Ostwärts - immer ostwärts
Russland - jetzt geht's los
St. Petersburg
So eine Grenzkontrolle sind wir in Europa ja schon fast gar nicht mehr gewohnt. So richtig mit warten und warten und weitergehen und warten... und dann, obwohl alles klar ist, doch die Anspannung, ob das Visum denn auch akzeptiert wird. Letztlich war die Einreise aber denkbar unspektakulär und so saßen wir 20 Minuten nach Verlassen der Fähre schon im Shuttlebus ins Stadtzentrum von St. Petersburg.
Unser Hotel lag in einem Innenhof, direkt am ehrwürdigen Nevsky Prospekt. Das klingt schon so schön russisch. So nach Volkspartei und pathetischen Sowiethymnen. Am ersten Abend gingen wir in einer klassischen Kantine essen. Die sind ein bisschen so aufgebaut wie unsere Mensen und es gibt praktisch alles von Suppen über Kuchen und Pasteten bis Fleischklöschen. Und hier zu essen fühlte sich irgendwie gut an. Vielleicht weil es einfach so urtypisch russisch wirkte oder weil wir uns hier irgendwie wie echte Backpacker fühlten. Das Gefängnishotel in Stockholm war einfach zu schick dafür. We're getting there! Spoiler: Moskau sollte der nächste Schritt in Sachen Backpacking Feeling werden.
Wenn St. Petersburg eines ist, dann ist das einheitlich. Positiv gesagt. Negativ gesagt, ist es langweilig gleichförmig. Grund dafür sind die Zaren, bzw. Kaiser Peter der Große und Katharina die Große. Nicht nur hatten die beiden Guten den gleichen historischen Beinamen, sondern auch den gleichen Größenwahn und so ordnete Katharina an, dass kein Gebäude in Saint P höher als 22,70m sein durfte, weil ihre Hütte, der berühmte Winterpalast 22,80m hoch war. Aber sonst hatte sie keine Probleme. Und da St. Petersburg den Zerstörungswahn der Kommunisten weitestgehend unbeschadet überstand, da die Hauptstadt bereits in den 1920er Jahren zurück nach Moskau verlegt wurde, sieht es hier heute größtenteils noch immer so aus wie anno dazumal. Das klingt jetzt natürlich sehr negativ, tatsächlich aber hatten wir vier wirklich schöne Tage in Russlands Tor zum Westen.
Leider erhärtete sich meine obligatorische Reiseerkältung, die ich mir in Stockholm zugezogen hatte weiter, sodass wir die zwei Tage nach der Ankunft nicht so wahnsinnig viel unternehmen konnten. Zumindest taten wir uns wieder ein wenig Kultur an und nahmen an unserer hiermit dritten Stadtführung für diese Reise teil. Leider war diese auch die mit Abstand schwächste. Viel Jahreszahlen, viel Zarengeschichte.
Überhaupt setzte bei uns so langsam eine gewisse Großstadtmüdigkeit ein. Nach Berlin, Kopenhagen, Göteborg, Stockholm, Helsinki und St. Petersburg hatten wir so langsam, den Drang mal für ein paar Tage herauszukommen. Doch da mussten wir uns noch ein bisschen gedulden.
Tatsächlich gibt es in St. Petersburg aber tagsüber kaum etwas anderes zu tun, als schöne alte Gebäude von innen und von außen zu bestaunen. Also nahmen wir es am dritten Tag mit dem Endgegner dieser Kategorie auf: dem Winterpalast (bzw. der Eremitage). Das absolute Herzstück St. Petersburgs befindet sich direkt im Zentum und mutet ein bisschen an, wie Versailles auf Russisch - Versaillskaya oder so. Jedenfalls ist hier alles Gold was glänzt und man bekommt eine gute Vorstellung davon, was die Bolschewiki im Oktober 1917 so auf die Palme gebracht hat. Sehr beeindruckend zu sehen. Wer St. Petersburg besucht, muss hier vorbeischauen.
Für den Abend waren wir noch mit meine Freundin Yana verabredet, die in St. Petersburg wohnt und, die ich seit meiner Zeit in Finnland kenne. Wir gingen zusammen essen und tranken danach das ein oder andere Kaltgetränk zu viel. Super schöner Abend, aber das machte meinem angeschlagenen Körper für den letzten Tag in der Stadt an der Ostsee endgültig den Garaus, sodass wir den gesamten Sonntag im Bett verbrachten.
Einigermaßen wiederhergestellt ging es am Montag dann mit der Bahn nach Moskau weiter. Wor hatten uns erst einen Tag zubor um ein Ticket gekümmert, weshalb uns nichts übrig blieb, als den langsamen 8 1/2 Stunden Zug in der 3. Klasse zu buchen. Halb so wild, die anderen Fahrten quer durch Russland hatten wir zum Glück schon vor Wochen gebucht.
Der Zug nimmt in Russland eine ganz besondere Stellung ein und verbindet nahe Städte ebenso wie weit entlegene Winkel des Landes. Aus diesem Grund sind die meisten Plätze auch Schlafkojen, die tagsüber als Sitzbänke fungieren. In der 1. Klasse hat man ein Abteil zu zweit, in der 2. Klasse ist man zu viert und in der 3. Klasse ist der gesamte Waggon mit offenen Schlafnischen durchzogen, die immer aus zwei Betten am Gang und vier Betten in der Nische bestehen.
Da unsere Fahrt "nur" 8 1/2 Stunden dauerte, ließ sich das ganz gut aushalten. Eine längere Fahrt könnten wir uns auf diese Weise aber wirklich nicht vorstellen. Für viele scheint, aber der Preis das entscheidende Kriterium zu sein: Eine Fahrt von Moskau bis Irkutsk (insgesamt rund 4.500km) mit drei Unterbrechungen kostet 80€. Wir zahlten von St. Petersburg nach Moskau 20€ pP. Gegen 22:30 Uhr am Abend erreichten wir das Ziel unserer Fahrt: Moskau.
Die Kojen sind ziemlich kurz und recht schmal, aber besser als die ganze Nacht zu sitzen, ist es allemal.
Moskau
Nach allem, was wir gehört hatten, sollte Moskau sich stark von St. Petersburg unterscheiden. Weniger historisch zaristisch, mehr brutaler Kommunisten-Pomp aus stalinistischer Zeit. Vier Tage danach können wir den Eindruck nur bedingt bestätigen. Tatsächlich hat uns Moskau aus mehreren Gründen deutlich besser gefallen als St. Petersburg.
Was stimmt ist, dass in Moskau wenig auf die Zeit vor Lenin und Konsorten hindeutet. Das was in St. Petersburg beinahe zur Gänze erhalten geblieben ist, musste in Moskau weichen. Sicherlich sah die Stadt einmal sehr kommunistisch aus, mit breiten Straßen, hohen Blockbauten in verklärter antiker Optik, doch davon ist zumindest im Stadtzentrum nicht mehr viel zu sehen. In Moskau wird auf den ersten Blick deutlich: das junge, gebildete Russland orientiert sich nach Westen, und zwar massiv. Alles was neu und schick ist, könnte so auch in Berlin, Paris oder New York stehen. Restaurants, Parks, ganze Straßenzüge. Moskau öffnet sich nach Westen. Das ist im Stadtbild 30 Jahre nach Fall des Eisernen Vorhangs nicht mehr zu übersehen.
Geht man ein wenig aus dem Stadtzentrum heraus, fallen einem schon noch hie und da Überbleibsel vergangener Tage auf - wie die Universität, die mehr wie das KGB-Hauptquartier aussieht, oder das VDNCH, eine Art Vergnügungspark mit Museen und Ausstellungen aus lang vergangener Zeit, in dem man den Geist der Sowjetunion noch gut nachvollziehen kann. Überhaupt: Wenn man etwas von außen typisch russisches vorgehalten bekommt, dann hat das fast immer Sowjetbezug. Der Umgang mit der eigenen Vergangenheit heute scheint mir überaus zwiespältig. Man hält die eigene Geschichte hoch und demonstriert Stolz doch ganz offen werden die "schwierigen" Jahre nach dem Krieg nicht angesprochen. Besser nicht drüber reden. Andere Länder, andere Sitten. Als Deutschen kommt einem das mit Blick auf unsere eigene Geschichte und den Umgang, den wir damit Pflegen, zuweilen befremdlich vor. Aber wir sind ja in erster Linie nicht zum politischen Diskurs hier her gekommen, sondern um neue Länder und spannende Eindrücke zu gewinnen. Und das gelingt hier ganz bestimmt!
Wir klappern also die weltbekannten Highlights Moskau ab - den Rotenplatz, den Kreml, die Basilius-Kathedrale sogar von innen und lassen uns einfach ein bisschen von der Stadt mitreißen.
Ein Ort, der uns besonders gefallen hat, ist der niegel nagel neue Sarjadje-Park direkt im Zentrum. Der Park ist eine Art künstlerische Landschafts-Simulation mit Naturelementen aus allen Vegetationszonen Russlands. Gleichzeitig kommt hier dezente Musik aus Lautsprechern, wodurch man sich mitten in der Stadt ein bisschen wie auf einer anderen Welt fühlt. Wenn dann noch der Sonnenuntergang so mitspielt wie bei uns, dann ist einfach alles perfekt.
Hier in Moskau hatten wir wirklich ein gutes Händchen mit der Wahl der Unterkunft, denn unser Hostel lag nicht nur sehr günstig in Laufdistanz zum Stadtzentrum, sondern war auch Schmelztiegel und Sammelpunkt für internationale Traveler auf dem Weg von West nach Ost oder anders herum. Und hier merkten wir erst, wie gut das tut, sich ab und zu mal auszutauschen und einfach festzustellen, dass man nicht alleine ist, mit einem solchen Unterfangen. Und auch das man bei weitem nicht der Verrückteste ist. Wir lernten zwei Neuseeländer kennen, die gerade auf dem Rückfahrt einer sogenannten Mongol-Rally waren - mit einem Kleinwagen mit max. 1,2 Liter Hubraum von London nach Ulan-Bator und zurück. Route dabei egal, Zeit auch, nur Ankommen ist das Ziel, und das mit 350 Teilnehmem Fahrzeugen. In dieser Gesellschaft kommt einem unsere Tour ja geradezu konservativ vor.
Auch in dem Hostel lernten wir einen Russen namens Valentin kennen, der sehr gutes Englisch sprach und uns anbot morgen zusammen mit ihm die Teile der Stadt, die ein wenig abseits der Touristenpfade liegen. Natürlich sagten wir zu und so verbrachten wir den darauffolgenden Tag zwischen Moskauer Uni, Gorki-Park und einfach in der Straßen der riesigen Stadt.
So, jetzt kann's aber endlich los gehen: die erste Etappe der Transsib kann kommen und zwar von Moskau nach Kasan!
Aufbruch: | 04.09.2019 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 22.03.2020 |
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