Irland im Herbst (Teil I)
Nach Galway
Wild Atlantic Way und Abstecher zum Burren
Alles gepackt, am Morgen ein knappes Frühstück und es geht gen Norden, gen Galway. Das heißt nicht in die Stadt Galway, die wir nur streifen werden sonden in den County gleichen Namens auf die Halbinsel Renvyle, wieder so ein Zipfel ganz weit draussen im Westen, am Atlantik. Wir fahren teilweise den „Wild Atlantic Way“, der sich mit vielen Verzweigungen an der Westküste bis nach Donegal hinzieht.
Früh sind wir dran aber wir müssen feststellen, dass auch andere die frühe Morgenstunde nutzen, hinter Portmagee werden Kühe von der einen Weide zur anderen getrieben...
Wir kommen hinter Cahersiveen von der Küste ab, es wird flacher, grüne von Steinwällen abgetrennte Felder und Weiden. Samstag morgens noch wenig Verkehr, wir kommen auf die Autobahn und in das Gebiet des Shannon, des größten Flusses Irlands, der bei Limmerick ins Meer fließt aber wir sehen so gut wie nichts von ihm.
Zuerst müssen wir um Limmerick herum, dann Stau, eigentlich müssen wir bald links abbiegen, aber alle Spuren sind zu. Einige Ungeduldige scheren aus, fahren rückwärts zurück zur letzten Einfahrt, andere drehen einfach um und fahren jetzt entgegen der Fahrtrichtung zurück. Wir schauen entgeistert zu. In der Schweiz darf man nicht einmal wenige Meter vor der Ausfahrt auf den Standstreifen wechseln, ohne gewaltig gebusst zu werden (ich glaube 150 Franken mussten Freunde von uns bezahlen), hier wird aus dem Links- ein improvisierter Rechtsverkehr! Dann aber geht es plötzlich weiter, ein Tunnel unterquert den Shannon (1,90 € MAUT). Weiter Richtung Galway.
Wir machen einen Abstecher über Ennis von der Autobahn weg, um in den Burren zu kommen, einem Naturschutzgebiet, eine Karstlandschaft mit brüchiger Kalkoberfläche, wo alles Wasser sofort in Dolinen versickert, einige Seen verzeichnet unsere Karte, aber wir erfahren, das diese oft nur temporär nach heftigen Regenfällen gefüllt sind, dann nach und nach versickern. Gestern hat es heftig geregnet, einen See sehen wir tatsächlich.
Zunächst aber nur grünes Weideland, dann diese karstige, lebensfeindliche Landschaft. Es beginnt zu regnen und ein kleiner Spaziergang im Burren wird gestrichen. Am Turm des Nobelpreisträger William Butler Yeats kommen wir vorbei, seiner Sommerresidenz.
Dann aber die zerfallene, riesige Klosteranlage von Kilmacuagh bei Corofin aus dem 7. bis 11. Jahrhundert, ein gewaltiger spitzer Rundturm, dazu die gut erkennbaren Reste der großen Klosterkirche, dazu rund zwölf weitere Gebäudereste. Imponierend, und mit den dunklen Wolken, den Regenschauern und dem die Klosterkirche umgebenden Friedhof fast unheimlich.
Von was lebten die Mönche in dieser kargen Burrengegend? Zwischen den Anlagen weiden Kühe, ein kleines Gehöft ist gegenüber. Antwort auf die Frage? Es regnet stärker, dann scheint wieder die Sonne. Jetzt sind wir wohl wirklich in Irland.
Eine Gruppe mit Musikern und Fotografen, darunter zwei jungen Frauen in feierlichen Trachten, kommt uns entgegen. Will man vor diesen alterwürdigen Gebäuden Fotos für eine CD machen?
Wir kommen wieder auf die Autobahn, nähern uns der Stadt Galway. Galway umfahren geht nicht, der „Ring“ besteht aus Schnellstraßen mit lauter roten Ampeln, rot immer dann, wenn wir ankommen. Mühsam erreichen wir die Bucht von Galway und stellen fest, dass wohl alle Galway-Bewohner irgendwo raus in die Einsamkeit fahren und das in großen Scharen. Wir stellen ohnehin fest, dass es jetzt in der Nachsaison reichlich innerirrischen Tourismus gibt, allerdings sind viele Autos mit dem „D“ für Dublin wohl Leihwagen und somit außeririsch. Überall dort, wo besondere Sehenswürdigkeiten sind, wird aus einer einsamen Welt plötzlich ein Brennpunkt, wir werden es später an der Kylmore-Abbey erleben.
Da wir pünktlich um 4 p.m. bei unserem Ferienhaus in Renvyle sein sollten, ersparen wir uns solche Brennpunkte, auch die „Cliffs of Moher“. Wir werden in den nächsten Tagen viele Cliffs erleben und dann kommen ja später noch die Sleave League, Europas höchste Meeresklippen.
Nach Renvyle
Wir aber nähern uns mit dem nordwestlichen County Galway dem Connemara – Gebiet, einer faszinierenden Gegend. Hohe Berge, die 12 Bens, mit runden Gipfeln, Seen, reißende Bäche, dazwischen Weideland für Schafe und Kühe. Nach den schwarzen Kerry-Rindern kommen nun die schwarzen Galway-Rinder.
Die Schafe allerdings weiden teilweise direkt an der Straße, was die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/Std. drastisch reduziert. Überhaupt: 100 beginnt oft schon vor den letzten Häusern eines Dorfes, dann aber warnen parallele Striche und die riesige Schrift „SLOW“ oder „VERY SLOW“ Aufschriften vor jeder Kurve oder vor den Schulen („CHILDREN CROSSING“). Die Schulen liegen seltsamerweise oft weit außerhalb der Ortschaften.
Gewarnt wird übrigens ständig, Baustellen werden kilometerweit vorher mit Schildern eines schaufelnden Mannes angekündigt ,dann aber ist kaum oder keine Aktivität, ein Kilometer weiter wird dann das Ende der Baustelle angekündigt. Oft fragen wir uns „war da was?“ oder hat man die Schilder einfach vergessen.
Nur eine Baustelle ist echt, eine rote Ampel lässt uns ewig warten bis der Gegenverkehr vorbei zuckelt, dann dürfen auch wir zuckeln. Realer ist die Gefahr, die die Schilder „FLOOD“ ankündigen. Nach den hier wohl noch heftigeren Regenfällen als in Kerry waren viele Straßen, die parallel zu Flüssen oder Seen verlaufen, überflutet. Wir sehen noch die Spuren, wir sehen die übervollen Flüsse, die mit dunkelbraunem, moorigem Wasser Richtung Meer stürzen. Als es dann noch einmal stark regnet, sehen wir auch, dass es von den Seitenstraßen und Wegen, den „gravel roads“ große Geröllmengen auf die Straßen gespült hat, was gerade in Kurven das Fahren nicht unbedingt erleichtert.
Mooriges Wasser, wir sind hier im Gebiet der Hochmoore, der „bogs“ , überall. Und wir sehen frisch gestochenen Torf, der zum Trocknen angehäuft wurde, obwohl das Torfstechen in Irland heute schon sehr kritisch gesehen wird.
Dann aberpünktlich 4 p.m. sind wir in Renvyle.
Renvyle ist eine Halbinsel an der Bucht, in die sich der Killary-Fjord in Richtung Meer ergießt, ganz im Westen wieder am „Wild Altlantic“. Einige Häuschen, ganz am Ende der Halbinsel der zerfallende Turm einer zerfallenen Burg.
Pünktlich sind wir. Ingrid vermutet gleich das richtige Haus aber da ist keine Mrs. W. . Sollten wir uns geirrt haben? Wir fahren noch einmal die Straße rauf und runter und rufen dann an, bekommen eine Kollegin von Mrs. W. ans Telefon, die uns erklärt „at the end of the stone-wall at the seaside“, die erste „lane“ rechts und: „the door should be open“. So ist es, Ingrid hatte gleich das richtige Haus erkannt. Tolle Aussicht auf den Fjord bzw. die Bucht. Klippen, kleine Inseln, Berge, einige der 12 Bens und ganz hinten die recht große Insel „Inishbofin“. Nach Valentia also wiederein großartiger Ausblick auf Meer und Inseln.
Gegen 8 p.m. kommt Mrs. W. angehetzt, entschuldigt sich, erklärt uns all das, was wir inzwischen ausprobiert haben, denn wir hatten schon gekocht und auch die Heizung zum Laufen gebracht. Wir erfahren, wo man Fisch kaufen kann und wo es zum nächsten Pub geht. Ferner, dass es in Cliften einen LIDL und einen ALDI gebe, die ALDI-sierung und LIDL-isierung Europas. Schon in Kalabrien hatten wir uns mit den Vermietern in Cetraro auf dem LIDL-Parkplatz getroffen.
Auch erklärt uns Mrs. W., dass jeden Morgen ein weißhaariger Mann, ihr Mann, über den Nachbarweg kommen würde, um auf dem steilen, felsigen Grundstück obenan die Ponies zu füttern. Auf die Frage, wieviele Ponies sie haben, bekommen wir die klare Antwort „too many“. Es sind 6, wie wir dann durch Nachzählen rauskriegen.
Es sind Galway-Ponies, schlanke, elegante Tiere, die aber immer in einer Vierergruppe (die weißen und die schwarzen) und einer Zweiergruppe (die braunen) getrennt auftreten. Die Galway Ponies sollen angeblich von den Araber-Pferden der von Francis Drake geschlagenen spanischen Armada abstammen, die Spanier haben damals tatsächlich vor der Westküste Irlands Schutz vor den Engländern gesucht.
Aufbruch: | 01.09.2015 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 04.10.2015 |