Weihnachten in Guatemala
Begegnungen
Silvia
Ich habe sie am heiligen Abend im Haus von Rebecas Tante getroffen. "Silvia, wie die Königen von Schweden habe ich gesagt". Und damit konnte ich mir ihren Namen merken. Sie hat zwar keine Ahnung, wo Schweden oder gar die Schweiz ist, aber sie freut sich, dass ich sie auf dem Markt besuche.
Sie hat mir erklärt, wo sie ist und nachdem ich an einem anderen Stand nach ihr gefragt habe, finde ich sie hinter einem Berg von Schmuck. Nebst Schmuck und ein paar Textilien hat sie auch diese ganz speziellen Bilder, die Marktszenen aus der Vogelperspektive zeigen. Sie sind von einem Künstler in Solola und ich möchte eines kaufen. Der Preis, den sie verlangt, ist bereits ein Freundschaftspreis, das weiss ich, weil ich mich vorher an einem anderen Stand erkundigt habe.
Wir plaudern ein wenig über dies und das und sie stellt mir ihre kleine Tochter Alexandra vor. Ja, ihr gehört der ganze Stand und vieles von dem Schmuck stellt sie selber her. Sie will wissen, wie mir Weihnachten gefallen hat, und was für eine Religion ich hätte. Ich bin katholisch, sie ist evangelisch, und sie will wissen, ob es in der Schweiz auch eine Evangelische Kirche gibt. Ja die gibt es. Auch wenn ich nicht sicher bin, ob man bei uns das gleiche darunter versteht. Aber eigentlich ist das ja gar nicht so wichtig. Mit einer Umarmung verabschieden wir uns. "Que se vaya bien." Dass es dir gut gehe.
Anacleta
Ich schlendere weiter über den Markt mit den Artesanias. Diesen Markt habe ich noch nie gesehen, der scheint neu zu sein und eigentlich bin ich nur hier, weil ich Silvia besuchen wollte. Viele kleine Läden reihen sich aneinander und überall werde ich angesprochen: "god precio, que busca, Senora?" Was suchst du? Ich suche eine Tasche, denn morgen fahre ich nach Panajachel und ich will nicht den ganzen Koffer mitschleppen.
Mit einer Frau komme ich ins Gespräch und wir sehen uns etwas genauer an. "Dich kenne ich, wie heisst du denn?" "Soy Anacleta" Ja, auch sie erinnert sich, vor zwei Jahren habe ich sie fotografiert, aber nicht hier, sondern in dem Dorf in dem sie wohnt. Sie weiss noch, dass ich ziemlich viel von ihr gekauft habe. Ich weiss nicht, ob drei Tischtücher schon 'ziemlich viel' ist, aber ich freue mich, dass sie sich an mich erinnert. Sie weiss auch noch, dass ich mit meiner Mama hier war. Wir plaudern ein wenig und sie zeigt mit die Taschen, die sie verkauft.
Weil mir keine gefällt, lassen wir das geschäftliche und reden ein wenig über uns. Ihren früheren Laden in ihrem Dorf führt jetzt ihre Tochter. Sie will wissen, wie lange ich hier bleibe und wann ich wieder komme. Und dann sehe ich doch noch etwas. Sie hat auch diese wunderschönen Schals, die ich jedes Mal kaufe, und von denen ich jeweils kurz nach der Rückkehr keinen mehr habe, weil ich alle verschenke. Als ich ihr sage, wie viele ich kaufen will, macht sie mir einen sehr guten Preis. Wir verabschieden uns herzlich. "Besuch mich wieder und alles Gute im neuen Jahr", wünscht sie mir.
Rony
"Möchtest du meine Halsketten ansehen?" der kleine Junge streckt mir hoffnungsvoll eine farbige Halskette mit kleinen Püppchen entgegen. "No gracias, möchte ich nicht, so eine habe ich schon vor zwei Jahren gekauft". "Aber diese hast du noch nicht, die ist ganz neu, die hat Tortugas". Der Kleine gibt nicht auf. "Stimmt, die habe ich noch nicht, aber ich brauche auch keine mit Schildkröten." "Kennst du die Stadt, soll ich dir die Kirche von Hermano Pedro zeigen?" "Die kenne ich schon, ich suche eigentlich nur ein TucTuc." "Da bist du hier falsch, die TucTuc sind beim Markt, soll ich dir den Weg zeigen?"
Den kenne ich zwar, aber der Kleine will mir unbedingt helfen. "Hast du denn Zeit" "Klar hab ich Zeit, ich bin zwar meistens hier beim Arco, aber ich kann auch zum Markt gehen. Hab heute sowieso noch nichts verkauft. Ich zeige dir wo die TucTuc stehen." Er heisst Rony, ist 10 Jahre alt und verkauft seine selbst gemachten Halsketten, um die Schule zu bezahlen. Er erzählt von seiner Familie. Sein Vater ist Mayapriester. Früher wohnten sie in Santa Catarina am Lago Atitlan, aber vor ein paar Jahren sind sie nach Antigua gezogen. Er will wissen, woher ich komme. "De Suiza". "Ah, das ist dort wo der grosse Jesus auf dem Berg steht". "Nein, du meinst wohl Brasilien mit Rio". "Ja kann sein", gibt er zu, "aber Suiza ist ein grosses Land, ganz in der Nähe".
"Die Schweiz ist viermal kleiner, als Guatemala und liegt in Europa. Gib zu, du weisst gar nichts über die Schweiz." Er lächelt und bringt seinen nächsten Trumpf: "Du sprichst nicht sehr gut Spanisch." Stimmt, er hat mich bereits zweimal im Preterito (Vergangenheitsform) korrigiert. Wenn das Olga wüsste. Auch für ihn ist Spanisch eine Fremdsprache, zuhause wird Cakchiquel gesprochen.
Als wir beim Markt ankommen, und die vielen wartenden TucTucs sehen, sind wir bereits Freunde. "Vielleicht sollte ich deine Halsketten doch noch mal ansehen", sage ich und wir setzen uns auf den Gehsteig. Es ist eine riesige Auswahl, die er da in der Tasche mit sich trägt. Und er weiss genau, was Plastik ist, was Glas und welches echte Steine sind. Ich kaufe ihm drei ab und er macht einen echt fairen Preis. Ich gebe noch ein kleines Trinkgeld dazu und er strahlt übers ganze Gesicht. Noch eine Foto und er schreibt seine Adresse in mein Notizbuch. Offensichtlich hat er diese noch nie aufgeschrieben, denn ich muss ihm erklären, dass man dabei erst mal den Namen schreibt. Ich werde ihm seine Foto schicken und hoffe, der Briefträger wird ihn finden.
Manuel
Da steht plötzlich ein hölzerner Weihnachtsengel neben meinem Capuccino. Ich sitze in einer Kaffeebar am Plaza Central und neben mir steht ein schwer beladener Mann. "Willst du einen Engel kaufen?" Will ich das? Weihnachten ist doch vorbei. "Wie viel willst du denn dafür haben?" 20 Quetzales. Das sind gerade mal 3 Franken. Um diesen Preis kann man nicht einmal mehr handeln. Er heisst Manuel, und wie heisst du? "Beatrice, mucho gusto, Manuel".
Ja ich kaufe zwei Engel, die kann man ja schliesslich immer brauchen. Wer weiss vielleicht bringen sie Glück. Weil ich kein Kleingeld habe und auch die Serviertochter erst irgendwo wechseln muss, kommen wir ins Gespräch.
Er kommt aus Nahuala. Das kenne ich zufällig, denn da war ich vor 7 Jahren dabei, als wir die Schulbibliothek eingeweiht hatten. Ich bin nicht sicher, ob er diese kennt, aber er nickt freundlich. Dazu musste er aber erst seine schwere Last auf den Boden stellen. Ich versuche, die Kisten anzuheben. Viel zu schwer. Er steht damit den ganzen Tag auf der Strasse, die Last an einem Riemen um die Stirn gehängt. Wenn er lacht, zeigt er ein paar abgebrochene schwarze Zähne. Was wohl mein Zahnarzt dazu sagen würde. Er freut sich wie ein Kind, dass ich ihm gleich zwei Engel abkaufe und versucht auch den dritten los zu werden. Doch ich finde, dass zwei fürs erste genug sind und als die Serviertochter mit dem Rückgeld kommt, zahle ich den verlangten Preis.
Er hängt sich die Kisten wieder um und geht zurück auf die Strasse, wo es inzwischen dunkel geworden ist. Ob er wohl noch heute mit dem Bus zurück fährt in sein Dorf?
Aufbruch: | 21.12.2007 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 08.01.2008 |