Projekt X – Ein Jahr durch Asien.

Reisezeit: Juni 2011 - Dezember 2012  |  von Franziska S.

Indonesien: 23.06. 2011 Jakarta

25 Minuten habe ich auf Djuki gewartet - niemand ist gekommen. Ich bin nicht wirklich überrascht. Gestern haben wir uns noch in der Joker Bar unterhalten, er erzählte mir von seinen 5 Freundinnen und wie schwer es ist, die richtige Frau zu finden. Aber er möchte gern heiraten und eine Familie haben. Er stammt aus einem kleinen Dorf auf der Insel Sulawesi, findet an Jakarta die Musikszene großartig, weiß aber sonst nicht viel über diese Stadt, obwohl er seit 10 Jahren hier ist. Hauptsächlich "hängt" er in der Joker Bar rum, arbeitet noch in einem Hotel und hat ein "Business": "I'm selling things.". Was das für "things" sind, erklärt er nicht näher. Er möchte kein Manager sein, weil überall Korruption herrscht und er nicht Bestandteil dieses Systems sein möchte. Das hört sich prinzipiell natürlich nach einer Einstellung an, aber ich glaube, er ist einfach nur faul.

Ich warte also 25 Minuten und dann gehe ich los Richtung Bahnhof, Station "Gondangdia". Dort nehme ich den Zug Richtung Norden bis zur Station "Kota". Der Zug fährt mit offenen Türen, was bei der tropischen Schwüle sehr angenehm ist. Immer wieder gehen Händler durch die Wagen, mit Zeitungen, Haargummis, Getränken. Ein alter Mann - auf einem Auge blind - steht auf und bietet mir seinen Platz an. Ich bin gerührt und sage ihm, dass ich stehen möchte und er sich bitte wieder hinsetzen soll. Was er glücklicherweise auch tut.

An der Station "Kota" biege ich falsch ab und lande im chinesischen Viertel "Glodok". Es ist mir fast unmöglich, über die Straße zu gehen, so dicht ist der Verkehr. Also immer den Einheimischen hinterher, die per Handzeichen den gefühlt Tausenden Autos und Mopeds bedeuten, langsamer zu fahren. Im Lonely Planet wird das Viertel als "burstling" beschrieben, das trifft es auf den Punkt. Überall höchste Geschäftigkeit, ein Laden hinter dem anderen. Alles ist in Bewegung, laut und sehr schnell. Schnell dröhnt mir der Kopf. Auf so etwas war ich nicht vorbereitet. Also zurück zum Bahnhof und auf die andere Seite.

Hier ist es sofort ruhiger. Als ich den Lonely Planet aus dem Rucksack hole, kommt ein Wachmann, der vor einem offiziellen Gebäude steht, und weist mir den Weg.
Und jetzt bin ich endlich im Viertel Kota. Das ist das alte Viertel von Jakarta, viele Gebäude aus der holländischen Kolonialzeit sind erhalten. Mittelpunkt ist der Platz Taman Fatahillah, dieser ist auch sehr lebendig, allerdings auf eine eher unaufgeregte Art und ohne Verkehr. Ich laufe nur so herum zwischen kleinen Verkaufsständen, nach Farben sortieren Fahrrädern mit modischen Sonnenhüten und Menschen, die im Schatten der wenigen Bäume sitzen, reden und essen.

Während ich die Atmosphäre genieße, kommen Rida und 2 ihrer Kommilitonen - Adji und Harko - mit einer Videokamera auf mich zu. Sie erklären mir, dass sie studieren und Journalisten werden wollen und für einen Kurs Ausländer interviewen müssen. Zum Beweis müssen die Interviews aufgenommen werden. Ich frage ein bisschen nach und bin dann sehr gern bereit für das Video-Interview. Zumal Rida mir freudestrahlend erklärt, wenn ich mitmache, sind sie für heute Nachmittag meine Stadtführer - "for free".

Das sind die zukünftigen Star-Journalisten. Für ihr Universitätsprojekt fragten sie mich z. B., ob ich das erste Mal in Indonesien bin, wie es mir gefällt, worin der Hauptunterschied zu Deutschland besteht und ob ich einen Jetlag habe.

Das sind die zukünftigen Star-Journalisten. Für ihr Universitätsprojekt fragten sie mich z. B., ob ich das erste Mal in Indonesien bin, wie es mir gefällt, worin der Hauptunterschied zu Deutschland besteht und ob ich einen Jetlag habe.

Wir streunen ein wenig durch Kota und durch das Hafenviertel "Sunda Kelapa". Der Hafen ist ein reiner Frachthafen. Es sind zwar viele Schiffe da, aber viel los ist nicht. Hinter dem Hafen liegen die Behausungen (es sind wirklich nur Behausungen) der Hafenarbeiter.

Mit einem kleinen Ruderboot setzen wir über ans andere Ufer, landen auf einem lokalen Markt und von überall tönt es "Hello! How are you?".
Meine 3 Studentlein zeigen mir das Maritime Museum, einen Aussichtsturm ("Vorsicht! Nicht auf diese Stufe treten! Vorsicht! Nicht dorthin treten!"). Sie bezahlen für mich mit, ich werde von Rida instruiert "You say that you are my friend. Or you have to pay more.".

Rida quasselt auf mich ein. Sie stellt viele Fragen, erzählt aber auch viel von sich und von Indonesien. Z. B., dass sie Muslima ist. Auf meine Nachfrage erzählt sie, Indonesien ist ein freies Land und muslimische Frauen können wählen, ob sie sich traditionell kleiden oder nicht. Sie hat einen Freund, der Katholik ist. Jeder toleriert den Glauben des Anderen, z. B. betet jeder vor dem Abendessen sein Gebet.

Es ist alles einfach zu schön!

Der Frachthafen. Be- und entladen wird per Muskelkraft und Kranhaken.

Der Frachthafen. Be- und entladen wird per Muskelkraft und Kranhaken.

Wie bereits erwähnt - viel zu tun ist nicht.

Wie bereits erwähnt - viel zu tun ist nicht.

Auch irgendwelche Feinde sind nicht in Sicht. Na dann, Mittagsruhe!

Auch irgendwelche Feinde sind nicht in Sicht. Na dann, Mittagsruhe!

Meine 3 Studenten kaufen mir CDs mit der traditionellen javanischen Musik "Dangdut" ("It's a present. It costs not very much, like 1 Euro in your country.").

Sie wollen, dass ich "public transportation" kennenlerne. Wir stellen uns an die Straße, ein Bus kommt, sie geben dem Fahrer ein Zeichen zum Anhalten. Und bezahlen wieder für mich mit. Als wir in einen Stau geraten, dreht der Bus einfach um und fährt eine andere Route. Niemand wundert sich, niemand sagt etwas.

Das ist asiatischer Pragmatismus gepaart mit asiatischer Gelassenheit. Herrlich!

Wir streunen noch ein wenig durch die Gegend, reden viel undlanden schließlich wieder auf dem Taman Fatahillah. Wir essen in einer Garküche Sate-Spieße mit Erdnusssoße.

Die Drei brauchen noch einige Interviews. Gemeinsam suchen wir einige Ausländer aus und sprechen sie an. Der Platz füllt sich mit Leben und verwandelt sich - wie jeden Abend - mehr und mehr in einen Marktplatz. Viele Händler bauen ihre Stände auf. Getränke, Plastikschüsseln und -eimer, Uhren, Schmuck, Sonnenbrillen, T-Shirts und Hosen, Stoffe sowie Haustiere - Kleine Hamster tummeln sich in einer Glasschüssel.

Hier werden keine Eisbären verkauft. Aber vielleicht gibt es Studien, die belegen, dass sich Hamster in einer solchen Umgebung wohler fühlen?

Hier werden keine Eisbären verkauft. Aber vielleicht gibt es Studien, die belegen, dass sich Hamster in einer solchen Umgebung wohler fühlen?

Abendlicher Markt auf dem Taman Fatahillah.

Abendlicher Markt auf dem Taman Fatahillah.

Und nochmal.

Und nochmal.

Und hier die nach Farben sortierten Fahrräder mit modischen Sonnenhüten. Die können ausgeliehen werden - zum Herumfahren oder um Verlobungsfotos zu machen. Dabei zuzusehen ist sehr, sehr witzig!

Und hier die nach Farben sortierten Fahrräder mit modischen Sonnenhüten. Die können ausgeliehen werden - zum Herumfahren oder um Verlobungsfotos zu machen. Dabei zuzusehen ist sehr, sehr witzig!

Dann geht es zurück. Wieder mit dem Zug. Aber jetzt ist Feierabendverkehr und Tausende Menschen drängen sich auf den Bahnsteigen. Rida und Adji begleiten mich bis zu meiner Station, achten sehr darauf, dass ich meinen Rucksack vorn trage und nicht bestohlen werde.

Als wir aussteigen wollen, passiert etwas, was ich bereits in Reiseberichten aus Indien gelesen habe: Als der Zug in den Bahnhof einfährt, drängeln sich auf dem Bahnsteig wiederum (gefühlt) Tausende Menschen vor den Türen, drängen in den Zug. Ich habe keine Ahnung, wie ich hier heraus kommen soll, sehe mich schon - total zerquetscht - bis in die Vororte fahren. Adji zieht mich hinter sich her, ich setze meine Ellenbogen ein, irgendwann stehe ich draußen. Geschafft! Wo ist Rida? Noch im Zug, sie weint fast, weil sie es nicht schafft, sich durch das Gewühl zu boxen. Adji zieht auch sie heraus, dabei verliert sie einen Schuh. Glücklicherweise fällt er zwischen Zug und Bahnsteig auf die Gleise. Der Zug fährt ab, wir können wieder atmen, Adji holt den Schuh und alles ist wieder gut.

Einige Passagiere fahren auf dem Dach. Rida sagt, dass das sehr gefährlich ist und die Regierung das verboten hat. Allerdings hält sich keiner daran. Deshalb wurden auf den Zugdächern viele "Barrieren" (Hindernisse) gebaut und die Hochspannungsleitungen tiefer gesetzt.
Allerdings frage ich mich, ob es - zumindest während des Feierabendverkehrs - im Zug wirklich so viel ungefährlicher ist.

Rida, Adji und ich verabschieden uns sehr herzlich voneinander.

Ich hatte einen spektakulären Tag!

© Franziska S., 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
„Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.“ (Augustinus Aurelius). Ich habe Lust auf ein großes Buch, auf ein mehrbändiges Werk! Und so freue ich mich unbändig auf mein Reiseabenteuer, welches mich nach Indonesien, Nepal, Myanmar, Thailand, Indien, Jordanien und Israel führen wird. Zumindest aus heutiger Sicht. Nichts ist fix, alles kann, nichts muss.
Details:
Aufbruch: 20.06.2011
Dauer: 18 Monate
Heimkehr: 31.12.2012
Reiseziele: Indonesien
Malaysia
Australien
Der Autor
 
Franziska S. berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.