Uta und Hartmut in Südamerika
ueber den Wolken: Schneeberge - Cotopaxi
Nachdem der Motor wieder zusammengeschraubt war und der Jeep sogar wieder fuhr (und Juans Hautfarbe wieder von aschfahl nach normalbraun gewechselt hatte), schlugen wir eine kleine Landstrasse Richtung Sueden ein. Die uebliche Zufahrt zum Cotopaxi, dem zweithoechsten Berg Ecuadors, fuehrt zwar von Westen her zur Huette, aber Juan meinte, unser Weg sei schoener und ausserdem spare man sich etwas Autobahnmaut (die Panamericana kostet streckenweise Gebuehr).
Stimmt schon mit schoen, wir haben bis fast zur Nationalparkgrenze Kopfsteinpflaster und eine abwechslungsreiche Landschaft mit vielen Baeumen und Feldern, eingeschnittenen Bachlauefen und Hoehlen an deren Abhaengen. Auf einem grossen Fussballfeld ueben Kuehe ihre Aufstellung zur optimalen Raumdeckung ein.
Dann wird es flacher und eintoeniger. Der Paramo beginnt mit seinen Weideflaechen, und links und rechts liegen in weitem Abstand grosse Haciendas - Heimat und Arbeitsstaette der Chagras, das sind sozusagen indigene Cowboys.
Wir kommen an eine Schranke mit Haeuschen - die Nationalparkgrenze. Juan eroeffnet uns, dass hier nach 16 Uhr eventuell niemand mehr anzutreffen sei (das Schild sagt sogar 15 Uhr). Jetzt ist es wegen der Panne aber schon nach 17 Uhr...
Wir haben jedoch doppelt Glueck, denn ein Nationalparkangestellter ist doch noch zugegen, und obwohl er es eigentlich nicht darf, laesst er uns passieren - Juan meint: "ein Freund". Wir beide haben jedenfalls nicht mehr als angeschriebenen 10 USD Parkgebuehr gezahlt...
Nun geht es auf einer ausgewaschenen Piste ueber grosszuegige weite Huegellandschaft stetig bergan. Unsere "vulkanisch geschulten Geologenaugen" (Galapagos !) erkennen darin sofort die Folgen juengerer vulkanischen Aktivitaet. Den grossen Verursacher kann man wegen der tiefen Wolkenbasis natuerlich nicht sehen, aber schon der Abstand zwischen dem unteren Teil der linken Flanke und dem unteren Teil der rechten Flanke laesst erahnen, was fuer einen freistehenden Giganten wir vor uns haben.
trotz Weitwinkel bekomme ich nicht beide Flanken gleichzeitig ins Bild
Juan ist dagegen kopfschuettelnd fasziniert davon, wie tief hinunter der frische Schnee reicht. Das wiederum ist fuer uns gar keine gute Nachricht, hat uns doch schon am Cayambe der Neuschnee heftig gebremst.
Die Piste wird steiler und bringt uns in mehreren Serpentinen bis auf 4500m zum "Parkplatz". Juan muss lachen, denn nur zwei 4WD stehen auf der grossen Schraege. So wenig hat er hier noch nie gesehen...
Wir lassen uns aber schon lange nicht mehr bange machen und weils draussen schneeregnet, ziehen wir uns alle 3 ganz "bergsteigerisch"-akrobatisch im Auto um und zuckeln mit grossen Packs los Richtung Huette, die nur 300Hm weiter oben im Nebel liegt. Da uns noch drei Leute entgegenkommen, erwarten wir eine quasi leere Huette und treffen tatsaechlich nur zwei Handvoll Gestalten im Halbdunkel an.
Wir gehen zuegig ans kochen (die unvermeidlichen Spaghetti) und trinken soviel Tee wie moeglich. Dann suchen wir uns im oberen Stock drei Schlafplaetze aus und legen uns fuer 4 Stunden hin. Laut Juan soll es um Mitternacht losgehen. Als er uns um 1 Uhr weckt (warum haben wir uns nicht selbst den Wecker gestellt ?), sind die anderen Guides schon hoerbar am diskutieren, denn es hat noch fleissig weitergeschneit, und die Stimmung steht auf "es ist nicht moeglich" (aber bangemachen gilt ja nicht).
Wir ziehen uns also an und fruehstuecken. Die anderen Guides sind mit ihren Kunden wohl sofort (ohne Fruehstueck !?!) aufgebrochen.
Ungefaehr um 2 Uhr sind wir unterwegs, die Jackentaschen vollgestopft mit allem, was beim Laufen greifbar sein muss:
- Unterhandschuhe
- Lutschbonbons gegen trockenen Reizhusten
- Muesliriegel
- Klopapier
- Lippenstift und Sonnencreme (brauchen wir spaeter bestimmt ! )
Nach ca. 1 Stunde Neuschneestapfen treffen wir die anderen am Gletscherrand. Die Guides gehen abwechselnd alleine weiter, sondieren die Lage und kommen zurueck - ihr Urteil: der neue Schnee auf dem Gletscher ist fuers Weitergehen zu gefaehrlich. Mir faellt auf, dass ausser uns niemand Rucksaecke dabei hat. Und so ist denn auch kein Wunder, dass die drei anderen Gruppen wieder zur Huette zurueckkehren.
Auch Juan hat den Gletscherhang untersucht und kommt zu uns zurueck. Er sagt "it is possible to go a little bit further, I can open the route a few hundred more meters". Also los. Tatsaechlich kommt uns beiden der Schnee nicht so kritisch vor - die homogene Neuschneeschicht von max. 20cm Dicke hat sich bei warmen Temperaturen spuerbar mit der Basis darunter verbunden... Und so "ueberreden" wir Juan zum Weitergehen, als er wenig spaeter meint, nun wuerde es zu gefaehrlich, weil steiler. Irgendwie habe ich ihn hier nicht verstanden, denn der Hang wurde nicht spuerbar steiler, lediglich die Route schwenkte in Richtung Falllinie...
Weiter unten sehen wir noch zwei kleine helle Punkte. Ein Zweiergrueppchen folgt uns also, ansonsten tiefe Nacht.
Stapfen, stapfen stapfen im tiefer werdenden Schnee. Immerhin ist es Pappschnee, der haelt, sodass man nicht nach jedem muehsamen Schritt wieder die Haelfte zurueckrutscht... Juan muss merklich schnaufen, mag mir aber das Seil nicht geben. Schliesslich darf ich wenigstens spuren. Kann ja sein, dass sowas gegen die Ehre eines Andinistenguides geht, aber so fit, wie ich mich heute fuehle, waere es doch doof, hinter dem fuer seine Verhaeltnisse angestrengten Juan herzuzotteln. Ich finde jedenfalls nicht dabei, den Berg als Teamanstrengung zu erklimmen, auch wenn wir Juan als Fuehrer bezahlen.
Als ich bemerke, wie schwach mein Lichtschein vor mir im Schnee ist, benoetige ich ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass es an der Morgendaemmerung liegt. Ich schaue mich um - nicht wolkenfrei, aber ziemlich - wir sind zum ersten mal ueber den Wolken ! Es ist ein fantastisches Gefuehl, so weit oben auf einem freistehenden grossen Berg unterwegs zu sein - nochmal ein kleiner Schub fuer die Kraefte.
Wir umgehen eine Spalte und queren eine Zweite, die jedoch so gross ist, dass wir uns anseilen und zusaetzlich auf der Bergseite einen Fixpunkt bauen.
Einige Zeit spaeter entscheidet er auf 5400m: Umkehr ! Wir beide fuehlen uns wohl mit dieser Entscheidung, denn wir sind zu spaet dran. Wuerden wir weitergehen, waeren wir nicht rechtzeitig wieder unten, um den unteren ersten grossen Gletscherhang verlassen zu haben, bevor der Schnee dort gefaehrlich warm und schwer wuerde.
Schade !
So knipse ich noch ein bischen herum,
wundere mich ueber den mangelhaften Autofokus der Kamera, und irgendwann zwischen 8 und 9 Uhr morgens sind wir zurueck an der Huette. Die ueblichen Rituale: alle wissen, dass wir nicht oben gewesen sein koennen in der Zeit, man nickt sich zu, gruesst, ist muede, die Lampen, die uns am weitesten gefolgt und dann umgekehrt sind, fragen, wie weit wir gekommen seien (nein nicht die Lampen sondern die Muender darunter...).
Ein bischen traurig holen wir Schlafsack und Co. aus unserem Kabuff (abschliesbar, wenn man ein Vorhaengeschloss mitbringt), packen und trotten zum Auto hinab. Obwohl wieder Schneefall eingesetzt hat, wechseln wir die Klamotten tapfer ausserhalb des Wagens.
Auf knapp 4000m Hoehe begegnen wir Anita (wir kennen Sie aus dem Cafe Montana) und ihrem Guide auf dem MTB ! Als Schweizerin hat sie natuerlich ein sehr sportliches Akklimatisationsprogramm.
Wie ueblich wird Juan als Fahrer mit Suessigkeiten und diesmal auch mit Cola versorgt, denn er darf nicht wie wir auf dem Weg nach Quito einschlafen !
Aufbruch: | 19.11.2005 |
Dauer: | 12 Wochen |
Heimkehr: | 12.02.2006 |
Bolivien
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