Geheimnisvolles Myanmar

Reisezeit: Februar / März 2011  |  von Andreas Schneidenbach

Bei den Stelzenhäusern der Einbeinigen


Myanmar - Reisetipp #17:

Hier ist manchmal nicht alles so wie es scheint. Benutze deinen Kopf!

Was ich im letzten Kapitel vergaß zu erwähnen: Nach mehr als 2 Wochen Dreck und Staub reichten Christa´s Handwaschkünste mitsamt dem mitgebrachten "Reiher in die Tube" (oder so ähnlich) nicht mehr aus und so mussten wir unsere Wäsche in die Hände von Profis geben.

Unser Hotel bietet einen "Laundry-Service" an, deshalb ist es für uns einfach.
Was uns stutzig macht ist, dass der Preis für die Wäsche nicht in kg derselben bemessen wird, nein es wird Stückweise abgerechnet. So kostet eine lange Hose 400 Kyatt, eine kurze 300, ein Shirt macht 200 Kyatt und Unterwäsche pro Stück 100.

Was aber wenn die eine einen String abgibt, die nächste Omas Liebestöter? Der eine seine High-Tech-atmungsaktiv-schnelltrocknend-superleichte Treckinghose, der andere seine Arschaufdemknie-Feinweb-superbequem-Baumwollpluderhose?

Eine Frage deren Beantwortung sogleich nach Abgabe unseres Bündels beantwortet wurde.

Flinke Damenhände griffen sich den Wäschesack und begannen sogleich mit der Bearbeitung. Und ob man nun die Baumwollpluderhose oder die Hightech-Treckinghose mit der Hand durchschrubbt und -walkt ... der Unterschied dürfte so groß nicht sein.

Man setzt auf Handarbeit und deshalb: Stückpreis!

Das Ergebnis jedenfalls hätte selbst in der allerneuesten Miele-Wunderwaschmaschine unter Zuhilfenahme der hochwertigsten Reinigungsprodukte der chemischen Waschmittelindustrie nicht besser sein können!

Anderntags - und damit zurück zur Berichterstattung - wollten wir das machen, dessentwegen wir eigentlich hergekommen waren:
Eine Bootstour auf dem Inle-See!

Rund um und auf (ja, auf!) dem See gibt es einige Dörfer, hauptsächlich vom Fischervolk der Intha besiedelt. Diese Intha-Fischer pflegen eine Kunst die weltweit ihresgleichen sucht: Sie rudern mit einem Bein um beide Hände für die Arbeit frei zu haben.

Wieder einmal scheuten wir das frühe Aufstehen nicht, wir wollten dabei sein wenn sich die Sonne über den Bergen erhebt und gleichzeitig die Fischer ihre Netze und Reusen im See auslegen.

Bei unserem Marsch zum Pier sahen wir eine Reihe Mönche, die an jedem Haus mit flinken und geübten Handgriffen - patsch, patsch, patsch - einen Löffel Reis zur Morgenspeisung in ihre dargebotene Schüssel bekommen haben.

Bald darauf ging es raus auf den See, ein wenig dunstig war es noch, die Fischer waren längst zugange!

Und: es ist nicht so dass immer alle nur einbeinig rudern, nur manchmal - scheinbar nach Bedarf - wird diese Kunst eingesetzt!

Die Fahrt ging vorbei an Dörfern, ein jedes Haus auf Stelzen in den flachen See gesetzt!
Alle haben ihren eigenen Anleger, nur das Boot bringt dich von hier nach da.

Schlechte Karten für denjenigen, der durch Suff oder Raserei seinen Bootsführerschein vorübergehend abgeben muss!

In den Dörfern sieht man sie üben, schon die Kleinen eifern ihren Vätern nach!

In den Dörfern sieht man sie üben, schon die Kleinen eifern ihren Vätern nach!

Beim ersten Halt gehen wir in eine Weberei. Außer Baumwolle und Seide wird hier noch eine Faser der besonderen Art gewonnen: Aus Lotuspflanzen!

Wiederum etwas das es nur hier geben dürfte, denn die Gewinnung der Faser aus dem Stängel ist kompliziert und unwahrscheinlich zeitaufwändig, gleichmütig lächelnd sitzt die Frau da während sie Zentimeter um Zentimeter aus den abgeschnittenen Stückchen puhlt, dreht und zieht.
Ganz seltsam fühlen sich das fertige Garn als auch die fertig gewobenen Produkte aus diesem Material an.

Ein Shop war auch da, eh klar - wenn schon denn schon!

Just als wir dachten dass sich das Ganze zu einer burmesischen Kaffeefahrt entwickeln könnte (der günstige Preis und die Unzahl der anderen Touri-Booten sprachen dafür) fragte uns Mr. Bootsmann ob wir nicht so freundlich wären mit ihm seine Familie besuchen zu wollen.

Ja, selbstverständlich, da lassen wir uns doch nicht lange bitten!

So steuerte er sein Boot kreuz und quer durch ein paar Seitenkanäle ehe wir an seinem Stelzenhaus ankamen. Vorbereitet war nichts für den Besuch, doch das ist hierzulande kein Problem!

Im Raum-für-alles lässt man sich nieder, bekommt Tee kredenzt und ehe man es sich versieht sind auch einige Nachbarn und Verwandte da zum "Ausländer schauen".

Familienfotos werden gezeigt, Geschichten dazu erzählt, kleine Snacks werden gereicht und auch der Kleine, der zu unserem Eintreffen noch eine solche Scheu vor den weißen, langnasigen Fremden hatte, will jetzt gar nicht mehr dass wir gehen.

Eine weitere herzliche Verabschiedung nach einem kurzen Besuch. Man könnte meinen wir hätten dieser Familie etwas Gutes getan, in Wahrheit sind wir es die Dankbar sein müssen für ein weiteres schönes Erlebnis.

Vor unserem frühen Lunch eine neuerliche "geschäftliche Vorführung".
Wir hielten bei einem Schmied, er wollte Bronzearbeiten und Messer verkaufen. Zuvor sahen wir wie gut die 4 Männer mit großen Hämmern im Takt auf ein Stück glühendes Metall schlagen können, das vom Meisterschmied mit einer großen Zange gehalten, gedreht, verschoben und gewendet wurde.

Mittagspause war dann schon um elf (ein Fluch des frühen Aufstehens, der Tourplan will eingehalten werden).

Einen kurzen Spaziergang vom Restaurant entfernt steht die Phaung Daw U-Pagode die ein weiteres Top-Heiligtum des Buddhismus beherbergt. Es handelt sich um 5 kleine Buddhastatuen, bereits zur Unkenntlichkeit von Pilgern vergoldet.

Selbstredend habe ich abermals mein Goldblatt draufgepappt (Christa durfte wieder nicht ran...)

Selbstredend habe ich abermals mein Goldblatt draufgepappt (Christa durfte wieder nicht ran...)

Alljährlich im Herbst (das genaue Datum hat mit dem Mond zu tun - auch hierzulande setzt man auf den Mondkalender) gehen 4 der 5 Statuen auf große Reise auf einem Langboot rund um den See.
In jedem Ort wird den Statuen eine Nacht lang gehuldigt, nächsten Tag geht die Reise weiter.

Aber halt! Warum nur 4?

Diese Frage ist rasch beantwortet: Vor gut 40 Jahren kenterte das Boot mit den Statuen gleich 2x innerhalb weniger Jahre. Und während immer die vier größeren Statuen im See gefunden und geborgen werden konnten blieb die fünfte, die kleinste, stets unauffindbar.

Was für ein Glück dass Buddha beide Male ein Einsehen hatte, denn als die 4 anderen Statuen nach ihrer Rundreise in die Pagode zurückgebracht wurden wartete dort bereits - wie durch ein Wunder - die kleine an ihrem angestammten Platz!

Da beschloss man den Großmut Buddhas nicht noch ein weiteres Mal herauszufordern und deshalb bleibt der kleine Buddha seither zu Hause während seine 4 Brüder auf Reisen gehen.

Jetzt allerdings brach die harte Zeit an, denn auch der Bootsmann hatte seine Pflicht zu erfüllen.
Wir sahen den Silberschmied - mit Shop. Wir sahen wie Cheerots gedreht werden - mit Shop.

Dann ein noch ein weiterer Shop und in der hinteren Ecke saßen 4 Frauen vom Volk der Padaung an ihren Webstühlen.

Die Padaung sind eine kleine ethnische Untergruppe der Shan und leben üblicherweise weiter östlich, an der Grenze zu Thailand.

Warum diese bedauernswerten Frauen hier am Inle-See den Touristen vorgeführt werden hat einzig und allein mit einer Sitte zu tun, die nur von den Padaung gepflegt wird und glücklicherweise im Aussterben begriffen ist: Von Kindheit an wird den Mädchen eine Messingspirale um den Hals gelegt, die im Lauf der Jahre ständig verlängert wird und so den ganzen Schultergürtel nach unten drückt. (Dass die Halswirbelsäule dabei nicht gestreckt wird haben Röntgenaufnahmen bewiesen.)

Dies trug ihnen den Beinamen "Giraffenfrauen" ein.

Jetzt sitzen diese armen Geschöpfe da, lächeln uns an in ihrem Messingkorsett und verdienen den Lebensunterhalt für ihre Familie als Zirkusclowns für die Tourismusindustrie.
Auch wir - und ich will es nicht verschweigen - leisten unseren kleinen aber unfeinen Beitrag dazu, deshalb hier an dieser Stelle die obligatorischen Fotos dazu:

Eine Begegnung die einen nachdenklich macht, der uns als nächster Programmpunkt angebotene Besuch einer Bambusschirmerzeugung wird sicherheitshalber abgelehnt.

Einem weiteren skurrilen Schauspiel gelingt es uns aber nicht zu entgehen.
Beim Kloster der springenden Katzen werden wir abgesetzt, schon beim Zugang müssen wir zwischen Souvenierstände durch, mit - tatsächlich erstmals im Land erlebten - relativ aufdringlichen Verkäufern.

Drinnen dann eine Vorführung der Marke "Seltsame Art". Vor einem wider Willen komisch aussehenden Mönch mit einem Puppenbaby an seiner Seite (wie hießen sie noch, die, die pupsen und pinkeln konnten?) lässt sich eine Reisegruppe bestehend aus älteren, schwafelnden Italienerinnen nieder.

Eine Frau eilt herbei und beginnt daraufhin die herumliegenden Katzen anzuspornen durch einen Reifen zu springen.
Gelingt einer Katze dieses Kunststück winkt ein Leckerli als Belohnung und die Italienerinnen wiehern vor Begeisterung!

Den Ray-Ban-Mönch macht weiterhin auf Daddy Cool und wir müssen uns zusammenreißen um nicht laut loszulachen!
Als nach 3 oder 4 Sprüngen die Spendenbox herumgereicht wird suchen wir heimlich und schnell das Weite.

Beim Verlassen sind die Standbetreiber wieder lästig, als wir uns aber ein wenig abseits in den Schatten eines Baumes setzen gesellen sich einige zu uns, klagen über schlechte Geschäfte und stellen die gleichen Fragen die wir auch aus dem Rest des Landes schon gewohnt sind.

Später, beim Heimweg, fuhr unser Boot noch durch schwimmende Gärten, kleine schwimmende Inseln, zumeist mit Tomatenpflanzen bewachsen.
Am späten Nachmittag treffen wir wieder ein in Nyaung Shwe am Pier, unsere Bootstour findet hier ihr Ende.

Und, liebe Michi, weil ich an jenem Tag deine Anfrage zu den Tellerbildern las hier unser fotografisch dokumentiertes Abendessen:

Zuerst einige gemischte Satay

Zuerst einige gemischte Satay

Danach überaus leckere Shan-Nudeln

Danach überaus leckere Shan-Nudeln

Der Abschluß, gleichzeitig Dessert: feines, süßes, indisches Teiggebäck!

Der Abschluß, gleichzeitig Dessert: feines, süßes, indisches Teiggebäck!


Buddhistische Weisheit zum Tag:

Der Mensch ist kein Baum.
Wenn er am falschen Platz steht,
sollte er sich einen anderen suchen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
"Dies ist Burma, und es wird wie kein anderes Land sein, das Du kennst." - Rudyard Kipling - . .
Details:
Aufbruch: 15.02.2011
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 13.03.2011
Reiseziele: Myanmar
Thailand
Der Autor
 
Andreas Schneidenbach berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.