Ostwärts - immer ostwärts
Mongolei - eine andere Welt
Ulaanbaatar
Ziemlich genau 24 Stunden dauerte die Fahrt von Irkutsk in die mongolische Hauptstadt Ulaanbaatar. Auf der Fahrt lernten wir Rinze kennen, einen netten Holländer, mit dem wir die nächsten zwei bis drei Wochen zusammen reisen sollten.
Am frühen Morgen bei - 13°C am Bahnhof angekommen, wurden wir von einem Shuttleservice zu unserer Unterkunft gebracht. Wie geht es jetzt weiter? Das hatten wir uns die ganze Zeit gefragt. Wir hatten gehört, dass man sich in der Mongolei am besten mit mehreren Leuten zusammentut und gemeinsam einen Tourguide ausfindig macht, der einem dann für ein paar Tage das Land zeigt. Aber wie funktioniert das? Und was ist, wenn wir niemanden finden?
Doch es sollte sich alles schnell zum Guten wenden. Und wie! Innerhalb von rund drei Stunden nach unserer Ankunft in Ulaanbaatar hatten wir eine sechsköpfige Gruppe - 3x Deutschland, 1x Holland, 1x USA und 1x Wales - beisammen. Unser Tourguide Oggy (eigentlich Achta, was aber unmöglich für Nicht-Mongolen auszusprechen ist) schlug uns zwei Touren vor, von denen wir uns für eine entschieden, und schon war die Sache eingetütet. Morgen früh 9 Uhr geht's los: sechs Tage mongolische Steppe. Wow, das ging schnell. Was für ein Glück, dachten wir uns da schon, aber was für ein Glück wir mit unserer zusammengewürfelten Gruppe und in diesem wundervollen Land noch haben würden, konnten wir da noch gar nicht ahnen.
Die Tourkosten von rund 270€ pP. mussten wir bar beschaffen. Eigentlich mein Ding, allerdings beträgt der Wechselkurs etwa 1€ zu 3.000 Mongolische Tugrik, wobei der größte Schein (!) 20.000 Tugrik sind. Den unfassbaren Batzen Bargeld, den der Automat ausspuckte, kann man sich also vorstellen.
Kurz zu Ulaanbaatar: Die Stadt wird oft als luftvergifteter Moloch bezeichnet und dem muss ich mich leider anschließen. Ein Tag reicht voll und ganz aus. Rieke und ich gingen am Abend zum ersten Mal in unserem Leben Hot Pot essen. Das war ziemlich genial. Ansonsten gilt: So schnell wie möglich raus aus der Stadt und ab in die richtige Mongolei.
Die Mongolische Steppe
Am Morgen des nächsten Tages ging es dann auch schon los. Mit einem zwanzig Jahre alten Sowjetbulli, unserem Fahrer Tinge, unserem Guide Oggy und unserer sechsköpfigen Gruppe. Der Bus verfügte zwar nicht über Gurte, war dafür aber an Wänden und Decke gepolstert. Das muss an Sicherheit reichen.
Wir verließen die Hauptstadt über eine der wenigen asphaltierten Straßen des Landes und gelangten nach etwa zwei Stunden zu einem Nationalpark, in dem (wieder) einige der seltenen Przewalski Wildpferde leben. Die Pferde bewegen sich hier auf einem riesigen Areal vollkommen frei und man muss sie erst finden. Bereits hier konnten wir uns allerdings von den beeindruckenden Outdoorskills unseres Guides überzeugen. Den Pferden durften wir uns bis auf rund 300 Metern nähern. Wie es der Zufall so will, befanden sich auf dem gleichen Hügel, den wir zum Begucken der Pferde heraufgeklettert waren, auch noch ein gutes Dutzend gewaltiger Hirsche. Diese sind jedoch wohl zu der Jahreszeit bei genauem Hinsehen ständig und überall zu sehen und besonders zu hören (#brünftigemännchensindüberallgleich).
Zu den Indiana-Jones-gleichen Alleskönner Eigenschaften unseres Guides ist zu sagen, dass der Gute die ersten 17 Lebensjahre in einer Jurte lebend in der Natur verbracht hat und das, wenn er nicht grade als Tourguide arbeitet, auch heute noch tut. Heute ist er 22. Kein Alter eigentlich, aber seine englische Sprachkenntnis, sein Wissen über die Mongolei und seine wie selbstverständlich angewandten Alleskönner Skills sollten uns noch so manches Mal überraschen.
Am frühen Abend fuhren wir zu unserer ersten Unterkunft bei einer Nomadenfamilie. Der Ort war unfassbar idyllisch gelegen im Windschatten eines großen Felsens umgeben von mehr oder weniger frei herumgrasenden Schafen, Pferden und Rindern. Hier hatten wir glaube ich alle das erste Mal das Gefühl, etwas ganz Besonderes auf dieser Tour zu erleben. Bei den Nomadenfamilien hatten wir immer unsere eigenen Jurten, die mit Betten und einem Kamin ausgestattet waren. Das Gir (mongolisch für Jurte) der Gastgeber ist auch mit kaum mehr Mobiliar ausgestattet. Hier kommt höchstens noch eine kleine Kommode, ein Tischchen und ein Kühlschrank hinzu. Den Strom für den Kühlschrank produzieren die Nomaden mithilfe eines Solarmoduls selbst. Viel mehr Ramsch ist nicht. Wenn man bedenkt, dass die Familien zwei bis vier Mal im Jahr mit all ihren Habseligkeiten und ihren Tieren den Standort wechseln und teilweise weite Strecken zurücklege, versteht man, warum jedes Gramm zu viel vermieden werden soll. Vor dem Schlafengehen wurden wir noch mit Yakjogurt aus der eigenen Produktion versorgt. Der schmeckt etwas prickelig auf der Zunge, ist aber mit Zucker gar nicht mal so schlecht.
Am zweiten Tag kamen wir alle etwas gerädert aus den Betten, denn in der Nacht war es ziemlich kalt geworden. Auf -15 Grad viel das Thermometer eigentlich in jeder Nacht und die Jurten mit ihren simplen gusseisernen Holzöfen konnten die Kälte nicht die ganze Nacht draußen halten. Als wir aufgetaut waren, ging es los zur "Mini-Gobi" einer kleinen Sandwüste, welche der Landschaft in der Wüste Gobi sehr ähnlich sein soll. Auch wenn ich sonst ein großer Fan des Individualreisens bin, muss ich zugeben, dass wir viele Erfahrungen, die wir dank unseres Tourguides machen konnten, alleine wahrscheinlich nie so erlebt hätten. Entweder weil man in der total wilden Weite der Mongolei überhaupt nicht auf die Orte gestoßen wäre oder weil die Sprachbarriere einem den Riegel vorgeschoben hätte.
Nach dem kurzen Intermezzo in der Wüste ging es weiter nach Karakorum, der alten Hauptstadt und Sitz des ewigen Dschingis Khan. Leider ist von der historischen Stadt heute so gut wie nichts mehr übrig. Einzig das buddhistische Kloster hat den Zerstörungswahn erst der Chinesen im 16. Jahrhundert und dann den der Kommunisten im 20. Jahrhundert überstanden. Hier bekamen wir eine kurze Führung durch die zentralen Tempelanlagen. Ich persönlich wusste nach der Besichtigung etwa genauso viel über den Buddhismus wie vorher, was aber nicht daran lag, dass wir keine Infos erhalten hätten, sondern weil das gesamte Verständnis von Religion hier absolut nichts mit unseren Vorstellungen und Denkweisen zutun hat. Aber toll war es schon, an dem Ort gewesen zu sein, der im 13. da Zentrum des größten Reiches der Menschheitsgeschichte gebildet hat.
Nach einem leckeren Mittagessen, das Mr. Do-it-all für uns zubereitet hatte, ging es auf eine lange holprigen Fahrt über ca. 70km offroad. Hier zahlte sich die Posterung der Wände UND der Decke des Bullis aus! Unser Fahrer war ein echter Teufelskerl. Mit bis zu 80km/h ballerten wir nur so über Wege, die unsereins vielleicht im schnelleren Schritttempo befahren würde. Als wir bei unserer zweiten Übernachtung ankamen, waren wir alle gehörig durchgeschüttelt. Da hilft nur fermentierte Pferdemilch. Rieke und ich bekamen hier sogar unsere eigene Jurte, da wir das einzige Pärchen waren, was zwar für mehr Privatsphäre, aber auch für deutlich mehr Kalt sorgte.
Die Landschaft, in der unsere Unterkunft lag, war dieses Mal sogar noch spektakulärer in einem weiten Tal auf rund 2.000 Metern gelegen. Überhaupt fällt es mir äußerst schwer die grandiose Szenerie zu beschreiben, in der wir während der sechs Tage auf Tour ein unfassbares Erlebnis nach dem anderen gemacht haben. Ich hoffe, die Bilder können das ein wenig besser herüberbringen. Die Mongolei kann man einfach nicht beschreiben. Sie ist zu wunderbar.
Tag drei hatte einen Ausritt mit den Mongolischen Pferden unserer Gastgeber auf dem Programm. Außer Rieke und Teresa, der Amerikanerin im Bunde, waren wir alle blutige Anfänger, was das Reiten betrifft. Entsprechend gespannt war ich, was das wohl geben würde. Doch erneut war die Sorge komplett unbegründet: die Pferde reagierten auf jeden Befehl und jede Bewegung. Da hatte jemand ganze Arbeit geleistet. Der Ausritt war eine tolle Erfahrung. In dem Moment war einfach alles perfekt. Endlich raus aus den Städten und frische Luft atmen in einer menschenleeren Natur.
Wir rasteten an einem wunderschönen Wasserfall - mit ca. 25 Metern dem höchsten der Mongolei - und ritten anschließend in höherem Tempo mit Trab- und sogar Galoppeinheiten zurück zu den Jurten. Das war mega! Ich weiß, ich überschlage mich in diesem Kapitel mit Superlativen, aber das ist einfach, was wir alle während der Wochen in der Mongolei empfanden.
Von unserer Unterkunft unternahmen wir vor dem Abendessen noch einen kurzen Spaziergang auf den Berg nebenan, bis wir von einem nervösen Adler verscheucht wurden. Klingt verrückt, war es auch. Einfach mal kurz noch dem König der Lüfte Guten Tag gesagt. Oh Mongolei, oh Mongolei.
Aber das war es noch lange nicht mit den Tierstories. Nein, nein. Denn wer Pferde reitet und Schafe isst, muss auch Yaks melken, ist doch klar. Also nichts wie ran an die Zitze. Aber so wirklich wollte das nicht klappen. Wenn unsere Gastgeberin Hand anlegte kam da deutlich mehr raus.
Weiter ging es am Morgen des vierten Tages die 70 Kilometer offroad zurück auf die Hauptstraße und zurück zur Unterkunft der ersten Nacht in Winnetous Backyard. Da kam mal eine richtig touristische Nummer dran: Kamele reiten. Es ist nicht so, als würde das die Mongolen nicht auch selber machen. Das Kamel wird hier hauptsächlich dafür benötigt, um die Jurten und das ganze Geraffel beim mehrfach im Jahr anstehenden Umzug zu bewegen. Die Viecher können bis zu 400kg tragen. Doch was sie an Stärke ausmacht, gleichen wie durch ihre Langweiligkeit wieder aus. Klar, Kamelreiten ist eine Erfahrung, aber auch nicht mehr. Die 45 Minuten, die wir auf den Rücken der Wüstenschiffe verbrachten reichten dicke.
Eines der absoluten Highlights der Tour wartete aber ganz unverhofft am Abend auf uns. Die Gastgeber hatten nämlich ein besonderes Fest zu feiern: die Einweihung einer neuen Jurte für ihren Sohn und seine Frau. Das wird nach mongolischem Brauch für drei Tage begossen. Und zwar von früh-bis-spät. Und wir waren eingeladen! Wir gingen also in die besagte neue Jurte und mischten uns unter die anderen Gäste. Und los ging es: Man bekam immer etwas zu essen oder zu trinken in die Hand gedrückt. Egal ob gezuckerten Käse, Wurst oder Gurken, alles wurde mit reichlich fermentierter Pferdemilch oder besonders mit Vodka heruntergespült. In der Mitte saß der Gastgeber, dessen einzige Aufgabe es ist, die Gäste zu bedienen. Ablehnen: nur im Ausnahmefall. Eigentlich scheint es zum guten Ton zu gehören, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen. Ganz so weit wollten wir es aber nicht kommen, sodass wir uns nach einigen weiteren Shots und einem vorgetragenen Ständchen in unsere eigene Jurte verzogen. Was für eine Erfahrung! Das steht sicher nicht auf dem Tourplan vieler Touristengruppen. Eine echte Ehre das erlebt zu haben.
Tag fünf bestand hauptsächlich aus Fahren. Wir bewegten uns wieder zurück in Richtung Ulaanbaatar, wo wir Hendrick, den Jungspund unserer Bande herauswarfen, weil er aus Zeitgründen zum Zug in Richtung Russland musste. Für die letzte Station fuhren wir an der Hauptstadt vorbei in den Terelj Nationalpark. Hier sah es ganz anders aus, als wir das aus den letzten Tagen gewohnt waren. Mehr Bäume und weniger Steppe, die Luft war viel feuchter. Begrüßt wurden wir von vier zuckersüßen Hundewelpen. Die Mongolei wollte eindeutig angeben mit den vielen verschiedenen Tieren, die man hier findet.
Am letzten Tag der Tour besuchten wir die Heimatregion unseres Guides. Nachdem wir mit einem Ochsenkarren gefahren und ein wenig auf einem Felsen namens Turtle Rock herumgekrachselt waren, ging es zu einem buddhistischen Gebetstempel, der malerischer nicht hätte gelegen sein können. Mitten in den Bergen überblickte man von hier ein ganzes Tal. Die kulturelle und spirituelle Nähe der Mongolen zu Tibet wurde einem hier besonders deutlich.
Als vorletzte Station statteten wir noch der gigantischen Dschingis Khan Statue einen Besuch ab. Die ist zwar imposant, aber in meinen Augen nicht wirklich schön. Jedenfalls würde man bei uns seinem Nationalhelden zu Ehren sicherlich keine 40 Meter hohe verchromte Edelstahl Figur widmen.
Zum Abschluss wurden wir noch zu Oggy nach Hause eingeladen, wo seine Frau für uns gekocht hatte. Eine weitere sehr schöne Erfahrung.
Diese sechs Tage in der Mongolei waren ein Erlebnis, dass wir so nicht erwartet hatten. Die absolute Andersartigkeit des Lebens hier, hat mich sehr überrascht und tief beeindruckt. Wie es das drei Millionen Einwohner zählende Land geschafft hat, in den letzten Jahrzehnten bis Jahrhunderten seinen ganz eigenen Lebensstil beizubehalten, ohne zwischen China und Russland zerrieben zu werden, ist mir schleierhaft.
Einen Besuch in der Mongolei kann ich nur jedem Empfehlen. Wegen der vielen einprägsamen Eindrücke, die man hier gewinnt, aber auch, weil man zwischen Plumpsklo, Pferdemilch und Holzofen daran erinnert wird, wie unglaublich luxuriös wir (zum Glück!) unser Leben leben.
Aufbruch: | 04.09.2019 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 22.03.2020 |
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