Peru erwartet uns
Chaos
... direkt ins Herz des peruanischen Regenwaldes. Nach Iquitos führt keine Strasse. Es gibt nur Flugzeug (1,5 Std. von Lima) oder Boot (2-4 Tage von Yurimaguas oder Pucallpa, die man per Strasse erreicht)
Ziemlich viel Aufregung herrscht am Morgen. Wir müssen packen. Wie schwer sind 23 Kg? Wieviel haben wir eingekauft? Was muss ins Handgepäck, was darf im Koffer bleiben? Es wird gepackt und umgepackt und endlich stehen wir in Cusco am Checkin-Schalter. Und dann ist alles gar nicht so schlimm, die Koffer werden angenommen, das Handgepäck läuft durch den Scanner. Alles ok.
Wir fliegen über die Anden nach Lima. Dort heisst es noch einmal einchecken, diesmal ohne Gepäck, das wird direkt weitergeleitet. Und noch einmal fliegen wir über die Anden, mitten in den Dschungel.
Iquitos empfängt uns mit der üblichen Brut-Hitze. Es ist als ob man im Backofen landen würde. Das hatte ich zwar bereits angekündigt, aber vorstellen kann man sich das nicht, man muss es spüren.
Der Chauffeur vom Hotel steht da, aber als wir aus dem Gebäude kommen, merke ich, dass wir nicht die einzigen Gäste sind, die er abholen muss. Und schon sind wir mitten im Chaos von Iquitos. Für das Gepäck steht ein Taxi zur Verfügung, hier werden unsere Koffer eingeladen, aber wo die Passagiere einstiegen können, müssen wir selber herausfinden.
Los gehts - in die Stadt
Der Hotelbus jedenfalls ist bereits voll besetzt. Xavi fährt bei Horacio, der sich zur Begrüssung ebenfalls eingefunden hat, auf dem Sozius mit. Für den Rest der Gruppe engagiere ich zwei Taxis und schon stecken wir im verrückten Verkehr von Iquitos.
Mototaxis die sich mit Rollern, Taxis und Bussen ein heisses Rennen liefern. Jeder will der erste sein in der Stadt. Schlaglöcher werden souverän umfahren. Für 10 cm Vorsprung werden die grössten Risiken eingegangen, es wird rechts und links überholt, Mittelstreiben samt Sicherheitslinien überfahren, wo sich eine kleine Lücke bildet, wird sofort hineingedrückt. Aus den kleinen Mofamotoren wird das letzte herausgeholt. Einfach unbeschreiblich.
Blick aus dem Hotelzimmer
Foto: Xaver
Nach einer wilden halben Stunde Jagd finden wir uns alle wieder in der Lobby des Hotels und jetzt beginnt das Chaos des Zimmerverteilens. Obwohl es ein Dreistern-Hotel ist, wie fast auf der ganze Reise, ist der Unterschied frappant. Wir sind in Iquitos eingetroffen, hier ist nichts mehr wie im Rest des Landes.
An verschiedenen Orten hatten wir bereits Mototaxis gesehen, doch jetzt können wir endlich selber damit fahren. Ziel Nanay, der Hafen wo die Ausflugsboote ablegen.
Zuerst gibt es Mittagessen im Restaurant das auf einem Floss im Fluss liegt. Horacio und die beiden Guides May und Fernando, die uns in den nächsten Tagen begleiten werden, kommen mit. Und dann legen wir ab zu einem ersten Ausflug auf dem Amazonas.
Mittagessen im Balsa-Restaurant von Nanay. Und wer sitzt da oben am Tisch?
erste Fahrt auf dem Rio Nanay (Seitenarm des Amazonas) mit Fernando und May
Wir besuchen die Boras, ein Indianerstamm, der hier in der Nähe von Iquitos versucht, seine alte Lebensart zu leben. Sie begrüssen uns halbnackt in ihrer Maloka, ihrem Gemeinschaftshaus. Zur Begrüssung bemalen sie erst einmal unsere Gesichter. Dann zeigen sie uns ihre Tänze und führen ihre Gesänge auf. Ganz schnell holen sie uns dazu, damit auch wir das richtige Bora-Feeling erhalten.
Am Schluss versuchen sie, ihre Handarbeiten zu verkaufen. Einfache Halsketten und Armbänder aus Samen und Hölzern, ergänzt mit Knochen und Faultierkrallen, Lagartozähnen. Fein gearbeitete Blasrohre, traditionell bemalte Rindenpergamente. Sie sind wieder einmal sehr aufsässig und wir haben etwas Mühe sie abzuwimmeln.
Der Besuch bei den Boras ist auch für mich immer etwas widersprüchlich. Einerseits gehört er einfach zu Iquitos, bringt eine unerwartete Exotik, andererseits bin ich nie ganz sicher, wie traditionell die Boras sind. Auch habe ich irgendwo gelesen, dass die paar Familien, die in der Nähe von Iquitos leben, extra für den Tourismus von weit entfernten Orten hierher umgesiedelt wurden.
Die Boras versuchen ihre tradionelle Lebensweise ins 21. Jahrhundert zu retten.
Hier wird aus einem seriösen Reiseleiter ganz schnell ein Indianerhäuptling.
René hat sich dem ganzen Verkaufsrummel entzogen und versucht hinter die Kulissen zu schauen. Und er hat in den Hütten junge Leute getroffen, die normal mit Tshirts und Hosen bekleidet waren und bestätigten, dass das was sie hier machen, reine Arbeit sei. Daneben würden sie leben wie andere Leute am Fluss, gehen in die Schule, arbeiten auf den Äckern, gehen fischen.
Aber sie können daneben auch ihre überlieferten Handarbeiten machen, ihre Symbole und Bräuche pflegen. Also ist der ganze Kulturschock, in den wir geraten, nicht ganz so krass.
Etwas verwirrt fahren wir zurück. Leider ist das Pilpintuwasi, die Schmetterlingsfarm zurzeit geschlossen, ich wäre gern noch dahin gefahren. Wir kehren zurück nach Nanay, schlendern da noch über den kleinen Fischmarkt und fahren mit den Mototaxis zurück in die Stadt. Jetzt können alle ihre Zimmer beziehen, sie sind inzwischen frei geworden.
frisch gegrillter Fisch im Fischmarkt von Nanay
Foto: Xaver
Hier werden gekochte Schildkröteneier angeboten.
Foto: Xaver
Zum Nachtessen gehen wir an den Bulevard. Von der Terrasse im Restaurant La Notte haben wir den Überblick auf das Treiben auf dieser Flanierzone.
Weiter vorne führen zwei Männer ein improvisiertes Theater auf. Es ist meistens dasselbe. Einer spielt den Mann, der andere die Frau. Ich verstehe kaum je, was gesprochen wird, aber das ganze lebt von Klischees, Gesten, dummen Sprüchen, spontanen Einfällen. Immer mehr Leute finden sich um die beiden Darsteller ein und als wir uns nach dem Essen dazu gesellen, sind wir plötzlich Teil der Inszenierung. Man hat uns entdeckt und das "where are you from?" wird gleich ins Theater eingebaut. Nachdem wir unseren Obolus abgegeben haben, schlendern wir weiter.
Theater auf dem Bulevard
Foto: Xaver
In der Dunkelheit kommt der morbide Charme der abblätternden Fassaden besonders gut zur Geltung. Alte farbige Kacheln aus Spanien, Stuckaturen, die einstigen Reichtum erahnen lassen, verschnörkelte Eisengitter an Balkonen oder vor dunkeln Fenstern. Alles in einem Dornröschenschlaf, der schon 100 Jahre dauert. Damals, vor 100 Jahren war es die Stadt des Kautschuks. Da wurde jeder Luxus aus Europa importiert, sogar das Eisenhaus, das an der Plaza de Armas steht. Nach Plänen von Gustave Eifel wurde es ganz aus Eisen gebaut. Mit Nieten, die verdächtig an den Eifelturm erinnern.
Neben dem einzigen Fünfsternhotel von Iquitos klafft noch immer die Baulücke vom Ayuntamente, das vor zwei Jahren eingestürzt ist und inzwischen fast komplett abgebrochen wurde. Dahinter kann man in der Dunkelheit knapp die Bauruine erkennen, wo vor über 10 Jahren ein Hochhaus entstehen sollte. Heute dient es nur noch dazu, die Antennen der Stadt zu tragen. In den oberen Balkonen übernimmt langsam wieder die Natur das Zepter. Einzelne Bäume haben bereits ihre Wurzeln geschlagen.
Es ist schwül-heiss, als wir müde zurück zum Hotel kommen. Morgen werden wir zum Abenteuer in den Dschungel starten.
vor drei Jahren stand hier das Ayuntamente (Haus des Bürgermeisters)
Foto: Xaver
Wow war das ein Erlebnis für Mr. Woodman. Der Sohn des Borahäuptlings hätte ihn fast adoptiert. Schon trug er stolz die Häuptlingskrone.
Aber als er sah, dass man mir ausgerechnet ein Blasrohr für ihn bot, verzichtete er und entschied sich, doch mit uns zurück ins Hotel zu kommen. Er hatte seinen Platz noch nicht gefunden.
Aufbruch: | 30.08.2011 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 25.09.2011 |