Wohnmobiltour: Finnland - Russland - Baltikum - Polen - De

Reisezeit: Mai / Juni 2010  |  von Jens und Jessica Brinkbäumer

Abschied von Moskau - Fahrt nach Walday

Die Fahrt über den Moskauer Autobahnring (MKAD) und dann auf die M10 ist schon sehr spannend. Aus angezeigten sechs Fahrspuren in einer Richtung werden von den Moskowitern schnell mal neun oder zehn Spuren, die aber auch nicht ausreichen um den mittägliche Verkehr staulos funktionieren zu lassen. So dauert es gute eineinhalb Stunden bis sich der Verkehr auf ein normales Maß reduziert, auch wenn normal hier ganz anders ist als in den weiterentlegenden Gegenden des Landes.

Am letzten Mc Donalds halten wir noch einmal kurz an, um das dort vermutete Wifi zu nutzen und in der Tat steht schon an der Tür, dass es eines gibt. Unser Rechner findet es auch, will sich aber definitiv nicht verbinden und zeigt seltsame Fehler¬meldungen. Also gibt's nichts außer Kaffee und Burgern.

Hier ein McChicken und ein Big Tasty auf russisch

Hier ein McChicken und ein Big Tasty auf russisch

Die M10 ist eine Rennpiste für LKW mit allen Gütern dieser Welt. Einer reiht sicht an den nächsten, aber man hat regelmäßig die Chance an den zweispurigen Stücken zu überholen, was aber nicht viel hilft, da spätestens im nächsten Ort alle wieder an einem selbst vorbeiziehen. Ganz haben wir das System bis heute nicht verstanden. Im Ort sind offiziell 60 Km/h, man fährt dann schon extra 70 (trotz Sorge vor der DPS) um nicht von hinten angeschoben zu werden, wird aber trotzdem deutlich schneller von allen anderen überholt!?

Und wo viele LKW fahren, da muss es auch einiges zu verkaufen geben - denkt sich zumindest der ein oder andere geschäftstüchtige Landrusse und eröffnet fleissig an jeder Ecke Tankstellen und Cafés sowie Autostojankas, die allerdings an dieser Strasse gerne mit einem Campingplatzsymbol angekündigt werden. Tatsächlich sind es allerdings einfache unasphaltierte Flächen die bewacht werden und auf denen man für ein paar Rubel im Auto oder LKW übernachten kann. Einige haben auch Duschen und Toiletten - wahrscheinlich sind das dann Campings.

Besonders schön sind die Verkaufstände für landwirtschaftliche Erzeugnisse an denen man von Kartoffeln über Marmelade bis hin zu Fisch alles bekommen kann, was das Land und Wasser hergibt. Meistens findet man sie neben den Plüschtierständen am Straßenrand. Wofür auch immer Fernfahrer in Russland so viele Stofftiere brauchen. Unsere Vermutung ist ja, dass sie in jedem Teil des Landes eine Familie haben und somit viele, viele Kinder immer wieder mit neuen Stofftieren versorgen müssen.

Schön in Plastikhüllen verpackte Riesen-Stofftiere

Schön in Plastikhüllen verpackte Riesen-Stofftiere

Insgesamt wirken die durchfahrenen Orte allerdings recht verwaist. Viele der Holzhäuser sind verfallen oder die Fenster mit Brettern vernagelt. Vermutlich ist es auch nicht die angenehmste Wohnlage, direkt an der Hauptverbindungsachse zwischen den Metropolen Moskau und Sankt Petersburg zu wohnen. Alleine eine Überquerung der wirklich viel befahrenen Straße dürfte zu den nicht ganz ungefährlichen Dingen des Lebens gehören.

Unser heutiges Ziel ist Walday, das in einem Prospekt zum goldenen Weg, den wir auf der Touristikmesse in Berlin mitgenommen haben, als sehr schön beschrieben wird. Es soll ein Glockenmuseum haben und eine schöne Kirche und vieles mehr. Wir wundern uns ein wenig, dass ein so hoch gelobter Ort in unserem Baedecker nur als Region "Waldeyer Höhen" mit schönen Wiesen und Seen erwähnt wird, aber nicht als Ort.

Als wir gegen 19 Uhr eintreffen wird uns schnell klar, warum er es nicht zu einer eigenen Ortsbeschreibung geschafft hat. Alles wirkt etwas runtergekommen und verwaist. Richtige Plattenbauten (natürlich in niedrig - so groß ist Walday ja nicht) säumen die Hauptstrasse.

Die Hauptstrasse ist in wenigen Minuten durchfahren und außer zwei Supermärkten und einem Hinweisschild auf das Glockenmuseum und Pizza ist nicht viel zu sehen, schon gar kein Übernachtungsplatz. Da wir aber beide keine Lust haben weiterzufahren, drehen wir um und versuchen nun ans Seeufer zu kommen. Dafür biegen wir die Strasse Richtung Kirche ab und landen auf einem Marktplatz, weshalb die Durchfahrt auch samtags verboten ist. Auf dem einzigen Zebrastreifen des Ortes schläft in der Mitte ein ziemlich großer Hund, aber er lässt uns ohne Widerworte langsam passieren. Durch die Geschäftsstrasse gefahren und schon stehen wir wieder am anderen Ende des Ortes, da wo wir bei der ersten Einfahrt ein ziemlich verrottetes Hinweisschild zu einem Hotel gesehen haben. Da aber kein anderer Stellplatz zu finden ist, entscheiden wir uns dem Schild zu glauben und folgen ihm. Tatsächlich taucht nach wenigen hundert Metern das Hotel auf und es hat sogar einen passablen, wenn auch scheinbar unbewachten Parkplatz.

Jessi sucht dann ziemlich lange nach der Rezeption, da diese sich nicht da befindet wo man es vermutet, sondern genau an der anderen Seite. Aber nachdem sie gefunden ist, hilft sie auch spontan. Per Kameraüberwachung wird festgestellt, dass wir ein mittelgroßes Auto haben und so wird die Parkgebühr von 150 Rubeln auf 200 Rubel erhöht, aber dafür dürfen wir gerne übernachten und überwacht werden wir ja auch, also alles bestens. Also platzieren wir uns, packen unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Weg zu Ortserkundung per Pedes und hoffen auf einen besseren Eindruck als per Auto.

An der Strasse vom Hotel stehen drei Häuser - eine Holzhausruine und zwei Neubauten, die genauso gut in Deutschland stehen könnten. Vor den neuen stehen dann auch schön nagelneue Suv´s japanischer Herkunft. Am Ende der Strasse ist ein schöner kleiner Park, den wir Richtung Ort durchqueren. Und tatsächlich sind wir nicht die einzigen Hundebesitzer in Walday, denn es kommt uns eine ältere Dame mit einem Handtaschen-Pfiffi entgegen, den Ceddy gerne bespielt hätte, aber Madame mochte das nicht.

Jessi macht direkt Bekanntschaft mit einem silbernen Herren, der uns aber seine Herkunft nicht verraten will, vielleicht hilft uns ja aber Wikipedia oder so später weiter.

Am Ende des Parks und somit dem Beginn der Straßen¬bebauung wird uns klar, dass es neben Madame mit Hand¬taschen-Pfiffi noch etliche Hundehalter hier gibt, denn hinter wirklich jedem Zaun versucht mindestens ein Vierbeiner die Gefangenheit zu beenden, um dann unseren friedlichen Hund zu fressen. Also wechseln wir regelmäßig die Straßenseite und sind doch recht froh, dass keinem dieser vermeintlichen Wachhunde der Fluchtversuch gelingt. Der Ort gefällt uns zu Fuß schon deutlich besser, die Leute sind nett, die Kinder freuen sich wie verrückt, wenn sie den Hund streicheln dürfen und so genießen wir das Flanieren durch den Ort. Zum Abendessen sind wir uns nicht ganz einig, ob wir lieber Pelmeni kochen wollen, oder doch ne Pizza beim örtlichen Pizzabäcker ordern sollen.

Da der erste Supermarkt Inventur macht und daher nur Kosmetika und Getränke verkauft und es schon neun Uhr ist und somit der zweite Supermarkt geschlossen haben dürfte, stehen die Chancen gut für Pizza. Jessi geht dann auch in den vermeintlichen Pizzaladen und kommt mit dem gleichen Ergebnis wieder, wie ich vor ein paar Tagen in Moskau als ich Pizza Verona in dem kleinen Tante Emma Laden an dem das Schild stand auch nicht gefunden habe. Da der Hunger aber groß ist und die Lust noch weit zu laufen, um ggfs. einen geöffneten Pelmeni-Verkäufer zu finden eher klein, geht Jessi doch noch einmal gucken und siehe da, die Pizzeria ist im ersten Stock und durch die Seitentreppe am Haus erreichbar. Es gibt fünf verschiedene Sorten, wobei wir uns nur bei der Margherita über den Belag sicher sind. Die Preise sind mit 80 - 120 Rubel völlig ok. Daher bestellt Jessi zwei unterschiedliche Teigflächen mit ungewissem Belag. Da aber der halbe Ort heute Hunger auf Pizza hat und sich diese ob der Preise auch leisten kann, kommt es zu Wartezeit, die wir im Bushaltestellenhäuschen überbrücken, bis ein mittelgroßer Schäferhund meint den Frieden beenden zu müssen.

Er kommt freundlich auf uns zu, findet Ceddy aber doof und versucht ihn zu fressen, was wir wiederrum zu verhindern versuchen. Das klappt auch ganz gut, aber er kommt halt immer wieder zurück. Irgendwann kommt ein freundlicher Herr, der uns hilft den Hund zu verscheuchen, aber auch nicht mehr Glück hat. Da wird der Hund mit einer Auto¬waschbürste, die man in Russland scheinbar standardmäßig im Auto hat, dazu aufgefordert abzuhauen, aber der Hund fühlt sich durch soviel Zuneigung eher noch ermuntert immer wieder zu Ceddy zu laufen. Daher kauft der nette Mann extra eine Wurst und kann den Hirtenhund damit super weglocken. Geniale Idee, aber wenig nachhaltig, denn als die Wurst aufgegessen war, war auch der Antrieb weg von uns zu laufen beim Hund weg.

Daher geht Jens mit Ceddy schon mal zum Glockenmuseum vor, während Jessi auf de Pizza wartet und den Hund ablenkt. Am Museum angekommen wer¬den Jens und Ceddy von einer Truppe von fünf streunenden Hunden verfolgt, weshalb sie sich entscheiden schnellst¬mög¬lich das sichere Wohnmobil an¬zu¬steuern. Viel Adrenalin wird ausgeschüttet, aber die beiden schaffen es, wenn auch außer Atem in Sicherheit zu gelangen.

Als Jessi uns am Treffpunkt nicht findet, aber die verschiedensten Vierbeiner sieht, vermutet sie richtig und kommt auch direkt nach Hause. Uns wird bewusst, dass man irgendwie solche Situationen braucht, damit man hinterher das doch so eintönige Alltagsleben besser genießen kann. Mal sehen ob uns diese Weisheit beim nächsten Adrenalinschock auch bewusst ist

Und dann geht der Tag zu Ende wie fast alle bisherigen. Lecker Essen, ein wenig "Wässerchen" und eine Ewigkeit bis es dunkel wird. Die Pizza schmeckte trotz der verlorenen Wärme sehr lecker und hatte den innovativsten Pizzabelag seit langer Zeit zu bieten. Anstatt von Oregano oder aber einem Basilikum-Blättchen in der Mitte, gab es heute frischen Dill über die Pizza verteilt. Sehr lecker und durch aus zur Nachahmung empfohlen!

Das Glockenmuseum von Walday

Das Glockenmuseum von Walday

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Die Reise
 
Worum geht's?:
In 25 Tagen mit dem Wohnmobil per Fähre nach Helsinki und von da aus nach St. Petersburg und Moskau. Zurück geht es dann auf dem Landweg durch das Baltikum und Polen.
Details:
Aufbruch: 13.05.2010
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 06.06.2010
Reiseziele: Finnland
Russland / Russische Föderation
Estland
Lettland
Litauen
Polen
Der Autor