From North to South - einmal durch die amerikanischen Kontinente

Reisezeit: August 2016 - März 2017  |  von silja B.

Victoria Cross Range

Fünf Tage Wildness in den alpinen Rockies, wo vermutlich kein Mensch ist, was will man mehr! Leider war der Wetterbericht nicht so gut, viel Regen und nur an unserem Ruhetag Sonnenschein. Bis jetzt wurden meine Wetterwünsche vom Heiligen Petrus immer erfüllt, hoffentlich ist er auch diesmal gnädig. Da Troy in der Früh noch arbeiten musste, habe ich mich gemütlich in das Frühstücksrestaurant gesetzt, in dem er arbeitet und meinen Reisebericht geschrieben und ein gigantisches Frühstück genossen: Eieromelett mit Bratkartoffeln und Toast. Also ordentlich reinhauen, die nächsten Tage gibt es nicht so viel zu Essen. Um viertel nach vier waren wir dann soweit, ab in die Natur. Der erste Tag war auf einem breitem Weg durch den Wald, zwischendurch fing es immer wieder mit tröpfeln an. Und der erste Tag ist oft der schlimmste. Der Rucksack war für eine fünf Tageswanderung relativ leicht, aber die Beine wollten irgendwie nicht so recht laufen. Die vier Stunden haben sich dadurch ganz schön gezogen. Und ich habe mir nur gedacht: wie werde ich die nächsten Tage überstehen? Um acht Uhr waren wir dann endlich am Ende des Weges, der Wald öffnete sich in eine leicht sumpfige Wiese. Aber es gab eine Stelle, wo es trocken war und man das Zelt gut aufbauen konnte. Mein Wunsch trocken am „Campingplatz“ anzukommen, ging in Erfüllung. Kaum waren wir da, fing es an zu regnen. Vielleicht hätte ich mir noch ne halbe Stunde länger wünschen sollen, um das Zelt trocken aufzubauen. Na ja so konnte ich die Aufbaumethode für Regen ausprobieren, definitiv muss ich an der noch üben.

Erste Nacht in der Wildnis

Erste Nacht in der Wildnis

Kaum bewegt man sich nicht mehr, ist es soooo kalt. Und wenn man müde am Campingplatz ankommt, ist nichts mit ausruhen. Zelt aufbauen, Wasser filtern, Essen kochen, trockene Sachen anziehen, bzw. alle Schichten, die man hat: lange Merinounterhose, Wanderhose, Regenhose und Gamaschen, für oben: Unterhemd, Merino T-shirt, Merino-Longsleave, dünne Fliesjacke, Softshellweste, dünne Daunenjacke, Regenjacke, Schal, Stirnband, Mütze und zu guter letzten Handschuhe. Und dann ist es trotzdem gerade zum Aushalten. Sobald es nicht mehr zum Aushalten ist, ist es Zeit für den Schlafsack. Aber erst muss das Geschirr in einem der kleinen Wasserlöcher gewaschen werden, dann das ganze Essen in den bärsicheren Container gepackt werden. Und das war die Herausforderung des Tages. Beim ersten Versuch hat das Brot und die Mülltüte nicht reingepasst. Also alles wieder raus, aus allen Tüten den letzten Rest Luft rausdrücken und dann einen neuen Puzzelversuch starten. Diesmal hat alles reingepasst!

Endlich, alles passt rein!

Endlich, alles passt rein!

Unglaublich, aber in diesen kleinen Container passt unser Essen für fünf Tage! Das Abendessen hat Troy vorgekocht und dehydriert. Zum Frühstück gibt es ein paar Haferflocken, Mittags einen Müsliriegel, einen Schokoriegel und ein paar Nässe und Trockenfleisch! Letztendlich ist man nur direkt nach dem Abendessen satt. Eine halbe Stunde später könnte man schon wieder was essen. Da man bei den vielen Kalorien, die man verbrennt und dem spärlichen Essen, auch den letzten Nährstoff aus dem Essen verwerten möchte, wird jeder Bissen so was von gut durchgekaut bevor er geschluckt wird.
Als letztes vorm Schlafengehen noch schnell Wasser für eine Wärmflasche kochen und dann ab in den Schlafsack. Dank meiner Wärmflasche war mir auch die ganze Nacht warm! Die Nacht hat es fast durchgeregnet, aber am nächsten Morgen war es trocken, aber kalt. Es kostet immer Überwindung aus dem Schlafsack rauszukrabbeln und wieder alle Kleiderschichten anzuziehen. Daher versuche ich so lange wie möglich im Schlafsack zu bleiben und die Kleider darin anzuziehen. Sobald man sich draußen dann bewegt, ist man schnell warm.
Ein neuer Tag und heute war es definitiv ein ganz anderes Gefühl zu wandern, voller Energie. Der erste Teil des Weges war noch auf einem Trampelpfad, aber ziemlich schnell war es einfach nur querfeldein und such dir selber den besten Weg.

Troy, Mountainman

Troy, Mountainman

Nachdem wir um die erste Bergflanke herum waren, ging das Scrambling over Boulders los. Ich liebe das, doch am Vormittag war es eine wirkliche Herausforderung, da alle Felsen nass waren. Bei Trockenheit ist es schon sehr anspruchsvoll. Man muss sich gut überlegen, wo man seinen Fuß platziert, langsam das Gewicht darauf verlagern und wenn der Stein sich nicht bewegt, dann erst den andern Fuß langsam platzieren. Und dann kommen noch die beiden Wanderstöcke hinzu, die man auch sehr vorsichtig platzieren muss. Da die Felsen aber alle mit Flechten überwuchert sind, sind sie bei Nässe extrem rutschig. Man muss unglaublich konzentriert Wandern!

Eines der vielen Geröllfelder

Eines der vielen Geröllfelder

Als das Geröllfeld passiert war, hieß es erstmal Bushwacking, also mitten durchs Gestrüpp und durch die Bäume. Dann kam eine leichtere Passage das Tal entlang.

Bergsee mit Mt Pyramid im Hintergrund

Bergsee mit Mt Pyramid im Hintergrund

Da wir auf die andere Seite der Bergkette wollten, kam nun das steilsten Stück des Tages.

Das Geröllfeld zwischen den beiden Berggipfel musste erklommen werden. Von weiten sieht es steiler aus wie es ist. Zubeginn war es noch ein relativ flaches Geröllfeld, wurde dann aber schnell steiler und dann nur noch Schotter. Dann heißt es Trettmühlenartig nach oben steigen. Mit jedem Schritt rutscht man wieder ein Stück runter. Die Bergziegen haben mit ihren Fußabdrücke die Sache etwas erleichtert, so dass man kleine Stufen hatte, bei denen man etwas weniger zurück rutscht. Und was für eine Aussicht von oben in zwei verschiedene Täler!

Dort geht es hinauf!

Dort geht es hinauf!

Dort geht es wieder runter!

Dort geht es wieder runter!

Der Abstieg ins nächste Tal war dafür leichter, mit jedem Schritt sich ein Stücken mehr herunter rutschen lassen! Und wieder das Tal hinaufwandern, ein letztes Mal über eine Bergflanke ein Geröllfeld hinaufklettern und dann waren wir am heutigen Ziel. Und es begrüßte uns tatsächlich etwas blauer Himmel und Sonnenschein.

Letztes Geröllfeld

Letztes Geröllfeld

Früher sind hier Karibus durch gewandert, leider ist diese Herde ausgestorben, aber man findet immer noch ihre Geweih.

Altes Karibugeweih

Altes Karibugeweih

Und was für einen tollen Platz wir hatten mit Blick auf die Ramparts.

Die Ramparts

Die Ramparts

Im Laufe des Abends verschwanden die Wolken immer mehr, was allerdings auch ein kälteren Abend und eine kältere Nacht bedeutete. Da meine Schuhe und Socken nass waren, da die Wiesen im Tal doch sehr sumpfig waren, hatte ich ganz schön kalte Füße. Also raus aus den Schuhen, die Schlafsack en an, in den Biwaksack und in den leeren Rucksack krabbeln. Allerdings sind wir auch auf 2420 Meter Höhe, also kein Wunder, dass es kalt ist.

Eingemummelt!

Eingemummelt!

Bis zum Erscheinen der ersten Sterne habe ich es ausgehalten, dann war klar, es ist wieder Zeltzeit. Vorm Schlafen kommen dann alle feuchtgeschwitzten Sachen zu den Füßen in den Schlafsack und dann ist morgen beim Anziehen alles trocken und leicht warm. Und kaum waren wir im Zelt, fing es mit Regnen und Stürmen an, es war sogar Wetterleuchten zu sehen. Mein neues Zelt ist aber super und hält solchem Wetter super stand.

Abendstimmung!

Abendstimmung!

Der nächste Tag war unser Ruhetag, blauer Himmel und Sonnenschein und eine wundervolle Aussicht auf die Ramparts. Nach einem gemütlichen Vormittag, haben wir den nächsten Berg erklommen, vom Gipfel aus hatten wir einen guten Blick auf unsern morgigen „Weg“ und man sah sogar den Gipfel von Mount Robsen. Was eine Besonderheit ist, da er sich meistens in Wolken versteckt. Mount Robsen ist der höchste Berg in den Rockies.

Blick ins nächste Tal, mit Mt Henry links im Bild

Blick ins nächste Tal, mit Mt Henry links im Bild

Genug gewandert für heute, in der Sonne faulenzen, einen Kaffee trinken und ein Bounty dazu. Was will man mehr? Na ja, zwei Bounties vielleicht! Und schon nach dem ersten Tag haben wir entschieden, am letzten Tag machen wir eine „Freßparty“ und essen alles auf was übrig bleibt!

Blick auf unser Lager, der kleine gelbe Punkt neben der Tarn

Blick auf unser Lager, der kleine gelbe Punkt neben der Tarn

Und wieder das gleiche Glück, wie gestern, kaum waren wir im Zelt fing es an heftig zu regnen. Aber am nächsten Morgen, war es wieder trocken und der Wind hat auch die Felsen schnell getrocknet. Dies war der anstrengende Tag, zwar nur ca. 10 Kilometer, aber unglaublich viele Höhenunterschied hoch und runter, und wieder hoch und wieder runter, etc. Und das Ganze ohne Weg über Geröll und Felsblöcke und das mit einem Rucksack, der sicherlich 12 kg wiegt. Sobald es steiler wurde, haben wir die Stöcke an den Rucksack geschnallt und dann war leichte Kletterei mit Händen und Füßen angesagt, was mir deutlich mehr liegt, wie mit den Stöcken über die Felsen zu wandern. Teilweise habe ich den Berg hochgeschaut und mich gefragt, ob wir wirklich sicher über die Blöcke klettern können. Aber es sah immer schlimmer aus, wie es war. Letztendlich war ich voll in meinem Element. Trotzdem gehört der heutige Tag zu einer meiner anspruchsvollsten Wanderung, die ich bis jetzt gemacht habe.

Der erste Teil des Weges, immer entlang der Karte wird bis zum Gipfel von Mt Henry in der Mitte des Bildes

Der erste Teil des Weges, immer entlang der Karte wird bis zum Gipfel von Mt Henry in der Mitte des Bildes

Und dann hatten wir den ersten wirklichen Gipfel geschafft: Mount Henry, mit 2697 Metern unserer höchster Punkt heute und ca Halbzeit.

Der Gipfel kommt näher

Der Gipfel kommt näher

Mt Henry

Mt Henry

Geschafft!

Geschafft!

Oh Henry, I made it! Das Foto ist zwar nicht am Gipfel vom Mt Henry entstanden, aber den gleichen Gipfelriegel gab es dort auch!

Oh Henry, I made it! Das Foto ist zwar nicht am Gipfel vom Mt Henry entstanden, aber den gleichen Gipfelriegel gab es dort auch!

Und dann kam eine lange Abstiegskrakselei. Und als wir die geschafft haben, war die letzte Bergkette und der letzte Gipfel des Tages in Sicht, aber es sah noch nach einem weiten Weg aus. Und der bisherige anstrengende Weg war zu spüren, also beim leichten Teil, bei dem es leicht bergauf an der Bergkette entlang über gut begehbaren Untergrund, ordentlich Tempo machen. Als ich dann die Felsbrocken am steilen Berghang gesehen habe, habe ich schon erst Mal ganz schön geschnauft. Es kam der kurze Moment, wo ich mir nur dachte, ich will und kann nicht mehr. Troy fing dann auch noch an von dem dehydrierten Speck mit Ahornsirup zu sprechen, den er auf den Grill heute Abend legen will. Ich habe dann nur noch „Klappe halten“ gesagt, ich brauche meine ganze Konzentration für die Felsen! Aber kaum bin ich losgeklettert, war ich wieder im Wandermodus und es ging wieder gut, wenn auch nicht mehr ganz so schnell, wie am Vormittag, das Konzentrieren fällt nach einem langen Tag einfach schwerer.

Der letzte Abstieg und das letzte Tal

Der letzte Abstieg und das letzte Tal

Ein letzter Abstieg durch Schotter, immer sich schon rutschen lassen und dann kam der ätzende Teil. Durch ein langes, sumpfig es Tal. Troy fing jetzt an Gas zu geben, ich bin kaum hinterhergekommen, aber er wollte auch nur noch am Campingplatz ankommen. Und nach unglaublichen 7 Stunden Laufzeit, was echt schnell für die Strecke ist, waren wir da. Elysium Campground, der einzige echte Campground. Also wieder: Wasser filtern, Zelt aufbauen, warme Sachen anziehen, Holz sägen und hacken, Feuer machen, Essen kochen und dann endlich am Lagerfeuer ausruhen!

Wie versprochen: gegrilltem Speck!

Wie versprochen: gegrilltem Speck!

Und wieder war Wetterleuchten zu sehen und kaum waren wir im Zelt, hat es wieder mit Regnen angefangen. In der Nacht war sogar heftiger Donner aus dem Nachbartal zu hören, das ist hier so laut, da es zwischen den Bergketten hier wiederhallt.

Berge soweit das Auge reicht

Berge soweit das Auge reicht

Der nächste Tag war wieder trocken, das erste Stück noch querfeldein bis wir auf einen Trampelpfad stießen. Und dann war es nur noch ein endlos langer Weg. Laut Info, die Troy hatte sollte der Weg 13 Kilometer sein. Der erste Teil war wieder sehr sumpfig. Wenn man dort zu lange stehen bleibt, sinkt man immer tiefer und man hat das Gefühl, wenn man nicht sofort weiter geht, versinkt man bis zu den Haarspitzen! Und die 13 Kilometer wollten einfach nicht enden. Da der Trampelpfad einfach war, sind wir immer schneller gelaufen, damit dieser Endlosweg endlich ein Ende hat. Diesmal war ich schneller als Troy, dem Ärmsten ging es vom Magen her nicht so gut. Nach drei Stunden war klar, der Weg ist definitiv keine 13 Kilometer, so wie wir rennen, machen wir sicherlich 4 Kilometer die Stunde! Nach 4 ½ Stunden hatte unser Leiden ein Ende und nach unserer Schätzung sind wir mindestens 20 Kilometer gelaufen!

Dann hieß es nur noch hoffen, dass nach vier Nächten mein Mietauto noch heile da ist. Aber der kleine Rote stand unversehrt am Parkplatz und wartete auf mich. Und dann sind wir erst mal zu A&W und haben unseren Magen mit einen dicken Burger belohnt. Unsere Muskeln und Gelenke wurden mit einem Besuch der Miette Hot Springs belohnt, das 40 Minuten von Jasper in einer schönen Bergkulisse gelegen ist. Es war nach vier Tagen keinen Menschen sehen, ganz schön komisch wieder unter Menschen zu sein!
Denn Abend haben wir dann gemütlich ausklingen lassen, ich habe Steaks mit Ofenkartoffeln und Maiskolben gemacht, während Troy Gitarre gespielt und gesungen hat. Und damit war eine ganz besondere 5 Tageswanderung beendet.

Gipfelfoto

Gipfelfoto

© silja B., 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Von Kanada nach Feuerland
Details:
Aufbruch: 09.08.2016
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 09.03.2017
Reiseziele: Kanada
Mexiko
Guatemala
Belize
Panama
Kolumbien
Ecuador
Peru
Chile
Argentinien
Der Autor
 
silja B. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.