Weihnachten in Guatemala
Erster Tag
Im Haus war es noch still, als ich um 8 Uhr erwachte. Ich konnte nicht mehr schlafen und wollte endlich wissen, ob der Inhalt meiner beiden Koffer den amerikanischen Zoll wohl unbeschadet überstanden hatte. 2 mal 24 kg Gepäck hatten knapp gereicht, alle Geschenke aufzunehmen, die ich für meine Bekannten eingepackt und vor allem für Rebeca von Freundinnen bekommen hatte. 2 kg Raclettekäse für Rene, der mit seiner guatemaltekischen Familie seit ein paar Jahren hier wohnte. Raclette hatte er sich zu Weihnachten gewünscht. 5 Pakete Fondue für meine Gastfamilie, unzählige Pralineschachteln für verschiedene Lehrerinnen und ein paar Pakete, von denen ich nicht wusste, was sie enthielten. Eines war ausgepackt. Es enthielt kleine Blumentöpfe mit Blumenzwiebeln. Ein Wunder, dass diese die Kontrolle überlebt hatten. Ein Blick in mein Kosmetiktäschchen. Weil die Zollfahnder letztes Mal mein ganzes Parfüm darin versprüht, und dann sogar den Deckel wieder aufgesetzt hatten, hatte ich dieses Mal wohlweislich nur ein ganz kleines Fläschchen mitgenommen. Diesmal muss meine Puderdose explodiert sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, was damit passiert war, aber der ganze Inhalt klebte an den übrigen Utensilien. Lippenstifte, Wimperntusche, Lidschatten, Nagellack, alles war von der klebrigen Masse überzogen. Selber schuld, wozu brauche ich all das Zeug im Urlaub. Schnell zog ich den Reissverschluss wieder zu, das Problem musste nicht sofort gelöst werden. Abgesehen davon schien alles perfekt zu sein und ich verstaute meine sieben Sachen im Schrank.
Rigoberto hatte mir ein Zimmer mit Internetanschluss versprochen. Darauf war ich gespannt. Und wirklich, beim Pult entdeckte ich ein Kabel und als ich dieses bei meinem Laptop einsteckte, hatte ich wahrhaftig Zugang zum Netz. Da fühlt man sich ja sofort nicht mehr so allein.
Vor dem Zimmer im kleinen Hof krächzte ein Papagei und ausser ihm schien auch sonst noch jemand auf zu sein. Vorsichtig streckte ich meinen Kopf aus dem Zimmer. Das Mädchen stellte sich mit Maria vor. Wir wären im Moment allein. Rigoberto war seit gestern an einer Versammlung, Reyna sollte morgen nach Hause kommen und die Tochter, Cindy, die mich letzte Nacht willkommen geheissen hatte, schlief noch. Maria stellte mir ein wunderbares Frühstück auf: frische Ananas, Cornflakes, Rührei mit Äpfeln, Brot und Butter. Dazu Kaffee oder Tee. Manzanilla, der allgegenwärtige Kamillentee.
Nach dem Frühstück suchte ich auf der Strasse ein Tuctuc und fuhr nach Antigua. Rigoberto und Reyna wohnten in Jogotenango, einem kleinen Dorf ganz in der Nähe der alten Hauptstadt Antigua. Ich war zum Mittagessen mit Rebeca verabredet. Ihretwegen hatte ich vor vier Wochen spontan entschieden, Weihnachten in Guatemala zu verbringen. Ich traf sie in der Sprachschule Probigua. Sie hatte gerade eine Lektion per Speakshop hinter sich. Arbeiten sagte sie, hilft im Moment viel. "Und dass so viele Freunde in dieser schwierigen Zeit mit uns verbunden sind, tut uns gut". Zusammen gingen wir in mein Lieblingscafe Condessa, gleich beim Parque Central. Viel gab es zu erzählen. Vom Überfall, bei dem zwei Männer in ihr Haus eingedrungen, ihre Mutter und Schwestern, sowie den einjährigen Jordan mit Pistole und Machete bedroht, gefesselt und ausgeraubt hatten. Und vom Tod ihrer Schwester, die eine Woche darauf an einem Herzleiden gestorben war. Unerwartet und vielleicht als Folge des brutalen Eindringens in ihr Heim. Das ganze war erst 6 Wochen her und die ersten Weihnachten ohne die Schwester stand vor der Tür. Sie lud mich ein, den Weihnachtsabend mit ihrer Familie zu verbringen und ich übergab ihr die vielen Briefe, die ich für sie von ihren Schweizer Freunden mitgebracht hatte.
Am Nachmittag bummelte ich durch die Stadt, die mir von verschiedenen Besuchen schon sehr vertraut war. Ich wollte für die nächsten Tage eine Reise an den Atitlan-See buchen und suchte die Agentur von Tomas auf. "Nein, Tomas ist nicht mehr da" erklärte das junge Mädchen hinter dem Tresen."'Er ist vor drei Monaten gestorben". Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Tomas, mit dem ich so viele Fahrten durch das Land unternommen hatte, der von einem Besuch in Europa geträumt hatte, aus einer armen Familie mit vielen Kindern aus Chichi stammte, Tomas war auf der Strecke Guatemala City - Antigua mit dem Auto verunglückt und nach 2 Wochen im Spital gestorben. Ich konnte jetzt keine Reise buchen, sagte, ich müsste erst nachdenken und verliess nachdenklich die Agentur.
Ich brauchte unbedingt ein Frottiertuch. Hatte beim Packen wieder einmal vergessen, dass so was nicht zum Service gehörte, wenn ich bei der Familie wohnte. Klar, ich hätte Maria fragen können, aber so hatte ich einen guten Grund, auf den Markt zu gehen.
Der Markt in Antigua. Eine ganze Welt für sich. Es gibt nichts, was man hier nicht kaufen kann. An den Rändern sind es eher die farbigen Tücher und Handarbeiten, die angeboten werden, aber je tiefer ich eintauchte, umso breiter wurde das Angebot. Da gab es T-Shirts neben Pfannen, Elektroartikel neben eleganten Schuhen. Berge von Geschirr, CDs die auch gleich in aller Lautstärke abgespielt wurden, Piñatas, die auf keinem Kindergeburtstag fehlen dürfen, frisches Fleisch, lebende Hühner, Süssigkeiten, Werkzeug, Waschmaschinen, Kosmetik, Textilien. Wenn man den ganzen Überfluss sieht, könnte man meinen, Guatemala sei gar kein so armes Land. Maria hatte mir am Morgen erzählt, was sie verdient: 850 Quetzales pro Monat das sind gut 100 Franken und 200 Q braucht sie für die tägliche Busfahrt zur Arbeit.
Ich fand ein typisch farbiges Badetuch mit Papageien und Urwaldmotiv. Es kostete 40 Q. Beim Verlassen des Marktes kam ich beim Gemüse vorbei. Dieses sah jetzt, am späten Samstagnachmittag nicht mehr überall ganz frisch aus. Dafür entdeckte ich daneben einen Kübel voller Callas. Hier werden sie Cartuchas genannt und sind meine absoluten Lieblingsblumen. 5 Q wollte der alte Mann für den Bund und so erstand ich zwei davon. Und dazu noch einen Bund Papageienblumen, Strelizien für 10 Q. Es macht richtig Spass hier Blumen zu kaufen. Schwer beladen fuhr ich mit dem TucTuc nach Hause und hoffte, dass ich im Haus Vasen finden würde.
Gross war meine Überraschung, als ich beim Eintreten den Hausherrn im Hof knien sah. Er war dabei, frische Blumen in verschiedene Vasen zu arrangieren. Er hiess mich in seinem Haus willkommen, entschuldigte sich, dass er mich nicht selber abholen konnte und freute sich über die Blumen. Bereits hatte er im Wohnzimmer einen wunderschönen Strauss mit leuchtend roten Orchideen zusammen mit grünen Pinienzweigen hingestellt. Später brachte er mir zwei Arrangements mit Callas und gelben Nelken für mein Zimmer sowie mein Badezimmer. Wahrhaftig, Rigoberto ist für manche Überraschung gut.
Am Abend gingen wir zusammen mit Cindy und einer Cousine zum Nachtessen in die Stadt. Auf dem Heimweg umkurvte Rigoberto einmal ganz langsam den Parque Central. Alle Stämme der Bäume und Palmen waren über und über mit kleinen Lämpchen geschmückt und die ganze Szene erinnerte an einen Märchenwald. Mit diesen Bildern und gefüllt mit unzähligen neuen Eindrücken schief ich bald darauf ein.
Aufbruch: | 21.12.2007 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 08.01.2008 |