ALM-AUSZEIT

Reisezeit: Juni - September 2013  |  von Jessica & Sven Winkler

Und täglich grüßt das Murmeltier

5 UHR. Der Radiowecker singt sein Steh-Auf-Song und wenn ich ihn erreichen würde dann würde er nicht mehr singen. Die Nacht in der Stube war gar nicht mal so übel. Also auf geht´s. Draußen ist es schon so hell dass es in den Augen schmerzt. Wir schlappen nach unten und da stehen sie schon. 37 Kühe mit Frühstückshunger auf Kraftfutter und dicken Eutern die geleert werden müssen. Herbs Aufgabe ist es etappenweise immer 4-5 Kühe durchs Tor in die Halle zu lassen und da passiert es auch schon. Mathilda kann es nicht schnell genug gehen und schwingt ihren 700 kg leichten Elfen Körper über das Eingangstor. Ja, da hängt sie jetzt zur Hälfte im Stall, zur Hälfte im Freien. Wir gucken erst mal alle doof aber siehe da, mit einer weniger galanten Bewegung schafft sie es Ihr Hinterteil auch noch irgendwie über das Tor zu schwingen. Mir ist immer noch unbegreiflich wie sie dass gemacht hat.
Ich darf mir das Treiben erst mal nur angucken und Hannes hilft den Kühe die über Nacht Ihren Stammplatz vergessen haben ein bisschen nach. 10 Min. später sind alle an Ihrem Platz, Kopf im Selbstfanggitter und ordentlich am schmatzen. Ich mach Jeder Kuh ein schönes Zöpfchen in Ihren Schweif dass der uns beim Melken nicht ins Gesicht fitzt.
Aber halt, waren wir nicht mal 38? - "Zilli" fehlt. Die hat sich am Samstag bei der Fahrt auf die Alm den Fuss verdreht und ist gestern Abend schon gehumpelt. Nach den ersten 20 Kühen mach ich mich auf die Suche. Aber wo soll ich nur suchen, wenn sie nicht auf der Weide ist. Wo kann sich bitte ne halbe Tonne verstecken? Nach einer gefühlten Stunde entdecke ich was schwarz-weißes hinter einem toten Baumstumpf. Tatsächlich, da liegt sie, lässt sich die Sonne auf die Nase scheinen und sieht überhaupt nicht aus als wolle sie sich auch nur irgendwann mal einen cm bewegen. Ich rede auf Sie an, singe, schreie, geb ihr einen Klaps, kraule ihr den Kopf, tätschle ihr das Fell, verprügel ihr den Hintern. NICHTS ! Also gut, wenn du nicht willst dann will ich auch nicht. Ich setz mich gemütlich neben dran und pfeife vor mich hin, Morgens um 6.30Uhr. Ha, sie bewegt sich, sie steht auf uuuund , sie frisst.. von Grasbüschel zu Grasbüschel trotten und humpeln wir immer ein Stückchen näher dem Ziel entgegen. Wenn dass so weiter geht sind wir heute Nacht oben. Herb kommt zu Hilfe, es geht ein bisschen schneller und schließlich kommt Hannes und treibt sie ordentlich wie nur ein Bauer es kann in den Stall. Die Gute ist total verängstigt aber was muss dass muss und da es kein Kälbchen mehr gibt das die Milch auf natürliche Weise trinkt muss sie eben gemolken werden. Alles für den Verbraucher.

So, nachdem auch "Zilli" ihr Frühstück eingenommen hat und das Kälbchen mit Milch versorgt ist ( Ach ja, ein Kälbchen haben wir übrigens auch im Stall, darf aber nicht raus, weil die sich nicht orientieren können) haben sich alle Kühe bis heute Nachmittag zur 2.Runde eine Pause verdient und wir gehen frühstücken. Es ist halb9.

Nach einem Kaffee mit frischster Bio- Alpenvollmilch auf der Terrasse werden wir von den Jungkühen begrüßt. Die dürfen den ganzen Sommer über draußen grasen. Wir lassen den Blick schweifen und irgendwo da oben bewegt sich was. Schnell Feldstecher her. 4 Murmeltiere. Die grüßen täglich zu hunderten.
10UHR. Milchexpress.
Pünktlich um 10h rollt der Milchmann an und 2000 Liter frischste Hochland-Alpenmilch wechselt ihren Besitzer. Alle 2 Tage holt er das weiße Gold ab und fährt es zu "Tirolmilch". Dort wird es weiterverarbeitet zu Biomilch, Käse, Butter und Joghurt. Für 1 Liter Alpenmilch bekommt der Bauer im Durschnitt 39Cent/Liter. Und wir saufen die Milch ausm Tetrapack und die meisten wissen noch nicht mal warum die Kuh überhaupt Milch gibt.

Kurz nach 10Uhr brechen wir auf zum Zäunen. 200 Meter über uns müssen noch 500 m Maschendrahtzaun befestigt und einige morsche Holzpfähle ausgetauscht werden. Auf dem Weg nach oben wünschten wir uns dass wir die letzten Wochen ein bisschen mehr trainiert hätten. Wir schnaufen wie die Ochsen. - Je höher wir kommen desto mehr Enzian leuchtet uns an. Vielleicht ein Schnäppschen gefällig ? - Die Sonne brät vom Himmel. Ich merke schnell dass ich bei dieser Arbeit die am besten zu zweit erledigt wird, überflüssig bin und mache mich wieder an den Abstieg. Es ist Zeit für ein bisschen Yoga und Sonnencreme. Nach 3 Stunden zäunen sind die Burschen auch wieder da und wir haben uns ein Vesper verdient.
15.30Uhr-Melken Runde 2
Diesmal gibt es keinerlei Zwischenfälle und wir sind mit 38 Kühen in 2,5 Stunden durch. Incl. Stallreinigen, Kälbchen füttern und Maschinen reinigen. Sepp, ein Kumpel von Hannes und der Eigentümer unserer All -in - Hütte kommt zu Besuch und wir trinken anschließend noch ein Bierchen zusammen auf Hannes Sonnenterrasse.
Der Ofen köchelt Spaghetti mit Tomatensoße und dann ist gut.

Das ist "ZILLI"

Das ist "ZILLI"

und die Murmeltiere

und die Murmeltiere

Du bist hier : Startseite Europa Österreich Und täglich grüßt das Murmeltier
Die Reise
 
Worum geht's?:
Wie ist wohl das Almleben in Tirol auf 1600m mit 64 Milchkühen? Wir werden es erfahren und ihr auch.
Details:
Aufbruch: 12.06.2013
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: September 2013
Reiseziele: Österreich
Der Autor
 
Jessica & Sven Winkler berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors