Weihnachten in Guatemala

Reisezeit: Dezember 2007 - Januar 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Leben in Guatemala

Klima

Da hab ich mich aber gründlich getäuscht. Ich war noch nie um diese Jahreszeit in Guatemala, aber immer hat man mir gesagt, Januar / Februar wäre die beste Reisezeit, denn da sei Sommer.

Sommer heisst für mich warm, wenn nicht heiss und so habe ich mich beim Koffer packen ganz auf die heisse Jahreszeit eingestellt. Aber das muss ein grosses Missverständnis gewesen sein. "Sommer?" sagt Reyna, "ich nenne das trockenen Winter. Um diese Zeit gehe ich nie ohne Jacke aus dem Haus."

Bisher war ich immer in der Regenzeit hier. Das heisst, dass es einmal im Tag richtig regnete. Das konnte aber auch in der Nacht sein und ich empfand das nie als wirklich störend. Vor allem weil es nie richtig kalt wurde. Aber jetzt, in der Sommerzeit wird es abends richtig kalt und das bleibt auch noch so am Vormittag. Mittags und am Nachmittag kann es allerdings richtig heiss werden. Wenn die Sonne dann untergeht und es um sechs dunkel ist, kriecht aber die Kälte wieder in die Häuser. Und diese sind natürlich nicht geheizt. Wahrscheinlich gibt es hier kaum ein Haus, das eine Heizung hat. Und auch Cheminees sind eher eine Seltenheit. Ich weiss nicht, wie die Leute in ihren Häusern zurecht kommen, die mir eher wie Verschläge vorkommen. Viele bestehen nur aus Holzbrettern, durch die der Wind bläst. Ja, auch Wind gibt es viel hier. Schlotternd sitze ich am morgen unter dem Blechdach in der Schule und versuche der Grammatik von Olga zu folgen. Ich habe mich entschlossen, wieder ein wenig Spanisch zu lernen. Olga kennt mich schon und sie weiss, wie sehr ich Mühe habe mit der Grammatik. Aber sie ist geduldig und bringt mich sogar dazu, Hausaufgaben zu machen.

Heute wollte ich es genau wissen und fragte sie nach den Jahreszeiten.
Von Mai bis Oktober ist Winter. Das heisst, dass es ziemlich heiss wird, aber es regnet einmal im Tag für ungefähr eine Stunde. Von November bis Januar ist Sommer. Kalt am Morgen, am Nachmittag warm und nachts wieder kalt. Ja, so empfinde ich das auch, habe aber keine Ahnung, warum man diese Jahreszeit Sommer nennt. Der Februar ist loco, verrückt, meint Olga. Da gibt es von allem etwas. Scheint so ähnlich zu sein, wie unser April. März und April sind die beiden heissesten Monate des Jahres. Ich bin jetzt also im kältesten Monat gelandet. Und jetzt friere sogar ich, und das will etwas heissen. Diese Kälte hat aber trotzdem etwas gutes, ich habe mir nämlich eine sehr schöne Jacke gekauft, und die hätte ich gar nicht gesehen, wenn es nicht so kalt wäre. Ein Thermometer habe ich in diesem Land übrigens noch nie gesehen, kein Mensch interessiert sich dafür, wie warm oder kalt es ist. Schliesslich spürt man ja selber, ob man eine Jacke anziehen muss, oder kurzärmlig gehen kann. Ich kann also nicht sagen, wie viele Grad es ist, nehme aber an, dass es am Nachmittag gute 25 Grad warm wird. Übrigens, Antigua liegt 1600 m ü M. Selbstverständlich ist das Klima in anderen Landesteilen wieder komplett anders. Im Tiefland im Norden zum Beispiel herrscht tropisches Klima. Hier ist auch der Regenwald, in dem sich die meisten der alten Mayastätten verstecken.

Das ganz normale Leben

Heute hat mir Olga ein wenig aus ihrem Leben erzählt. Sie stammt aus einer armen Familie, die mit fünf Kindern am Fusse des Vulkans Agua lebte. Als sie ungefähr 8 Jahre alt war, brach der Vulkan unvermittelt aus. "Es regnete Staub und Steine und wir liefen auf die Strasse. Kurz darauf bebte die Erde und wir verloren alles im Schutt. Zu Fuss liefen wir nach Antigua, wo wir bei Verwandten Unterschlupf fanden".

Sie blieben in der Nähe und wohnten in einem Haus aus Plastik. "Aus Plastik?" "Ja, so mit Plastikfolien über Latten und Brettern zusammengebaut", erklärte sie. Der Vater war Buschauffeur und konnte mit seinem kleinen Verdienst die Familie knapp durchbringen. Aber auch die Kinder mussten bereits ihren Teil beitragen und so arbeitete Olga bei einer Familie. Sie putzte das Haus, wusch ab und lernte etwas kochen. "Selbstverständlich hat mir auch meine Mutter kochen beigebracht, aber bei einer reichen Familie kann man mehr lernen", meinte sie.

Gerade hatte sich die Familie wieder einigermassen erholt, man wohnte in einem Haus, besass Tisch und Stühle, sowie für jeden ein Bett, als 1976, Olga war gerade 20, das grosse Erdbeben Guatemala erschütterte. Es kam mitten in der Nacht und überraschte die meisten Menschen im Schlaf. Olga, ihre Schwester und ihre Mutter wurden unter den Trümmern verschüttet und mussten von Helfern geborgen werden. Ihre Mutter kam ins Spital und hat noch heute Beschwerden mit der Wirbelsäule. Irgendwie gelang es wieder, sich zu erholen. Man arbeitete noch härter. Olga wollte unbedingt studieren und arbeitete tagsüber als Hausangestellte, und ging abends in die Schule. Mit 22 heiratete sie und bekam ein Jahr später ihr erstes Kind, einen Jungen. Diesem folgte kurz darauf ein Bruder und ein paar Jahre später kamen die beiden Mädchen als Nachzügler. Die beiden sind heute 15 und 16. Ihr Mann arbeitet seit 25 Jahren bei der Polizei in Guatemala Stadt. Er fährt jeden Tag mit dem Bus und verdient ca. 2000 Quatzales im Monat. Olga arbeitet als Spanischlehrerin jeden Vormittag. Wenn es Schüler hat, hat sie Arbeit und Verdienst. Das heisst 300 Q. in der Woche.

Vor 20 Jahren zog sie mit ihrer Familie in ein Haus. Ich wollte wissen, wie das Haus aussieht. Eigentlich ist es ein Grundstück, das der Bank gehört und das sie seit 20 Jahren abbezahlt. In 10 Jahren wird es der Familie gehören. Zuerst gab es darauf nur zwei Zimmer. Jetzt gibt es je ein Zimmer für Olga und ihren Mann, für die beiden Mädchen, für die Familie des einen Sohnes, der mit seiner Frau und seinem Kind darin wohnt. Ausserdem gibt es eine Küche und ein Bad. Der andere Sohn hat dank einem Darlehen einen zweiten Stock aufgebaut und wohnt da mit seiner Frau und seinem Kind. Auf dem kleinen Grundstück wohnen also 11 Personen. Rückzugsmöglichkeiten und Individualität gibt es keine.

Noch ein paar Zahlen gefällig? Ein Sohn arbeitet bei der Touristenpolizei in Antigua und verdient gegen 1800 Q. monatlich und seine Frau als Verkäuferin 700. Die monatliche Miete für das Grundstück beträgt 800 Q. Dazu kommen die Kosten für Wasser und Strom. Heute hat sie die Stromrechnung erhalten: 400 Q für das letzte Halbjahr. Die letzte Rechnung betrug 80 Q. Strom ist unglaublich teuer geworden. "Und dabei versuche ich doch überall zu sparen."
meinte sie resigniert.
100 Q sind im Moment SFr. 15.50

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zum 6. mal in Guatemala, das erste mal allein und ganz ohne spezielles Programm. Einfach nur da sein, Stimmungen fuehlen, Freundschaften auffrischen, Geschichten hoeren und erzaehlen. Vielleicht interessiert sich jemand fuer diese Art der Reisebeschreibung...
Details:
Aufbruch: 21.12.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 08.01.2008
Reiseziele: Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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