Central- and Southamerica on a shoestring 07/08
Venezuela: "La Traversia" 14.1-18.1
Nachdem wir so ziemlich alle Touragenturen abgeklappert haben und uns von vielen Seiten Infos eingeholt haben, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass man die Travesia, eine 4 Tagesroute in den venezolanischen Anden auch alleine machen kann. Zwar wurde vereinzelt gewarnt, dass der Weg schlecht markiert und teilweise schwer zu finden sei, mit einer Karte und Kompass ausgerüstet denken wir aber, dass die Route zu schaffen ist.
Genau!
So stehen wir Montagmorgen bei Zeiten auf und erledigen erstmal die Nahrungsbeschaffung für fünf Tage ausserhalb der Zivilisation. Dabei kommt mehr zusammen als wir gedacht hätten, als wir dann die Rucksäcke fertig gepackt haben kommt jeder auf ein Gewicht von 25 Kilo! Und das wollen wir auf fast 5000 Meter hochschleppen.
Dann betanken wir unsere Benzinflasche für "nada": Die 0,6 Liter Sprit kosten umgerechnet 0,5 Cent! Man kann hier das Auto komplett volltanken für den gleichen Preis für den man in Deutschland einen Liter Benzin bekommt. Unfassbar, einfach ein hundertstel des Preises!
Bruecke im Wald!
Noch wusste der Wurstwecken mit Kaese und Zwiebeln nicht was ihm bevorstand...
Auf dem Weg zur Bushaltestelle werden wir dann auch gleich von einem supernetten Venezolaner mitgenommen, der seinen nächsten Urlaub im Schwarzwald verbringen will und uns die 20 Minuten bis nach Tabay bringt. Von dort geht es im Geländewagen bergan nach Mucuy Alta, wo uns der Fahrer in 2000 Meter Hühe bei der Rangerstation hinauslässt. Hier zahlen wier das Geld für die Parkerlaubnis; das ganze dient auch der Sicherheit, wenn wir nicht in fünf Tagen uns abmelden, wird angefangen nach uns zu suchen. Wir wussten auch nicht so recht ob das jetzt beruhigend ist. Der Ranger erklärt uns nochmal ausführlich den Weg und dann machen wir uns voller Elan auf die erste Tagesetappe. Es ist schon recht spät, in vier Stunden geht die Sonne unter und vor uns liegen tausend Höhenmeter durch den Nebelwald.
AEAEHHHH!
Schon nach wenigen Minuten kann uns die fantastische Natur nicht mehr über die harte Realität hinwegtäuschen: Bei gefühlten 200% Luftfeuchtigkeit triefen wir schon bald aus allen Poren, und die 25 Kilos auf dem Rücken lassen jeden Schritt doppelt so schwer erscheinen und die Oberschenkel brennen. So stapfen wir aufwärts bis der zunehmende Hunger uns zu einer Zwiebelwurschtbrotpause zwingt. Zum Glück herrscht ständig Schatten, doch die Luft ist schon merklich dünner als wir total erschöpft auf unserm ersten Campingplatz auf 3000 Meter ankommen. Es wird auch schon gleich dunkel und deswegen verschieben wir das ersehnte Bad in der eiskalten Laguna Coromoto auf den nächsten morgen und fröhnen stattdessen der Bequemlichkeit unserer Isomatten, der Geborgenheit unseres schönen Nallo 3GT Zeltes, und der Bekömmlichlkeit von Spaghetti mit Tomatensosse.
Zeltszene
Spiegel!
Trotz des nächtlichen Sauwetters schlafen wir hervorragend und machen uns nach Sonnenaufgang auf ein Bad zu nehmen. Das stellt sich leider als unmöglich heraus, denn obwohl das Wasser nur 20 cm tief ist sinkt man bis zum Bauchnabel im Schlamm ein.
Nach dem Frühstück geht es dann gestärkt auf die Piste, die Landschaft ändert sich stetig, die Bäume werden niedriger und allmählich von Büschen und palmenähnlichen gewächsen abgelöst die man noch bis auf 4500 Meter findet. Mal führt der Weg zwischen kleinen Bäumchen entlang, bald durch ein ausgetrocknetes Bachbett, dann wieder am schroffen Fels entlang auf wagemutigen Holzstegen. Das Tal indem wir seit zwei Tagen laufen verjüngt sich mit zunehmender Höhe und wird schliesslich zur Schlucht, einige kleinere Kletterpartien sind von Nöten, aber nichts kriminelles.
"Stramme Wadeln"
Oaeeh hehehe, tolle Karte!
Hinter jeder Kuppe bietet sich ein neues, noch schöneres Landschaftsbild und hinter der letzten Steigung finden wir wie erwartet die Laguna Verde vor, bei der wir auf 4000 Meter unser Zelt aufschlagen zu planen. Dazu müssen wir allerdings nochmal ein Stück den Felsen hinauf und wieder herunter wandern, um auf die andere Seite zu gelangen. Schon aus der Ferne können wir erkennen, dass wir die Nacht nicht alleine verbringen werden, 4 andere Zelte beherbergen eine geführte Gruppe, die an diesem Tag den nahen Pico Humboldt bestiegen hat. So treffen wir noch einige lustige Leute, die uns gute Tipps für unseren weiteren Weg geben, hernach versuchen wir noch mit unserer gerade erworbenen Angelausrüstung (Faden und Haken) sowie einem Stück Wurst ein paar saftige Forellen fürs Abendessen zu fangen. Der mässige Erfolg lässt uns dann aber ein Risotto zu uns nehmen bei dessen Zubereitung wir pflatschnass werden. Die Unverdaulichkeit des halbgaren Reises sollte sich am nächsten Tag in vollem Ausmass darbieten...
Gleichgewichtsuebung vor dem Weiterlaufen
Laguna Verde oder Giros tiefer Schritt
Auf Augenhoehe mit dem "Abfluss"
Gefüllt mit Cornflakes und Kaffee schreiten wir dann am nächsten Tag hochmotiviert zur Morgentoilette - unsere Schreie beim Eintritt ins Lagunenwasser hat man wahrscheinlich noch 3000 Meter tiefer im Tal gehört, länger als 10 Sekunden halten wir es nicht aus.
Wir wollen unser Zelt stehen lassen und nehmen mit einem Tagesrucksack den Gletscher des Humboldt in Angriff; schon erstaunlich wie man ohne die schwere Bepackung den Berg hochfliegen kann - und dass trotz der 4600 Meter Höhe die wir an diesem Tag erreichen. An einem Wasserfall vorbei windet sich der Weg zuerst noch in einer Art Steppenlandschaft nach oben, wird dann aber zusehends alpiner, besser gesagt andiner. Wir überqueren Geröllfelder und müssen die letzten Meter bis zum Fusse des Gletschers Bzunehmend klettern anstatt zu wandern.
"So kalt wars"...
Dort angekommen entschliessen wir uns eine gediegene Vesperpause einzulegen und hinterher umzudrehen, nicht wie geplant noch einen kleinen Nebengipfel zu besteigen, der "Weg" erscheint uns einfach zu schwierig. So holen wir uns in der prallen, durch die Gletscherreflektion noch verstärkten Sonne einen halben Sonnenstich. Der Rückweg ist mehr eine Talfahrt, auf den Geröll-Sandfeldern kann man geschwind zu Tal gleiten und so erhaschen wir bei unserm Zelt noch die letzten direkten Sonnenstrahlen ehe die "ALTE" das Tal in schattiger Kälte zurücklässt.
Verzweifelt versuchten wir der fiesen Gletscherstrahlung zu entfliehen
Bild.
Zum Glück weigert sich an diesem Tag der sonst so hartnäckige Abendnebel ins Tal einzudrigen und wir erleben eine sternenklare Nacht bei Mondlicht und Kartoffelbrei mit Tomatensosse. Klar heisst leider auch kalt und so mummen wir uns bald in unsere Schlafsäcke während sich auf unserm Zelt ein Eisfilm bildet. Bei geschätzten minus 5 Grad stösst unsere Ausrüstung allerdings noch nicht an ihre Grenzen, was uns recht zuversichtlich für die richtig hohen Berge stimmt.
"Globetrotter Werbebild die Sechste"
Unsanft reisst uns der Wecker um 5 Uhr aus unseren Träumen, denn vor uns liegt das längste und vielleicht schwierigsre Teilstück des Treks: Die Travesia. Mit einem Vierkorn-Babybrei dopen wir uns für die harte Strecke, der Sonnenaufgang über der Lagune gestaltet sich aber trotz Kaffee als Zitterpartie. Handschuhe wären nicht schlecht, aber mit originellen Pfadfinderaufwärmübungen und einer Runde BiBaButzelmann ums Zelt bringen wir unser Blut aber in Wallung. Wir packen mit klammen Fingern unsere Siebensachen und los geht´s.
Aeeh, gehts hier zur Suppenkueche...?"
Am "Ventana" mit Blick auf die Laguna Verde
Zunächst eine Stunde im Tal, vorbei an einem gefrorenen Wasserfall, hinauf zu einer weiteren Lagune, wo uns die Sonne begrüsst, dann über ein Geröllfeld steil ansteigend zum "Ventana", was mit viel Kraxelarbeit verbunden ist. Dort jedoch, auf 4600 Meter Höhe erwartet uns ein sagenhafter Ausblick sowohl auf die hinter uns liegende Strecke als auch auf unser Tagesziel: an der Flanke des über tausend Meter tiefen Tales Richtung Pico Bolivar, dem mit 4980 Metern höchsten Berg des Landes. In fast allen offiziellen Karten und vielen Büchern wird aber nach wie vor die veraltete Höhenangabe von 5007 Metern verwendet, da schummeln die Venezolaner wohl ein bisschen!
Der Pico Bolivar mit gut und gerne keinen 5007m û. dem Meer.
Ûber Stock, Stein und Kuhscheisse machen wir unseren Weg, der angeblich nicht leicht zu finden ist und wo sich viele Leute verlaufen. Wir können das jedoch nicht ganz nachvollziehen, da das Ziel immer vor Augen ist, und auch das Gelände sich als unproblematisch erweist. Mit Suppe gestärkt nehmen wir den letzten Anstieg in Angriff, der schliesslich beim letzten Campingplatz in 4600 Metern Höhe endet. Hier haben vorhergehende Bergsteigergenerationen eine recht grosszügige Speisekammer angelegt, oder anders gesagt: einen kleinen Komposthaufen hinterlassen. Da wir aber selbst mehr als genug zu Futtern haben, lässt uns das im wahrsten Sinne des Worts kalt. Die Natur hat sich hier für uns nochmal ein ganz besonderes Schauspiel ausgedacht: Wir befinden uns circa 500 Meter über der Wolkendecke die mehrere hundert Kilometer bis ins Amazonastiefland reicht. Die Abendsonne tüncht die sonst weissen Wattezipfel in sattes rot, ebneso wie die über uns liegenden Gipfel. Seltsamerweise ist es hier auch nicht so kalt wie die Tage zuvor, und so geniessen wir eine romantische Nacht zu zweit - nur blöd dass der Typ mit den langen Haaren neben mir keine Frau ist.
Camping auf 4700m ueber den Wolken
Wir waren selbst von der Leistungsfaehigkeit unserer Stirnlampen ueberrascht...
Zum Aufwachen erwartet uns das gleiche Schauspiel noch einmal, langsam steigt die Sonne hinter der Bergkette hervor und zu unseren Füssen liegt ein unendlicher Wolkenteppich. Die letzten Höhenmeter bis zum Pico Espejo laufen wie geschmiert, allerdings erklimmen wir aus Versehen zuerst einen kleinen Nebengipfel, wir können zwar in nur 20 Metern Entfernung die Marienstatue auf dem Gipfel sehen, der schroffe, zu beiden Seiten senkrecht abfallende Grat zwingt uns aber nochmal 100 Meter ab- und wieder aufzusteigen. Dann stehen wir auf dem 4765 Meter hohen Gipfel, und haben ihn noch für eine halbe Stund für uns allein.
So!
Goettliche Eingebung auf dem Gipfel des Pico Espejo...?
Dann läuft nämlich die Seilbahn an, ihreszeichens die höchste der Welt und bringt die Touristenmassen auf den Gipfel, die sich dort mit geliehenen Mützen und Jacken 20 Minuten einen abfrieren und dann wieder hinunterfahren. Uns kommt die Seilbahn auch ganz gelegen, erspart sie uns doch über 3000 Meter knietötenden Abstieg. Dank der Gutmütigkeit oder auch der Verplantheit des Personals bekommen wir sogar eine Gratistalfahrt und nach einer einstündigen Seilbahnfahrt mit grossartiger Aussicht atmen wir wieder die dicke Luft der Zivilisation ein. Eine traumhafte Wanderung, die höchste, anstrengendste und wahrscheinlich auch die schönste die wir je gemacht haben (und absolut locker ohne Guide zu machen...).
Geschafft!
Aufbruch: | 05.10.2007 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 03.06.2008 |
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