Weihnachten in Guatemala

Reisezeit: Dezember 2007 - Januar 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Unterwegs sein

Bevor du in einen dieser Touristen-Shuttle steigst, übrigens ein wirklich treffendes Wort, streckst du am besten noch einmal alle deine Glieder und dann klappst du deine Beine zusammen und zwängst dich auf einen der Sitze. Ob ein Mitsubishi oder ein Toyota-Bus macht dabei keinen Unterschied. Eng sind sie alle mit ihren 12 Sitzen, die in der Regel ausgebucht sind.

Und dann versuchst du am besten gleich am Anfang, eine möglichst bequeme Stellung einzunehmen, denn später sind Positionsveränderungen nur noch im Millimeterbereich möglich.

Ob dabei die fest eingebauten oder die Klappsitze die bessere Variante sind, bin ich mir noch nicht sicher. Immer denke ich, der Sitznachbar hätte vielleicht doch die bessere Position. Der fest eingebaute Sitz hat eine grössere Sitzfläche, eine richtige Rücklehne, aber die Beine stecken fest. Dafür hat der Klappsitz etwas mehr Beinfreiheit, was aber an der Sitzfläche verloren geht.

Wie dem auch sei, hier sitze ich jetzt also für die nächsten drei Stunden und versuche, mich zwischen Rückenlehne und Vordersitz zu verkeilen. Das fällt meinem grossen Sitznachbarn aus Australien bestimmt noch einfacher, denn ich habe keine Ahnung, wie er seine langen Beine untergebracht hat. Aber er lacht unter seinem Strohhut schelmisch hervor und irgendwie versuchen wir alle, uns an den teilweise vorhandenen Griffen festzuhalten, damit wir auf der holperigen Strasse nicht bei jeder Kurve übereinander purzeln. Auch die Sitznachbarin zur rechten hat ihr Buch zur Seite gelegt, nachdem ihr Kopf mit dem Fensterrahmen Bekanntschaft gemacht hat.

Ob es wohl in einem öffentlichen Bus bequemer wäre? Chickenbus nennen ihn die Einheimischen und das sagt ja auch schon einiges aus. Aber sie tragen wunderschöne Namen: Dolores, Mariaelena, Esperanza oder Debora.

Gerade hat uns eines dieser Ungetüme vor einer Kurve überholt und wir halten alle kurz den Atem an. Das ist auch gut so, denn schon bei der nächsten Steigung hüllt uns der Koloss mit einer schwarzen Wolke ein, so dass er minutenlang fast nicht mehr zu erkennen ist. Ob es wohl eine Übersetzung gibt, für Abgaskontrolle? Zum Glück hält er gleich darauf an, um zwei Personen einzuladen, die am Strassenrand standen. Nein, offizielle Haltestellen gibt es unterwegs kaum. Die Busse halten an, wo es nötig ist und nicht wo es vorgesehen ist, denn das ist meistens nicht dasselbe. Ausserdem wohnen viele Menschen irgendwo in den Feldern, versteckt hinter hohen Bambuszäunen. Manchmal winken Kinder am Strassenrand. Freizeitvergnügen.

Wir fahren durch eine abwechslungsreiche Gegend. Durch Wälder mit Pflanzen, die wir aus unserer guten Stube kennen, aber in einer Riesenausgabe. Wir sehen Bäume, die so von Bromelien und Orchideen bedeckt sind, dass man sie selber kaum noch erkennt. Durch Felder, auf denen Kohl, Rüebli und Kartoffeln geerntet werden. Vom Mais stehen nur noch die Stangen und manchmal sehe ich ein paar Kühe, die sich daran gütlich tun. Jedenfalls trampeln sie die Stängel nieder.

Durch die vielen Erdbeben ist Guatemala ein sehr zerklüftetes Land und es geht immer auf und ab. Manchmal wollen Schilder am Strassenrand etwas vermitteln: Curvas peligrosas, steht da zum Beispiel, aber ich bin nicht sicher, ob unser Chauffeur überhaupt lesen kann. Dafür geht es dann bergauf so langsam, dass ich manchmal befürchte, dass nun gleich alle stossen müssen.

Irgendwann kommen wir durch eine Ortschaft. "Weiss jemand, wie es hier heisst?" fragt der Amerikaner hinter mir. "Patzun" kommt die Antwort von vorne. Aber es ist nicht der Chauffeur, der antwortet, der konzentriert sich auf die Strasse. Und das ist auch besser so, denn inzwischen ist es dunkel geworden. Es ist eine Strecke, die ich noch nie gefahren bin. Auf der Hinfahrt fuhren wir über eine sehr gut ausgebaute Strasse.

Endlich, bei Chimaltenango wird es etwas vertrauter und in Jogotenange hält der Bus an. Extra für mich. Ich sammle meine Taschen und Plastiksäcke, mit den Geschenken und Einkäufen aus Pana zusammen, die ich auf und unter mir aufgeschichtet hatte, und steige aus. Die letzten Schritte gehe ich zu Fuss. Froh, mich wieder richtig bewegen zu können und müde von vielen neuen Eindrücken.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zum 6. mal in Guatemala, das erste mal allein und ganz ohne spezielles Programm. Einfach nur da sein, Stimmungen fuehlen, Freundschaften auffrischen, Geschichten hoeren und erzaehlen. Vielleicht interessiert sich jemand fuer diese Art der Reisebeschreibung...
Details:
Aufbruch: 21.12.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 08.01.2008
Reiseziele: Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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