Peru erwartet uns
Condore
Am frühen Morgen fuhren wir mit dem Bus tiefer ins Colca-Tal hinein. Kaum hatten wir das Dorf Chivay verlassen, wechselte die asphaltierte Strasse zu einer Schotterpiste, auf der wir komplett durchgeschüttelt wurden. Immer wieder fiel etwas von der Gepäckablage. Grössere Sachen wie Rucksäcke konnten wir schon gar nicht oben lassen, Jacken und Pullover musste man immer wieder von neuem nach oben legen. Die Strasse wand sich dem Abhang entlang während der Fluss immer tiefer unten im Tal blieb. Die Ausblicke ins Tal waren gigantisch.
Ute erzählte vom Gemüseanbau wie er hier im Tal schon seit Jahrhunderten gehandhabt wird. Jede Familie hat Äcker auf verschiedenen Höhen, so dass alle die verschiedensten Gemüse anbauen können. Das Gebiet ist eine uralte Kulturlandschaft, so stammt nicht nur die Kartoffel aus dem Tal, sondern auch andere weit verbreitete Gemüse wie die Tomate, Paprika, Kürbis wurden ursprünglich hier angebaut. Wenn ein Kind geboren wird, legt die Familie eine neue Terrasse, ein neues Feld an.
Die Fahrt dauerte keine 50 km, aber wir brauchten fast zwei Stunden dafür. Der Bus rüttelte teilweise so stark, dass wir befürchteten, die Wände würden gleich weggerissen und wir sässen auf dem blossen Chassis. Dass diese Strecke, auf der täglich 20 - 50 grosse und kleine Busse fahren, nicht besser ausgebaut ist, gehört zu den Geheimnissen Perus.
Doch einmal ist die längste Fahrt zu Ende, wir kamen an unserem Ziel an, beim Cruz del Condor.
Schon hatten sich ein paar Touristen versammelt. Auch ein paar Händler warteten bereits auf Kundschaft, nur die Condore liessen sich noch etwas Zeit. Wir zückten die Fotoapparate, schauten gebannt in die Schlucht, die hier mehr als 1300 m tief ist. Ganz weit unten fliesst der Fluss und die Sonne stieg höher und erwärmte das ganze Tal. Und da kamen Sie. Die Condore. Majestätisch glitten sie unter uns hinweg, schraubten sich in der Thermik hinauf, flogen über uns, vor uns. Es war ein gewaltiges Schauspiel und fast schien es, also ob nicht wir die Condore bewunderten, sondern vor allem die Vögel uns. Frech sahen sie auf uns herunter, schienen zu lachen, wenn es uns nicht gelang, eine gute Foto zu schiessen, weil sie längst vorbei wahren, während unsere Fotoapparate noch die richtige Einstellung suchten.
Meine Kamera hatte zu diesem Zeitpunkt bereits komplett aufgegeben, so dass ich die Condore ganz ohne Ablenkung geniessen konnte.
Und dann war das Schauspiel auch bereits wieder vorbei. Es schien, als ob die Condore sich an die Regeln der Touristen hielten, nach neun waren sie alle zurück in ihren Nestern. Der Condor ist eine Geierart und frisst fast ausschliesslich Aas. Tote Kühe, Schafe, die hier frei gehalten werden und nur zum Schlachten zurückgeholt werden. Mit seiner Flügelspannweite von bis zu 3 m ist er ein gewaltiger Segler. Ehrfurchtsvoll ob dem Erlebten kamen wir zurück zum Bus.
Auf der Rückfahrt liessen wir uns etwas mehr Zeit und machten in Maca, einem der Dörfer einen kurzen Halt. Wir besuchten die Dorfkirche, die mit ihren vergoldeten Altären ein richtiges Kleinod ist.
Vielleicht sollte man ihn nicht unterstützen, den Mann, der seit 18 Jahren einen Adler hält. Aber faszinierend ist der Kontakt mit dem Tier trotzdem.
Zurück in Chivay verliess uns Ute, die uns viele interessante Informationen über das Gebiet gegeben hatte und unsere Fahrt ging weiter Richtung Titicacasee. Wir erklommen noch einmal die Höhe von 4'500 m Höhe und kurz darauf sagte Rene ins Mikrofon: "Seid ihr euch eigentlich bewusst, dass wir immer noch auf 4000 m absteigen?" Diesen Satz muss man sich zweimal anhören, um sich dessen Bedeutung bewusst zu werden.
Ein paarmal noch sahen wir Vicunas. Wir fuhren auf einem Hochplateau auf 4000 m. Bei einem kurzen Halt verteilte Rene unsere Lunchpakete, die wir uns im Hotel mitgeben liessen und wir genossen ein Picknick in der gleissenden Sonne.
Bald schon waren wir wieder unterwegs, die Strecke war noch lang. Irgendwann fuhren wir hinter einem Schwertransport her. Zwei Zugmaschinen schleppten ein riesiges Gebilde den Berg hinauf. Wie die mit ihrer schweren Last auf den Berg gekommen waren, wo doch schon normale Autos Mühe mit der dünnen Luft haben. Einige Kilometer blieben wir hinter dem Schwertranport, bis sich endlich eine Möglichkeit zum Ueberholen bot. Die Maschinen werden zu Kupferminen gefahren, die es hier in den Bergen gibt, und die ein wichtiger Industriezweig Perus sind.
Etwas später passierten wir einen Kleinbus, der liegen geblieben war. Seine Insassen konnten nicht mehr weiter und so entschieden wir, dass wir sie bis Puno mitnehmen würden. Schnell räumten wir alle leeren Sitze, deponierten unser Habseligkeiten auf der Gepäckablage, die jetzt nicht mehr alles herunterschmiss und schon stiegen die sechs gestrandeten Touristen ein. Dass sie uns weder begrüssten, noch ein Merci hören liessen, irritierte mich etwas. Im Gegenteil, kaum hatten sie sich gesetzt, parlierten sie kreuz und quer. Es waren Franzosen. Rene hatte kurz vorher noch eine Erklärung über die Inkas gelesen und er nahm seine Vorlesung wieder auf.
Drei Stunden fuhren wir noch bis wir endlich nach Sonnenuntergang in Puno ankamen. Und hier bedankten sich die Gäste dann doch noch herzlich, was meine Irritation etwas milderte.
Wir staunten über unser fantastisches Hotel. Viel brauchte es heute nicht mehr, und nach einem Apero in der Hotellobby und einem kleinen Nachtessen im eleganten Speisesaal verschwanden bald alle in ihren Zimmern. Wir waren wieder einmal voller neuer Eindrücke und heute zusätzlich auch ziemlich durchgeschüttelt.
Mr. Woodman wollte heute unbedingt etwas mehr von der Fahrt haben. Die Fahrt auf dem Rücksitz war ihm verleidet. Da die Strasse über weite Strecken geradeaus ging, liess ihn Cesar sogar eine Weile ans Steuer. Aber Mr. Woodman merkte bald, dass das Fahren seine ganze Aufmerksamkeit brauchte und kehrte gern wieder auf seinen bequemen Sitz auf der Rückbank zurück.
Aufbruch: | 30.08.2011 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 25.09.2011 |