Weihnachten in Guatemala
Begegnungen
Maria
Sie kommt am morgen um 6.30 ins Haus und arbeitet bis 15.00 Uhr. Sie macht das Frühstück, kocht Mittagessen und bereitet das Nachtessen vor. Ausserdem macht sie die Zimmer, putzt das Haus und gestern hat sie meine Wäsche gewaschen. "Mit der Maschine?" "Nein von Hand, ich wasche nie mit der Maschine. Die Wäsche wird viel schöner, wenn ich sie von Hand wasche."
Wie sie wäscht? Es gibt hier nebst der Waschmaschine, die in diesem Land eine ziemliche Seltenheit ist, eine Pila, einen ganz speziellen Waschtrog. Den gibt es in vielen Häusern, resp. in den Höfen. Es gibt aber auch in jedem Dorf und in den Quartieren öffentliche Pilas, wo sich die Frauen noch heute zum Waschen treffen.
Und wo es Wasser hat, trifft man sich im See oder am Fluss. Gewaschen wird mit kaltem Wasser und Seife. Auch in diesem Haus, obwohl es hier warmes Wasser gibt. Meine Wäsche ist jedenfalls perfekt sauber und weich geworden und es ist ein gutes Gefühl, wenn das wenige, das ich mitgenommen hatte, wieder sauber ist.
Maria ist 27 und wohnt zusammen mit ihrer Mutter und ihrem 5-jährigen Sohn in der alten Hauptstadt Ciudad viejo. War sie denn nie verheiratet? Wie immer bin ich ein ziemlich neugierig.
Maria erzählt: "Ich war verheiratet, aber mein Mann trank viel zu viel und er wollte nicht in meinem Haus wohnen. Wir hatten sehr grosse Schwierigkeiten zusammen und eines Tages ging er zurück zu seiner Familie." Sie stockt ein wenig, fährt aber fort "Es muss da eine Schlägerei mit seinen Brüdern gegeben haben und dabei wurde mein Mann getötet. "Eine Schlägerei? Haben sie ihn umgebracht? Wurde das untersucht? Wurde die Polizei geholt?"
"Ich weiss nicht mehr davon, man hat mir nur gesagt, dass mein Mann tot sei. Kurz darauf brachte ich meinen zweiten Sohn auf die Welt, aber er starb nach knapp zwei Wochen."
Maria lebt jetzt mit ihrer Mutter zusammen, die für andere Leute Wäsche wascht, um etwas zum gemeinsamen Haushalt beizutragen. Und ausserdem schaut sie zum Sohn. Maria verdient 850 Q. pro Monat.
Ricardo
Bei ihm kaufe ich jedes Mal einen Gürtel. Er kennt mich noch, weiss aber meistens meinen Namen nicht mehr. Aber er kennt immer den Namen meiner Mutter: Ruth. Er ist 18 und es ist sein eigener Laden, den er seit 5 Jahren führt. Zuerst hat er zusammen mit seinem Vater gearbeitet, aber irgendwann hatte der das Gefühl, es sei besser, wenn Ricardo sein eigenes Geld verdiene. Und so kommt es, dass er seit er 13 ist, auf eigenen Füssen steht.
Was dabei zu kurz kam, war die Schule. "Doch", sagt er, "dieses Jahr werde ich auf die Schule gehen". "Und was ist mit deinem Laden?" "Ich werde am Tag in meinem Stand sein, und am Abend in die Schule gehen. Ich weiss dass das wichtig ist". Er hat mir schon öfters gesagt, dass er in die Schule gehen werde und ich hoffe, dass es dieses mal klappt. "Ja", sagt er, "dieses Jahr ist sehr wichtig für mich, ich werde in die Schule gehen, ich werde lernen, einen Computer zu bedienen und ich werde eine Internet-Adresse haben". Ich wünsche ihm viel Glück bei seinen Plänen und er verspricht mir, mir ein Mail zu schicken, sobald er dies kann. Ich bin gespannt.
Hunde
Ich hatte immer Erbarmen mit den Hunden, die scheinbar niemanden gehören und streunend durch die Strassen zogen, immer auf der Suche nach etwas zum Fressen, einem ruhigen Plätzchen zum Schlafen.
Doch jetzt habe ich auch die Hunde kennen gelernt, die in den Häusern wohnen und ich bin mir nicht mehr sicher, wer es besser hat. Das heisst, die Hunde wohnen in den Innenhöfen, manchmal in einem kleinen Verschlag, in die Räume dürfen sie in der Regel nicht, denn ihr einziger Zweck ist, das Haus zu bewachen. Spazieren gehen gibt es nicht, "das entspricht nicht der Gewohnheit", meint Olga und ausserdem hätten sie dafür auch keine Zeit.
Was bekommt denn der Hund zu fressen? "Abfälle vom Tisch, gekochten Reis und manchmal einen Knochen dazu". Ich kann verstehen, wenn die Familie kaum Fleisch auf dem Tisch sieht, muss auch der Hund sich mit anderem begnügen, aber Hunde sind nun mal keine Vegetarier.
Einmal hab ich einen Hund getroffen, der hinter dem Haus an einer kurzen Leine angebunden war. Traurig guckte er um die Ecke. Seine Wasserschale hatte er umgeworfen. "Er war krank, darum ist er so mager", sagte seine Besitzerin. "Ausserdem hatte er Parasiten". Sie strich im liebevoll über den Kopf und ich war mir nicht so sicher, ob er nicht immer noch von irgendwelchen Plaggeistern befallen sei. Es drückte mir fast das Herz ab, den Hund so vegetieren zu sehen. Vielleicht durfte er nach meinem Besuch wieder frei im Hof herumlaufen. Die verschiedenen Häufchen, die im Hof lagen, wiesen jedenfalls darauf hin.
Bei Esther hat die Hündin Nachwuchs bekommen. Vier kleine Wollklüngel brachten die Kinder an Weihnachten ins Haus. Gerade mal 6 Wochen an und so kuschelig. "Was machst du mit den Kleinen?" fragte ich Esther. Sie schaute mich erstaunt an: "die behalten wir. Es sind 2 Weibchen und 2 Männchen. Kastrieren? Nein, das ist viel zu teuer, so was macht man hier nie".
Es ist nicht so, dass die Menschen die Hunde nicht lieben würden, Olgas Hündin heisst Shakira und wird von ihren Töchtern heiss geliebt. Es ist nur ein ganz anderer Umgang, den man hier mit seinem vierbeinigen Freund hat.
Natürlich gibt es auch andere Beispiele. Wie der Typ, der mit seinen zwei Dobermännern an der Leine auf dem Fahrrad regelmässig durch Antigua kurvt. Egal, wie viele Leute auf der Strasse sind, er findet immer eine Lücke und zieht automatisch alle Aufmerksamkeit auf sich. Oder der, der seinen Husky im Parque Central Gassi führt. Und Schosshündchen, die an zierlichen Leinen spazieren geführt werden und im Restaurant auf einem extra Stuhl sitzen. Dass es sich dabei um Ausländer und Touristen handelt, ist wohl klar. Miami ist gerade mal 2 Flugstunden entfernt.
Übrigens ist unterdessen eines der Jungen von Esther ausgerückt. Mit sieben Wochen. Ob es da schon alt genug ist, um ohne seine Mutter auszukommen?
Aufbruch: | 21.12.2007 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 08.01.2008 |