Patagonien - Auf der Straße nach Süden
Teil 11 - Zum Fitz Roy
06.02.2018
07.15 Uhr – El Chalten!
Hatte ich mich verhört oder waren wir wirklich da?
Die Ruta 40 hatte uns buchstäblich über Stock und Stein geführt und ordentlich durchgerüttelt. An Schlaf war kaum zu denken gewesen; Traum und Realität verqirlen sich unter solchen Umständen durchaus mal zu einer nebeligen Suppe.
Aber diesen Ort hier, El Chalten, mochten wir beide sofort!
Malerisch von hohen Bergen umgeben; der kühle Morgenwind strich durch die noch verschlafenen Straßen, vorbei an originellen Holzhäusern, Bars, Shops, Biergärten und etlichen kuriosen Skulpturen. Er holte unsere Lebensgeister auf der Stelle zurück.
Die „Nationale Hauptstadt des Wanderns“, wie sie sich selbstbewusst nennt, präsentierte sich uns von ihrer besten Seite. Tatsächlich lebt der erst 1985 gegründete, nur rund anderthalbtausend Einwohner beheimatende Ort hauptsächlich von und für Touristen, Wanderer und Bergsteiger, die natürlich vor allem dem berühmten Fitz Roy mehr oder weniger zu Leibe rücken möchten.
Unser Hotel „Kalenshen“ hätte mit all seinem Wurzelholz und liebevollen Schnitzereien beinahe einem Rübezahl-Märchen entsprungen sein können.
Aber auch ein Schwimmbad und eine Sauna gab es hier! Und das Zimmer war, zu dieser frühen Stunde, direkt schon bezugsfertig, wovon wir sogleich dankbar Gebrauch machten.
Puuh!
Doch zum Ausruhen waren wir natürlich nicht hergekommen!
… und so fanden wir uns gegen 10 Uhr – nach kurzem Pit Stop im örtlichen Supermarkt – schon auf dem Weg in die Berge wieder!
In der „National Capital Of Trekking“ waren, selbstverständlich, sämtliche Wanderrouten bestens ausgeschildert, es bedurfte tatsächlich keiner Karte.
Unser heutiger Weg sollte uns, wie auch anders, an den Fuß des berühmten Fitz Roy führen.
Die Beschilderung sprach von rd. 10 km (einfach), für die vier Stunden veranschlagt wurden.
Aha.
Der Weg gestaltete sich zunächst angenehm moderat; wir streckten unsere müden Knochen und waren froh über die Bewegung nach der holperigen Busfahrt. Am Ufer eines Sees, mit Blick auf den Fitz Roy, fanden wir, uns endlich ein schönes Frühstück verdient zu haben. Ein paar Camper, soeben aus ihren Zelten gekrabbelt, taten es uns gleich.
Weiter gings, durch und über Flussläufe, in einer Art Steppenlandschaft. Ringsumher Bergkuppen, entweder schneebedeckt oder wolkenverhangen. Trotz des stets kühlen Windes erfreuten wir uns am strahlenden Sonnenschein.
Sie können sich vorstellen, dass wir etliche Fotostopps einlegten oder bisweilen einfach nur staunend innehielten.
Vor Anbruch des planmäßig letzten Kilometers dieser Strecke erwartete uns eine Tafel, die auf die nun folgende Schwierigkeit des Wegs hinwies. Eine „gute physische Verfassung“ und Ausrüstung sei vonnöten, ebenso war für den letzten Kilometer allein eine ganze Stunde veranschlagt. Noch bevor wir uns lange Gedanken machen konnten, was diese Warnungen wohl bedeuten mögen, ging es bereits bergauf.
Und zwar, ähm, senkrecht.
Stück für Stück, inmitten von Felsen und Steinen, wurde uns nun auch der Sinn nach der Frage unserer körperlichen Fitness klar. Sowie die Notwendigkeit wetterfester Ausrüstung, denn es hantierte und pfiff unterwegs, dass einem Hören und Sehen vergehen konnte. Das hinderte selbstverständlich einige ewig neunmalklugen Touris auch hier nicht, sich in kurzen Hosen und Flip-Flops auf den Weg zu begeben.
Nun, jedem das Seine.
Nach tatsächlich exakt 1 Stunde erstreckte sich vor uns das Hochplateau.
Geschafft!!!!
Ein geradezu stürmischer Empfang wurde uns bereitet!
Feiner Regen bohrte sich wie Nadelstiche in Hände und Gesicht; Windböen brachten einen bisweilen zum Straucheln.
Ein wunderbar blauer Bergsee direkt vor unseren Augen – doch wo waren die Berge dazu? Den Fitz Roy und alle seine Brüder hatten Wolken und Nebel ringsum regelrecht verschlungen.
Egal, ich gebe zu, in diesem Moment stolz wie Oskar gewesen zu sein.
Wissen Sie, die erfahrenen Bergwanderer unter Ihnen, die die Strecke vielleicht kennen, mögen mich jetzt wohl auslachen - ich fand sie bisweilen durchaus anspruchsvoll.
Unsere ach-so-wasserdichte Funktionskleidung bekam nun auch ausgiebig Gelegenheit, sich zu bewähren. Nun, gerade die Hosen, Sie ahnen es, waren vom peitschenden Regen vollkommen durchnässt. Das spürte man aber da oben kaum, nachdem man größtenteils damit beschäftigt war, sich selbst und die Kamera vor dem Davonfliegen zu schützen.
Das Gefühl da oben, ausgeliefert an die ungezügelten Naturgewalten, lässt sich vielleicht als eine kuriose Mischung aus Demut und Erhabenheit beschreiben.
Übrigens nahmen wir das Wetter auf dem Rückweg mit, Patagonien pur, es regnete und stürmte bisweilen waagerecht. Wir suchten so gut wie möglich etwas Zuflucht auf den Waldpfaden.
Mein Rucksack war ebenso durchnässt – besonders amüsant, als ich im unmittelbaren Anschluss die eigens mitgebrachte Regenhülle dafür entdeckte. Nun, sei es drum. Sie würde sich auch später noch bewähren müssen.
Im Endeffekt hatten wir 2 x 12 km sowie rd. 1000 Höhenmeter in 8 Stunden Wanderung bewältigt, waren müde aber glücklich, als wir uns abends im Hotel aus unseren patschnassen Sachen schälten. Die oberen Schichten hatte der Wind unterwegs sogar schon wieder getrocknet.
Niemand wird bestreiten wollen, dass wir uns ein ordentliches Steak verdient hatten. Wir gönnten uns jeder 300-g-Tenderloin für (wie schon zuvor in Bariloche) unglaublich günstige rd. 13 Euro pro Stück. Leute, das ist so ein Genuss – einfach unfassbar.
Aufbruch: | 28.01.2018 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 21.02.2018 |
Argentinien