Neuseeland

Reisezeit: September 2009 - Juni 2010  |  von Caroline Gustke

Palmerston North - The Magic Of Music

Montag, 19.Oktober.2009

Nachdem wir aufgrund des schlechten Wetters zwei Tage im Hostel vor'm Kamin rumgegammelt haben (was ich ehrlich gesagt mal ganz schön fand, da ich kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte, dass wir nicht aktiv den Ort erkundet haben oder sonstige Dinge gemacht haben, die man eben machen sollte, wenn man an einem interessanten Ort ist. So hatte ich Zeit, mich endlich mal wieder kreativ zu beschäftigen, ein bisschen in mein Spanischzeug zu gucken, zu schreiben und mich ein paar Emails zu widmen).
Schließlich gaben wir auf, das Tongariro Crossing in den nächsten Tagen machen zu können. Da es in dem Ort, dem Tongariro National Park Village, nicht besonders viel zu sehen gibt und schon gar nicht im Regen, sind wir am Freitag nach Palmerston North gefahren, wo wir mit zwei anderen von unserer Truppe ein wirklich nettes Hostel bezogen, welches dem Namen "Grandmas Place" alle Ehre machte.

Am Nachmittag bin ich mal alleine losgezogen und habe mich auf die Suche nach einem Klavier gemacht. Ich bin in einem Musikgeschäft fündig geworden, habe mehrere Flügel ausprobiert und den blöden Typen beeindruckt, der erst gezögert hatte, mich spielen zu lassen. Als das Geschäft schloss, bin ich mit einem Abstecher in einem tollen Antiquitätengeschäft und meine vorübergehende Unabhängigkeit genießend (da ich ausnahmsweise ja mal allein unterwegs war, was zwischendurch sehr entspannend sein kann) noch zur (tollen!!) Bibliothek gegangen, wo es ebenfalls ein Klavier gab, wohin mich der Mann aus dem Musikgeschäft ursprünglich sofort schicken wollte.

am Eingang der Bibliothek

am Eingang der Bibliothek

City Library

City Library

Nach einer Weile sprach mich ein Mann an, ein Maori =), und als ich fertig gespielt hatte und bemerkte, dass der anschließend die ganze Zeit über gebannt hinter mir gesessen und zugehört hatte, habe ich mich eine ganze Weile zu ihm gesetzt und er hat mir erstmal seine halbe Lebensgeschichte erzählt. Das war wirklich schön. Caro war ganz neidisch, als ich ihr später am Abend berichtete, dass er, Hamilton heißt er, einen Freund hat, der bei Herr der Ringe einen der Uruk-Hai gespielt hat und ein anderer Freund von ihm einige Jahre Spieler bei den All Blacks war. Außerdem hat er gute Connections nach Hastings (wg. Familie und Freunden dort), wo Caro und ich wohl bald als Fruitpicker arbeiten werden, und hat uns einige Nummern als Anlaufstellen gegeben.

Am nächsten Tag, Samstag, war ich wieder in der Bibliothek, Klavier spielen - für mich der pure Luxus in diesem Ort!! Abends wurde ich, das bedeutete letztendlich wir vier Mädels, von Hamilton in einen Pub eingeladen. Tja, die Gastfreundschaft der Neuseeländer - wir wurden im Taxi kutschiert, haben jede Menge Bier getrunken, Billiard gespielt und den ganzen Abend über keinen Cent ausgegeben. Normalerweise muss man, wenn man in Neuseeland Alkohol kauft, was ab 18 erlaubt ist, seinen Personalausweis (bzw. wir unseren Reisepass) vorzeigen, wenn man wie unter 25 Jahre alt aussieht und vor allem im Supermarkt wird das sehr streng genommen. Nun hatten wir an dem Abend unsere Pässe allerdings vergessen, was jedoch gar kein Thema war - man muss eben mit den richtigen Leuten unterwegs sein. xD Der Abend war jedenfalls großartig und es wurde die ganze Zeit Musik gespielt, die absolut meinem Geschmack entsprach, hehe!!

Sonntag waren Caro und ich einkaufen (die Geschäfte haben alle auch an Sonntagen auf). Mama, ich habe ein tolles Kleid gesehen!! Aber als armer Backpacker ist ein Kleid totaler Schwachsinn und eigentlich wirklich unpraktisch und nur unnötiges Gewicht. Ich habe es jedenfalls gekauft. Haha, eigentlich so ziemlich das erste, das ich mir nicht von dir ausleihe, Mama! Und es wird bald Sommer!! (Sorry, das empfindet ihr, treue Leser, vielleicht als unwichtig, aber das musste ich an dieser Stelle einfach mal loswerden.)
Nachdem wir ein bisschen durch die Stadt gelaufen waren und uns, interessiert wie wir sind, auch mal die ein oder andere Kirche angucken, habe wir einfach mal in die Kathedrale reingeschaut.- Und da stand ein fantastischer Flügel in einem Raum mit atemberaubender Akkustik! Eines der Mädchen, die zu denen gehörte, die eine kurze Weile später bei der Probe für die musikalische Messebegleitung dabei waren, knackte das Zahlenschloss für mich und ich konnte loslegen.

Kathedrale aus Zuckerguss

Kathedrale aus Zuckerguss

Caro und ich haben bei deren Probe dann natürlich noch zugehört (es gab Singstimmen und jede Menge Instrumente und uns vom netten Father Sowieso doch tatsächlich zur Messe einladen lassen, die direkt danach stattfinden sollte. Tze, ich auf einem katholischen Gottesdienst und ich habe mich kaum gelangweilt. Es war eigentlich ganz interessant und wie gewöhnlich, wenn ich auf derartigen Veranstaltungen bin, führte ich im Geiste mit dem Pfarrer eine angeregte Diskussion über, naja, "Gott und die Welt". Aber er war glaube ich recht tolerant und lud uns hinterher auch noch zum Bleiben ein, da es für die Jugendlichen anschließend oft noch etwas zu Essen und ein Treffen (Youth Club) gibt. Außerdem stellte er uns zwei deutschen Stundenten vor, die seit drei Jahren in NZ leben ("Kennt ihr Werther?", fragte uns der Typ. Tja, wie klein die Welt doch ist!). Caro ist dann zurück zum Hostel gegangen und ich bin geblieben. Das ist doch die beste Gelegenheit, endlich mal unter neuseeländische (!) Jugendliche zu kommen! In den Hostels trifft man ja für Gewöhnlich allergrößtenteils Deutsche. Es war auch wirklich nett im Youth Club. Wir haben ganz viele lustige Teamspiele gespielt (Paula, die mich ein wenig an die AFS-Spiele erinnert haben. xD). Nach etwa 1 1/2 Stunden war es vorbei und der Abend wurde mit einer Art Gebetsrunde abgeschlossen. D.h. alle saßen im Kreis auf dem Boden, Licht aus, leises Gitarrenklimpern und eine Kerze wurde herumgereicht. Jeder durfte ein Gebet zu Gott sprechen - was ja nun mal gar nicht meine Stärke ist. Aber fast jeder hat etwas gesagt, was macht man also da als fremder Atheist, ohne den Kreis zu unterbrechen??! Ich habe mal wieder gelernt: Einfach knallhart ehrlich bleiben, das ist die beste Lösung, habe mich also bei den anwesenden Leuten bedankt und ein paar nette Worte (und dass ich nie bete) gesagt, die auch wirklich gut angekommen sind. (Oma, da hab ich an deine Rede gedacht, die du in England in der Loge gehalten hast, einfach aus dem Stehgreif. )

Heute habe ich mich mit Hamilton in der Bibliothek getroffen und er hat wie versprochen seine Gitarre mitgebracht. Er spielt schon seit er acht Jahre alt ist und ist dementsprechend gut. Es war unglaublich, wir haben uns so angeregt unterhalten und jede Menge gesungen, natüüürlich ein paar Beatlessongs und noch ganz viel anderen älteren Kram. Wir haben "Imagine" in Klavier- und Gitarrrenbegleitung gesungen... Und es hat mir gar nichts ausgemacht, dass wir einige Zuhörer hatten...
Dann habe ich, die sich natürlich schon vorher für die Kultur des Landes interessiert, in das sie reist, meine Maorilieder aus dem Ärmel gezogen, was ihn so gerührt hat, dass er fast anfing zu weinen. So kam es, dass ich in der Bibliothek mit einem Maori z.T. zweistimmig Maorilieder gesungen habe (Ich habe mir das Lied nämlich einige Male in YouTube angehört und kannte daher die zweite Stimme). Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für ein Gefühl das war!!!

Pokarekare Ana
nga wai a Waiapu
Whiti atu koe hine
marino ana e.

E hine e,
hoki mai ra.
Ka ma te ahau
I te aroha e.

(Mein Kommentar zu all denen, die sich die Mühe machen, das in YouTube zu finden: Die Version von Hayley Dingsbums finde ich ehrlich gesagt schrecklich!!!! Vielleicht findet ihr das, wo die zwei Kinder das auf einem Wettbewerb singen, das ist eine schöne Version...)
Ein anderes Lied, "Po Atarau", das ich auch schon kannte, stammt zufälligerweise aus der Feder des Großvater von Hamiltons Cousin, der das Lied für seine Frau geschrieben hat, als er in den II. Weltkrieg ziehen musste. Es heißt, alle Menschen sind über 7 Ecken miteinander bekannt. In Neuseeland ist von 2 Ecken die Rede - bei nur 4 Millionen Einwohnern.

Caro, die eher weniger an unserem Musikkram interessiert war und zwischendurch alleine-losziehen-kann-ab-und-zu-auch-mal-ganz-schön-sein-Seiten entdecken ging, hat später mit mir (und das schätze ich sehr!!) wahrhaftig mit mir "Because" gesungen. (Ein großartiges Lied von den Beatles, das wir für die Abifeier einstudiert hatten [der fleißige Sucher findet in YouTube das Video von einer superschönen Probe] - für die, die es noch nicht wussten.^^)

Wie auch immer. Wir haben ganze fünf Stunden in der Bibliothek verbracht und musiziert. Ich habe blöderweise meine Kamera im Hostel liegen lassen und weder Fotos, noch Videos, aber ich werde das nie vergessen!! The Magic Of Music!! Ich habe selten so einen interessanten Menschen getroffen und wir waren beide voneinander fasziniert, könnte man sagen. So, nun sehe ich Mama mit hochgezogenen Brauen, einem Grinsen und einem leicht besorgten Blick vorm Computer sitzen (und Ralf auch![der an dieser Stelle anfängt zu kichern]). xD - Versteht mich nicht falsch, es ging rein um Musik und Gesprächsstoff und die Sorte Mensch eben, Seelenverwandtschaft. Außerdem ist der Typ schon ein Urgestein von stolzen 37 Jahren. Also Mama - neein!

Morgen, d.h. in wenigen Stunden, fahren wir weiter nach Hastings, wo "ein Job mit Obst" auf uns wartet (aller Wahrscheinlichkeit nach Drecksarbeit, haha. Aber endlich ein sicheres Gefühl, denn man hat als Backpacker in unserem Alter ganz automatisch Geldsorgen, auch wenn man die eigentlich noch gar nicht haben müsste weil man eigentlich doch noch eine ganze Weile auskommen würde, aber vor allem, wenn man mal wieder die alltäglichen Sachen im Supermarkt einkaufen muss kann der Gedanke des Geld-ausgeben-müssens schon wirklich nerven. Da vermisse ich doch glatt Mama! )

Wir haben uns in Palmerston North nicht wirklich irgendwelche Sehenswürdigkeiten angeschaut. Trotzdem war es einer meiner Lieblingsorte meiner Reise bis jetzt. Einfach wegen der Musik.

Danke übrigens für die vielen netten Mails und Kommentare in meinem Gästebuch!! Ich freue mich immer riesig, auch wenn ich nicht immer alle nochmal persönlich beantworten kann. Und mit der Verwandtschaft bin ich zu Zeit sogar mehr in Kontakt, als je zuvor, das ist schön!! Vor allem, da ich sowieso sehr gerne schreibe, freue ich mich, dass ich so viele begeisterte Leser meiner "Reality-Reading-Reihe" habe.

© Caroline Gustke, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein langer Flug liegt hinter uns. 26 Stunden habenwir von Frankfurt bis Auckland gebraucht, mit einem 6 stündingen Aufenthalt in Seul, Südkorea... Wir haben den ersten Tag und die erste Nacht hinter uns. Jetzt wird erkundet, organisiert etc.
Details:
Aufbruch: 03.09.2009
Dauer: 10 Monate
Heimkehr: 25.06.2010
Reiseziele: Südkorea
Neuseeland
Der Autor
 
Caroline Gustke berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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