Zu Gast bei Gadhafi - eine Fahrt durch die libysche Sahara

Reisezeit: Februar / März 2004  |  von Angelika Gutsche

Von der Küste bis Nalut

Bald nach der Grenze erreichen wir den Ort Zuara. Wir versorgen uns mit Brot und Obst und da der Regen wieder heftiger geworden ist, kommen wir von den Einkäufen patsch nass zurück. Die Küstenstraße müssen wir hier verlassen und nach rechts abbiegen. Ab jetzt geht es immer Richtung Süden!
Drei Kilometer Küstenstreifen sind schnell durchquert, dann folgt der fünfzig Kilometer breite Steppenstreifen und dann noch mal fünfzig Kilometer Vorwüstenstreifen, bevor die Vollwüste erreicht wird. Steppe? Vorwüste? Vollwüste? Alles steht unter Wasser! Die Teerstraße führt an Strommasten entlang durch große, von Grasbüscheln durchsetzte Sandebenen, auf die der Regen peitscht. Weit und breit keine Unterschlupfmöglichkeit für die Nacht. Wir können nicht einmal von der Straße weg in den Sand fahren, weil unsere Autos unmittelbar im Schlamm versinken würden. Auch Muhamat und Djima wiegen bedenklich den Kopf. Der Regen geht in Sturm über und langsam fängt es an zu Dunkeln.

Unsere Autos

Unsere Autos

Endlich tauchen rechter Hand drei unfertig und verlassen wirkende Häuser auf, zu denen ein kleines Sträßchen führt. Es bleibt keine Wahl. Wir brauchen für die Nacht eine Bleibe.
Als wir uns den Gebäuden nähern, streckt ein junger, schwarzer Mann seinen Kopf aus der Türöffnung und betrachtet neugierig unsere Ankunft. Der Platz hier ist also nicht verlassen. Muhamat und Djima übernehmen die Begrüßung und erklären die Situation. Sogleich werden wir freundlich ins Innere des Raumes gebeten. Drei Männer sitzen um ein kleines, offenes Feuerchen in der Raummiete und kochen Tee. Sie rücken zusammen und bieten uns Platz an. Es sind Kamelhirten, Emigranten aus Schwarzafrika. Sie erzählen, dies sei ein Sammelplatz für Kamelherden, denn es gäbe hier einen Brunnen mit elektrischer Pumpe.
Die drei Häuser sind grob aufgemörtelt, befinden sich in einer Art Rohbau. Die Türen und Fenster bestehen nur aus Öffnungen, die Fußböden sind versandet. Außerhalb sind große Haufen Stacheldraht gelagert, für Weide-Umzäunungen. Das Ganze wirkt bei diesem nass-kalten Wetter sehr trostlos. Wir sind trotzdem erleichtert, dass wir bleiben können und schlagen in einem der leerstehenden Häuser unsere Zelte auf. Wichtl ist so durchfroren, dass er sich vor Steifheit kaum noch bewegen kann. Die Campingküche installieren wir in einer Ecke des Raumes, in dem die Hirten an ihrem Feuerchen sitzen. Sie bieten uns heißen Tee in kleinen Gläsern und Nudeln mit Tomatensauce und Thunfisch an. Wir probieren vom Gemeinschaftslöffel. Ich koche auch Spaghetti mit Tomatensauce, während Temo, der die Crew des Blauen bekocht, heute auf Fertig-Thai-Suppe setzt. Bald sitzen wir alle um das wärmende Feuerchen, lassen uns Suppe und Spaghetti schmecken und sind dankbar für das trockene Plätzchen. Unsere Gastgeber streuen duftendes Harz, vielleicht Myrrhe, ins Feuer. Wir bieten Kuchen an und trinken unauffällig ein bisschen Rotwein aus Kaffeebechern. Man rückt zusammen. Es ist gemütlich. Draußen tobt noch immer der Sturm.

Hier fanden wir für eine Nacht Unterschlupf

Hier fanden wir für eine Nacht Unterschlupf

Der Rest der Nacht wird weniger gemütlich. Der Wind pfeift durch die nicht vorhandenen Türen und Fenster und rüttelt an den Zelten. Morgens zeigt das Thermometer nur 5°C, ein kalter Wind bläst, aber der Regen hat aufgehört und es scheint die Sonne. Wir brechen Richtung Nalut auf.
Die Teerstraße schraubt sich in Serpentinen hoch auf das Plateau hinauf. Wir sind in Nalut angekommen. Ein wahrer Bauboom hat diese Stadt erfasst. An der Tankstelle führt man Gespräche über den Kauf von dringend gebrauchten Lkws. Nach dem Fall des Handelsembargos ist Gütertransport angesagt. Das darf auch Deutschland freuen, immerhin nach Italien der zweit wichtigste Handelspartner Libyens. Den wirklich sehenswerten alten Ksar von Nalut mit seinen Wohnungen und Speichern besuchen wir nicht noch einmal, wir kennen ihn schon. Eigentlich müssten hier in Nalut nochmals unsere Pässe abgestempelt werden, aber die Polizeistation hat zu. Die Beamten sind wohl in der Mittagspause. Wir ziehen die Anoraks enger, damit der eiskalte Wind nicht so hindurch blasen kann und beschließen, uns erst im nächsten Ort polizeilich zu melden.

© Angelika Gutsche, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit einem roten Feuerwehrauto, einem blauen Katastrophenschutzauto, einem BMW-Motorrad haben wir (6 Männer, 2 Frauen, 1 Hund) den süd-östlichen Teil der libyschen Sahara durchquert. Unsere Route führte durch die Dünenfelder des Idhan Ubari hinunter nach Al Awaynat, über Ubari, Germa und Murzuk, durch den Idhan Murzuk bis nach Al Gatrun. Dann machten wir einen Abstecher zum Jabal Ghanimeh , um anschließend die Rückreise über Sebha, Brak und Idri, vorbei an den Salzseen, bis nach Darj anzutreten.
Details:
Aufbruch: Februar 2004
Dauer: circa 4 Wochen
Heimkehr: März 2004
Reiseziele: Libyen / Libysch-Arabische Dschamahirija
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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