for free" .
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns und ich bekomme noch eine Einladung von Jan, sie doch auf meiner Weiterreise durch Norwegen in Ihrer Hütte in den Bergen von Südnorwegen zu besuchen, da wären er und Lena in den nächsten Wochen und ich könnte mit ihm fischen gehen...
Die Norweger sind echt cool drauf, mal sehen, ob es klappt ....
Aufbruch: | 12.06.2012 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 28.07.2012 |
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