Weihnachten in Guatemala
Sunset Cafe
Ich sitze im Sunset Cafe in Panajachel und hoffe, einen dieser wunderschönen Sonnenuntergänge über dem Lago Atitlan zu erleben. 'Mein Tisch' mit der besten Aussicht war noch frei. Vor mir steht eine Pina Colada und ich geniesse den frühen Abend.
Es ist fünf und in einer Stunde wird es dunkel sein. Gerade habe ich mich von David verabschiedet. Wie hat er sich in den 2 Jahren, in denen ich ihn kenne, verändert. Schüchtern und unsicher war er, als er mir auf der Strasse seine selbst gemachten Kugelschreiber verkaufen wollte. Unsicher, was er dieser fremden Frau erzählen durfte von seinen Problemen. Ob er ihr sagen durfte, dass sein Vater trank und daher das Geld fehlte, ihn weiter in die Schule zu schicken. Ich hatte ihm 200 Q gegeben, mit der Auflage, diese für die Schule zu benutzen. Und das Versprechen, wenn er mir seine Zeugnisse schicken würde, gäbe es mehr.
Ich war nicht sicher, ob das wohl funktionieren würde, aber das gute Gefühl überwog und zu meiner Überraschung hatte er zwei Monate später eine eigene Email-Adresse, so dass es möglich war, in Kontakt zu bleiben. Als 'Geldbriefträger' fand sich immer jemand, der nach Guate reiste und dem man etwas mitgeben und in einem Hotel in Panajachel für David hinterlegen konnte. Im Frühling, als ich mit einer Gruppe hier war, lud er mich zu sich nach Hause ein.
Damals kam aus, dass er gar nicht bei seiner Mutter, sondern bei seinen Grosseltern wohnte, die er aber Mama und Papa nannte, und seine Onkel, waren dementsprechend seine Geschwister. Ich war damals nicht nur bei seinen Grosseltern eingeladen, sondern auch bei seiner richtigen Mama, die mit einem neuen Mann und ihrem kleinen Jungen in einem winzigen Zimmer wohnte. Von allen wurde ich herzlich begrüsst und mit Handarbeiten reich beschenkt. Sogar der Stiefvater schenkte mir ein selbst gesticktes Tischtuch.
Heute traf ich David wieder. Er wartete vor dem Hotel, zusammen mit seinem jüngeren Bruder. Er hat unterdessen die Schule abgeschlossen, ist 18 und steht vor der Berufswahl. Er wird im Januar mit einer kaufmännischen Ausbildung beginnen. Da es hier keine Lehre gibt, heisst das, drei Jahre Schule mit Schulgeld. Die finanziellen Dinge hatten wir bereits mit Reyna besprochen. Sie hat Erfahrungen mit Stipendien und darum habe ich sie als Vermittlerin eingeschalten. Es ist für mich schwierig, zu verstehen, wie viel die Schule kostet und wie ich das Geld übermitteln könnte, denn jetzt ist es etwas mehr, als in der Volksschule. Reyna meinte, dass 1500 Franken für ein Jahr reichen sollten, wenn er auch etwas zu seinem Unterhalt dazu verdienen würde. Das will er machen, denn er verkauft nach wie vor seine Kugelschreiber an Touristen. Und er versprach mir, nächstes Jahr noch mehr zu lernen. Vor allem Englisch, Spanisch und Mathematik.
Heute hatte er seinen Bruder mitgenommen und das hatte seinen Grund, wie sich beim Mittagessen herausstellte, zu dem ich die beiden eingeladen hatte. Wir genossen einen wunderbaren gegrillten Fisch und als ich sah, dass die beiden nur mit der Gabel assen und ziemlich Mühe hatten, das Gemüse zu zerkleinern, forderte ich ihn auf: "nimm doch das Messer dazu". "Das sind wir uns halt nicht gewohnt", meinte David, kämpfte aber tapfer mit dem ungewohnten Werkzeug und lachte: "das geht ja viel besser so".
Ja und dann brachte er sein Anliegen hervor. "Mein Bruder ist jetzt in der gleichen Situation wie ich damals. Er wechselt in die Secundaria und es fehlt das Geld, damit er weiter in die Schule gehen kann. Kannst du ihm nicht auch helfen, so wie du es bei mir gemacht hast." "Ich kann doch nicht allen helfen, ich bin doch nicht so reich", versuchte ich ihm zu erklären. Ja, das verstand er und sein Bruder wurde noch schüchterner, als er es schon war. Wagte mich kaum mehr anzusehen.
Ich wollte aber trotzdem wissen, was die Schule denn kosten würde für ein Jahr. Wir berechneten die Kosten für das Schulgeld sowie das Extrafach Computation, das ich selbstverständlich wichtig fand. Auf 1000 Quetzales jährlich belief sich die Summe. Ich überlegte hin und her. Sollte ich das eingehen. Ich wollte nicht ausgenutzt werden. Aber vielleicht ist es nicht fair, wenn nur einer die Hilfe bekommt, die eigentlich jedes Kind dringend brauchen würde. Ausserdem sind 150 Franken auch nicht wirklich viel, um einem Jungen ein Schuljahr zu ermöglichen.
"Ja", sagte ich nach einer Weile, "ich werde das Geld für dich besorgen. Ein paar Leute haben mir vor meiner Abreise etwas Geld mitgegeben, damit ich damit jemandem helfen kann". Mir schien das Geld hier richtig investiert zu sein und ich werde auch für die nächsten zwei Jahre jemanden dafür finden. Also versprach ich ihm, dass er das Schulgeld für die Secundaria erhalten würde und gab ihm gleich mal die Hälfte für das nächste Schuljahr, damit er sich in den nächsten Tagen einschreiben konnte. Selbstverständlich bestand ich darauf, dass er fleissig lernen würde und mir seine Noten schicke.
Jetzt waren die beiden Jungen richtig glücklich und genossen das ungewohnte Essen noch mehr. Ich bat den Bruder, mir seinen Namen und seinen Geburtstag in mein Notizbuch zu schreiben. Francisco Elias, 26.11.1992 schrieb er in gut leserlichen Buchstaben. Ich war zufrieden, ich wollte sehen, wie er schreibt, denn sein Spanisch schien nicht sehr gut zu sein. Untereinander sprachen sie Tsutujiil und Spanisch ist für beide eine Fremdsprache.
Ich hatte aber noch mehr gute Nachrichten. Verschiedene Bekannte hatten Kugelschreiber mit ihrem Namen bestellt und so gab ich die Bestellungen auf. Sie würden ziemlich viel zu tun haben, in den nächsten Tagen.
Trotzdem hatten sie aber heute viel Zeit und wir bummelten entlang dem Strand, überquerten den Fluss, der hier in kleinen Rinnsalen in den See floss. Die beiden waren sehr besorgt, dass ich keine nassen Füsse bekam und immer auf die richtigen Steine trat, wenn das Rinnsal etwas breiter war. Damals, beim Hurrikan Stan war der Fluss über die Ufer getreten und hatte sehr viel Steine und Sand mitgebracht. Noch jetzt waren die Spuren zu sehen.
Am späteren Nachmittag spendierte ich eine Runde Eis und dann bestiegen die beiden das Boot, das sie über den See nach Santiago Atitlan brachte, wo ich sie morgen besuchen werde.
Die Sonne ist unterdessen hinter dicken Wolken verschwunden und sendet gerade eben noch die letzten Strahlen über den Himmel. Zeit, zurück ins Hotel zu gehen und mir etwas Wärmeres anzuziehen, denn nach Sonnenuntergang wird es empfindlich kalt.
Aufbruch: | 21.12.2007 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 08.01.2008 |