Faszination Peru
Arequipa
Paulina holt die Gruppe um neun Uhr zum Stadtrundgang ab.
Ich streike, hab noch ein paar organisatorische Dinge zu erledigen, Geld besorgen, das Lokal fürs Nachtessen reservieren, Papiere kontrollieren, Renés Instruktionen für die nächsten Tage durchchecken und vor allem diesen Reisebericht schreiben, denn im Moment bin ich ein paar Tage im Verzug.
Also überlasse ich die Gruppe Paulina und bleibe nach dem Abschied im Frühstücksraum sitzen, versuche etwas Ordnung in mein Chaos zu bringen. Später schlendere ich zum Hauptplatz, will da einen Tisch für den Apero reservieren - und laufe prompt in meine Gruppe - und in eine völlig aufgewühlte Paulina.
"Ich muss mit dir reden", flüstert sie mir auf spanisch zu. Die Gruppe darf einen Moment inne halten und auf dem Hauptplatz fotografieren.
"Du weisst, ich mag diese Gruppe, aber die Männer sind nicht auszuhalten". Ich versuche ihrem spanischen Wortschwall zu folgen und erfahre, dass beim Besuch eines Textilzentrums die Männer reklamiert haben, als die Frauen anfingen, Kleider zu probieren. "Wir waren nur 17 Minuten in dem Laden und du weisst, dass das zum Stadtrundgang gehört."
"Ja, ich weiss das, aber wahrscheinlich hatten sie unterdessen von unseren vielen Marktbesuchen einfach zu viel. Wir haben an so vielen Orten Pullover und Jacken eingekauft, wurden überall zum Kauf gedrängt, vielleicht war es gerade dieses eine mal zu viel", versuche ich sie zu beruhigen.
"Ich mag Euch Schweizer, aber das muss ich mir so nicht gefallen lassen", drängt sie weiter. "Ich werde diesen Stadtrundgang noch zu Ende führen, kann aber die Führung im Katarinenkloster nicht übernehmen. Ich werde eine andere Führung organisieren".
"Einverstanden", lenke ich ein.
Und dann sind sie schon wieder unterwegs. Folgen Paulina mit ihrem breitrandigen Sonnenhut. Gehen weiter zur Merced, besuchen den wunderschönen Innenhof der Kirche Compania de Jesus.
Wahrscheinlich wurde sie an einem ganz sensiblen Punkt getroffen. Bestimmt hätte sie vom Geschäft eine Provision kassiert, wenn ihre Gruppe etwas gekauft hätte. Und es sah ganz danach aus, dass es Käufe gäbe, wenn nicht die Männer interveniert hätten, das sei ein Stadtrundgang, keine Verkaufsberatung.
Bilder vom Stadtrundgang
Später warte ich beim Hotel gegenüber dem Kloster auf die Gruppe. Ich rede ein wenig mit Miguel, der leere Flaschen auf ein Fahrrad mit Ladefläche stapelt. Er kauft sie in den Restaurants und verkauft sie für ein paar Soles weiter. Und mit dem Verkäufer, der am Boden sitzt und in ein selbstgebasteltes Saxophon bläst. Aus Rohrabfällen hat er es gemacht und versucht jetzt ein paar davon zu verkaufen. Und die junge Frau daneben verkauft Hüte, einen ganzen Stapel davon hat sie sich auf den Kopf getürmt. Einer verkauft Batterien. Ganz einfache Batterien, wie man sie für Taschenlampen braucht.
Paulina hat gestern erzählt, dass Peruaner nicht gern betteln. Sie lassen sich etwas einfallen, womit sie ein paar Soles verdienen können. So wie der kleine Kevin gestern Abend. Für einen Soles erzählt er einen Witz. Er will damit Geld für seine Schulbücher verdienen. An den Witz kann ich mich nicht erinnern, mir ist das Lachen im Hals stecken geblieben. Wie kann es sein, dass ein acht jähriger Junge nachts um neun Uhr Witze erzählen muss. Von mir bekam er mehr als einen Soles.
Bei der Kreuzung vor dem Catalinenkloster steht ein Polizist mit einer schmucken weissen Uniform. Meistens bleibt er zwar im Schatten der nahen Alpaka-Boutique oder im schattigen Eingang des Klosters. Dann und wann schiesst er hinaus, hält mit seiner roten Kelle den gesamten Verkehr auf und hilft damit einer Dame, zum Beispiel mir, über die Strasse. Ja, das sei seine Aufgabe, erklärt er. Für Ordnung auf der Strasse sorgen. Und dann will er wissen, woher ich komme. "Viva Suiza", salutiert er. Ich salutiere zurück: "Viva Peru".
Und dann kommt meine Gruppe aus dem Kloster. Höchst zufrieden, der Rundgang mit Carmen einer vom Kloster angestellten deutsch sprechenden Führerin war sehr interessant. Auch mit Paulina haben sich die Wogen wieder geglättet, bevor man auseinander gegangen ist. Nur blöd, dass ihre Tipps für den Abendausgang nicht ankamen, weil ich genau ihre empfohlenen Restaurants bereits eingeplant hatte.
Hinter der Kathedrale gibt es auf der Sonnenterrasse ganz oben ein Restaurant wo wir ein gemütliches Mittagessen einnehmen. Danach ist freier Nachmittag.
Schlendern auf der Plaza, Besuch der Markhalle oder ausruhen im Hotel, alles ist möglich.
Nach fünf Uhr treffen wir uns beim Hotel und spazieren gemütlich zur Kathedrale. Da in den Lauben gibt es ganz oben eine Terrasse. Mit fantastischem Blick auf den Sonnenuntergang. Hier habe ich einen Tisch reserviert und bei einem feinen Maracuja Sour, eingemummelt in warme Ponchos geniessen wir das Schauspiel.
Pünktlich um viertel vor sechs verschwindet die Sonne, der Himmel färbt sich in rotblau-Töne und während die Dunkelheit langsam über den Platz schleicht, hebt die Beleuchtung der Kathedrale und des Platzes diese wieder auf. Ein fantastisches Schauspiel.
Und später liegt wieder der Mond über uns. Auf dem Rücken und mit der Venus im Schlepptau
Zum Nachtessen gehen wir ins ZigZag. Zwar wollte man mir am Nachmittag keinen Tisch reservieren, aber jetzt meint die Dame am Empfang, dass unerwartet eine andere Gruppe nicht gekommen sei und sie jetzt doch Platz hätte.
So kommt es, dass in einem anderen Lokal ebenfalls eine Gruppe nicht kommt - ich rase schnell um eine Ecke und melde uns ab - und wir können in meinem Lieblingsrestaurant essen. Zwar in zwei verschiedenen Räumen, aber wir geniessen alle ein feines Fleischgericht. Alpaka vom heissen Stein, das ist die Spezialität des Lokals.
Schon gestern waren sie uns aufgefallen, die vielen Jugendlichen, die buchstäblich an der Wand des Klosters hingen. Was tun die da? Ob die dealen?
Paulina hat heute das Rätsel aufgelöst. Sie spielen Pokemon go.
Warum sie sich genau an dieser Stelle treffen konnte ich nicht ausmachen, nur, dass es innerhalb der Klostermauern ein paar Orte gibt, an denen man Pokemon Bälle sammeln kann. Vielleicht kann man sie von aussen aktivieren, wenn man nur nahe genug an der Mauer hängt.
Aufbruch: | 22.08.2016 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 10.09.2016 |