Zu Gast bei Gadhafi - eine Fahrt durch die libysche Sahara
Zum Bir Fartasse
Diese Nacht war noch kälter als die vorangegangenen. Morgens erreicht das Thermometer ganze 1°C! Wir durchqueren das Wadi und folgen zunächst der Piste entlang einer Ölpipeline in südöstlicher Richtung. Muhamat erklärt, dass die hier aufgestellten alten Autoreifen keine Wegzeichen seien, sondern dem Abstecken von Claims dienten. Beidseitig ist die Pipeline von tiefen Gräben gesäumt und so gelingt es uns erst nach einiger Zeit, einen Durchschlupf zu finden, um die Pipeline zu überqueren.
Vereinzelt begegnen wir Kamelherden. Kaum wird Muhamat eines Kamels ansichtig, wird er ganz aufgeregt, hüpft auf dem Autositz herum, macht uns auf das Tier aufmerksam, strahlt über das ganze Gesicht. Es ist offensichtlich, wem sein Herz gehört, auch wenn dem Kamel nachgesagt wird, dass es seinerseits keine Bindungen zu Menschen aufbaut. Doch Muhamats Begeisterung ist verständlich, vergegenwärtigt man sich, welch echtes Wundertier das Kamel, oder richtiger gesagt Dromedar, doch ist. Anatomisch bestens gerüstet für heiße, trockene Gegenden speichert es das Wasser in den Blutkörperchen und zwischen den Gewebezellen und kann so sein Körpergewicht um 25% steigern. Im Höcker deponiert das Tier Fett und so gibt der Füllzustand des Höckers Aufschluss über seinen Allgemeinzustand. Die Herden, denen wir begegnen, erfreuen sich sichtlich eines großartigen Allgemeinzustands. Und wie gerne bewundern wir ihren hochnäsigen Blick unter den so wunderschön lang geschwungenen Wimpern!
Wir durchqueren ein Gebirge aus Geröll, wo es laut Djima noch vereinzelt Mufflons geben soll. Allerdings schrecken wir nur einen Hasen auf. Mitten in der Steinwüste sind kleine Seen, Regenoasen, entstanden. Dort grünt es und eine Art Wüstenginster ist erblüht. Muhamat erzählt, wie er mit dem Wüstenginster, in einer Falle ausgelegt, Hasen fängt. Uns dienen die Blumen als Tischschmuck.
Langsam artet die Fahrt zu einem Slalom zwischen Wasserlöchern aus. Überall dort, wo der Sand dunkel erscheint, ist er nass und somit für uns zu einer gefährlichen Schlammfalle geworden. Wir fahren nach Muhamats Anweisungen kreuz und quer durch das Gebiet, um die Senken weiträumig zu umgehen. Muhamat kennt sich hier bestens aus und erzählt, wie er diesen Teil der Sahara alleine mit seinem Kamel durchquerte und dabei oft sieben Tage auf keinen Menschen stieß.
Dann passiert, was wir schon lange befürchtet hatten: der Rote kommt einem Wasserloch zu nahe, fräßt sich in den Schlamm. Wir stecken bis zu den Achsen fest und es geht nicht mehr vorwärts noch rückwärts. Es hilft nichts, der Blaue muss seinen Bergegurt aktivieren und den Roten rückwärts aus der Schlammfalle ziehen. Irgendwie hatte ich mir meinen Wüstenaufenthalt doch ein bisschen trockener vorgestellt!
Abends finden wir am Rande eines kleinen Wadis einen netten Lagerplatz. Doch schon am nächsten Morgen geht die Fahrt durch die Seenlandschaft weiter. Es handelt sich um keine Fata Morgana oder sonstige Luftspiegelung. Nein, das ist alles sehr real. Seen und feuchter Sand soweit das Auge reicht. Man braucht plötzlich überhaupt nicht mehr viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie es in prähistorischer Zeit war, als die Sahara wirklich noch von großen Seen bedeckt war, oder wie es zukünftig, nach der Klimakatastrophe, in einer neuen Eiszeit aussehen könnte.
Land unter!
Wir erreichen den Bir Fartasse (JPS: N28°49.503/E10°44.306). Sehr stolz erzählt Muhamat, sein Großvater, Mahamar Algarby Ramadane, hätte diesen Brunnen, der 20 Meter tief sei, einst gegraben. Wir sind beeindruckt und legen am Brunnen unsere Mittagspause ein.
Am Bir Fartasse
In einem kleinen Wadi steht ein Pick-up mit mehreren Menschen. Djima erzählt, die Männer würden im Wadi nach "Tarfasse", also Trüffeln, graben. Der rote und weiße "Tarfasse" wächst nach Regenfällen in den Senken und wird teuer nach Israel und Ägypten verkauft.
Aufbruch: | Februar 2004 |
Dauer: | circa 4 Wochen |
Heimkehr: | März 2004 |