Central- and Southamerica on a shoestring 07/08
Mexiko: San Cristobal de las Casas 19./20. 10.
Des Morgens gegen 10 Uhr erreichten wir schliesslich San Cristóbal de las Casas, nach einhelliger Meinung eine der schönsten Kolonialstädte Zentralamerikas.
Die Ankunft in einer neuen Stadt geht normalerweise immer einher mit der anstrengenden Suche nach einer günstigen und aller Hoffnung nach auch sauberen Unterkunft. In San Cristóbal ist dies absolut nicht der Fall. Massen von Werbern reissen sich förmlich um unseren
Schlaf und überhäufen uns mit Angeboten der Superlative. Wir entscheiden uns für ein recht schmuckes Hostal in, wie kann es anders sein, kolonialem Baustiel, in dem wir schlappe 2,5€ pro Übernachtung und Person berappen müssen - Internetzugang natürlich inklusive. Hier verfassen wir zuerst einmal die letzten Berichte (hui, das ist schon mehr als 2 Wochen her...).
Im Anschluss starten wir unseren ausgiebigen Routineinspektionsspaziergang durch die Stadt - die Eindrücke sind vielfältig. Im Zentrum findet man sich in einer erstaunlich sauberen und gepflegten Innenstadt wieder, kleine ein- bis zweistöckige und farbenfroh gestrichene Häuschen reihen sich direkt aneinander und bilden kleine Strassen und verwunschene Gässchen.
Doch mit jedem Schritt weg vom Zentrum verliert dieses Bild etwas an Glanz, bis man schliesslich die andere Seite der Medaille zu sehen bekommt. An den Wänden der immer baufälligeren Häusern beginnt die Farbe abzublättern, die Häuser werden immer ärmlicher und man erkennt durch offenstehende Türen eine mit unseren Vorstellungen nicht zu vereinbarende Lebenssituation der Menschen.
Gegen Abend suchen wir einen Supermarkt auf, um uns mit Lebensmittel für die nächsten Tage einzudecken. Wieder einmal stellten wir fest, wie niedrig in Deutschland die Lebensmittelpreise sind und wie teuer im Verhältniss dazu Lebensmittel in Zentralamerika sind. Nach einem fantastischen Essen, welches unbestreitbar an unser erstes mexikanisches Essen bei Basti&Moni angelehnt war (eine feurige Tomatensalsagemüsetortillasosse angerichtet über einer 800g Portion Reis, garniert mit riessigen Zwiebeln und fein zerrissenen Quesillo - unglaublich fein), (be)schlossen wir den Abend sowie unsere Mägen mit einer Flasche Mezkal mit Oliver, einem deutschen Lehrer. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Welt ohne Zuhilfenahme eines Flugzeuges zu umrunden, bisher konnte er dank der tanssibirischen Eisenbahn und eines Containerschiffs seinen Traum verwirklichen. Interessanterweise hat er in Lateinamerika nahezu dieselbe Route wie wir - ein Wiedersehn ist also nicht ausgeschlossen.
In San Cristóbal ist es möglich einen ganzen Tag durch die bunten Gassen und Strassen zu schlendern, vor einer der vielen Kirchen auf einer Bank die Seele baumeln zu lassen, sich auf der Suche nach einem Museum zu verlaufen und die nicht zu übersehenden Trachten der, um es korrekt auszudrücken, indigenen Einwohner Chiapas´ zu bewundern. Vom Leben gezeichnete Frauen tragen ihre Kleinsten in farbenfrohen Tüchern auf dem Rücken. Besonders auffällig ist für uns, dass man nahezu ausschliesslich Frauen in der traditionellen Kleidung antrifft.
Durch Zufall sehen wir gegen Nachmittag den Anschlag eines Kulturzentrum an einer Litfasssäule. Dort wird am Abend ein Film über die Bewegung der Zapatisten (in spanisch mit englischen Untertitel) in Chiapas gezeigt - für uns ein Muss. Im Kulturzentrum bezahlen wir unsere Eintrittkarte sowie drei Bier bei einer in Mexiko hängengebliebenen Französin und lassen den sehr speziellen "Kinosaal" mit hochbettähnlichen Sitzgelegenheiten auf uns wirken.
Die Zapatistas sind eine Guerillabewegung, die sich für die Rechte und Zukunft der indigenen Bevölkerung in Chiapas, einem der ärmsten Bundesstaaten von Mexiko, einsetzt und gegen eine neoliberale Politik kämpft. Erstmals öffentlich in Erscheinung traten sie mit dem Inkrafttreten des nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta). Sie besetzten 5 Städte in Chiapas. Allerdings ist es wichtig hervorzuheben, dass die Zapastisten keine Guerillas im herkömmlichen Sinne sind - sie streben keine gewaltvolle Machtübernahme in Staate an, sondern legen besondern Wert auf ihren basisdemokratischen Anspruch und Gewaltfreiheit. So hat die EZLN (Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung) lediglich eine Geschichte von 12 Tagen bewaffnetem Kampf nachdem dem ein Friedensabkommen mit der mexikanischen Regierung ausgehandelt wurde. Darin wurden der indigenen Bevölkerung weitreichende Autonomierechte zugestanden, die bis heute nicht rechtlich umgesetzt wurden. Deshalb erklärten die Zapatisten Teile von Chiapas zu autonomen Zonen, die sie selbst mit gewählten "Juntas der Guten Regierung" verwalten. Bemerkenswert ist zudem der sehr hohe Frauenanteil von nahezu 50% in dieser Organisation. Besondere Bekanntheit erlangte der Sprecher der Zapatisten, der Subcomandante Marcos, vermutlich ein ehemaliger Dozent an der Universität in Mexiko City.
Der Film schildert diesen Konflikt zwischen Regierung, die mit Militär und paramiltärischer Gewalt reagierte, und den zumindest später gewaltlosen Zapatisten sehr eindrücklich, wenn auch etwas einseitig. Eindrücklich zeigt er die Situation der Menschen während des Konfliktes mit dem Militär auf. Noch heute sind in Chiapas die Hälfte der Soldaten Mexikos stationiert, an den Strassen aus und im Bundesstaat befinden sich Militärkontollposten. Auch unser Bus wurde während der Nachtfahrt nach San Critóbal von Soldaten kontrolliert. Für uns war es eine sehr seltsame und etwas erschreckende Erfahrung von einem bewaffneten Soldaten mitten in der Nacht geweckt zu werden und nach dem Gepäck befragt zu werden.
Die radikale Botschaft des Filmes fällt bei uns auf fruchtbaren Boden und bei einem (oder eher mehr) Bier diskutieren wir erhitzt den Film durch. Einig sind wir uns, dass auch wir Konsequenzen aus den Tatsachen des Films ziehen müssen. Die bestehen für uns in erster Linie darin, dass Geld, welches wir ausgeben, auch so auszugeben, dass es die Bevölkerung erreicht und nicht in den Kassen irgendwelcher Supermarktketten oder gar internationaler Konzerne verschwindet. Auf viele internationale (Lebensmittel)Konzerne lastet eine traurige Geschichte der Ausbeutung, der Unterstützung antidemokratischer Strukturen und der Monopolisierung in den Ländern Lateinamerikas.
Uns fällt dies beispielsweise auf, wenn wir versuchen lebensnotweniges Wasser von einheimischen Marken zu kaufen. Oftmals findet man selbst in den kleinsten Orten und Geschäften nur Wasser der Marken Nestle oder Danone - und CocaCola und Pepsi ist absolut allgegenwärtig und überall zu kaufen. Eine bewusste Auswahl kann man nicht treffen.
Eine gute Gelegenheit darüber nachzudenken, ob unser Reichtum nicht ziemlich direkt mit der Armut hier zusammenhängt.
Wir trinken in Europa zu billigsten Preisen hochwertigen guatemaltekischen Kaffee, währen im Land selbst höchstens ein dünner Nescafe zu erhalten ist.
Völlig aufgewühlt und erhitzt machten wir uns auf dem Weg zum Hostal - wir mussten uns auf andere Gedanken bringen...
Das Nachtleben scheint uns dazu genau das Richtige zu sein.
Voller Vorfreude maschieren Simon und Giro in das Cafe Revolution, das zwar namentlich keine Ablenkung verspricht, jedoch eine tolle Bar ist. Hier kann man sich herrliche 2l-Bierkrüge bestellen und den Barkeeper mit der Tatsache, dass man zu jedem Krug nur ein Glas möchte, völlig aus der Fassung bringen...! Nach der zweiten Runde hatte er sich an die Tatsache gewöhnt, war jedoch noch immer etwas irritiert.
Hier treffen wir Basti wieder, ein Badner den wir aus Mazunte kennen, und der, Steff halt dich fest, gerade mit seinem Politik- und Verwaltungswissenschaften - Studium in Konstanz fertig ist.
Mit "Satan", einem Schweden, der seit jahren in Mexiko lebt zogen wir weiter zur nächsten Bar, deren Namen uns leider nicht mehr einfällt. Im zweiten Stock eines Hauses bildeten zwei Zimmer die Bar-Disco. Die hohen Räume erzählten wieder von der kolonialen Vergangenheit, während die Anzahl der leeren Tequillaflaschen hinter der Theke von einem schrecklichen nächsten Tag erzählten... Später des Abends spielte eine Skaband auf, für uns natürlich ein Traum. Mit den genialen Rhythmen der Combo, die aus einer normalen Rockbesetzung plus Bläsern bestand, verlohren wir jegliche Zurückhaltung und tanzten wie die Wilden. Spät am nächsten Morgen erreichten wir unser Hostal, wo uns der Potier schlaftrunken die Tür öffnete.
Die Stadtinspektioneure
Aufbruch: | 05.10.2007 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 03.06.2008 |
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