From North to South - einmal durch die amerikanischen Kontinente
Banff und Jasper
Am morgen musste ich erst Mal Kitty füttern, was gar nicht so leicht war. Gestern war sie noch handzahm und hat nur gefaucht. Heute ließ sich mich gar nicht in die Küche, fauchte und attackierte mich mit ihren Krallen. Doof, dass ich nur in die Küche muss, um einen Löffel zu holen und an ihre Schüssel zu kommen. Auch die geöffnete Dose konnte die verfressen Katze nicht besänftigen. Troy zuliebe, bin ich dann einfach an Kitty vorbei, was mir mehrere Kratzer einbrachte. Ich habe es aufgegeben, Kitty wie den Fuchs vom kleinen Prinzen zu zähmen, ein Therapeut wäre hier sinnvoll! Das nächste Mal füttere ich Kitty nur noch mit Schuhen und Gamaschen, für dieses Biest braucht man echt Schutzkleidung!
Kanada hat sich in den letzten Jahren ganz schön verändert. Es ist viel kommerzieller geworden. Mittlerweile muss man meistens zusätzlich eine Reservierungsgebühr zahlen. Auf dem Icefield Parkway gibt es jetzt auch einen Skywalk, als ob die unglaubliche Bergkulisse nicht ausreicht. Der Slogan vom beschaulichen Jasper ist auch nicht mehr „wonderful by nature“ sondern „venture beyond“. Und es ist überall zu spüren, dass mit irgendwelchem Schnickschnack versucht wird Geld zu machen, auch auf Kosten der wundervollen Natur hier. Es gibt deutlich mehr Bärwarnungen wie früher, auch wenn ich nicht das Gefühl habe, es gibt mehr Wildtierbegegnungen. Und überall wird vor den Wölfen gewarnt. Und es werden auch leider mehr Bären und Wölfe zum Wohle des Tourismus erschossen.
Was auch deutlich mehr geworden ist, sind die Obdachlose in Vancouver und Victoria. Es sind unglaublich viele dabei, die sich bewusst für diese Lebensweise entscheiden. Viele von denen sind sehr jung und man sieht sie schon mittags bekifft und alkoholisiert auf irgendwelchen Grünflächen liegen. Dieses Jahr war es vor dem Rathaus in Victoria so schlimm bzw. voll, dass der Bürgermeister Toiletten und Duschen aufstellen ließ.
Nachdem Kanada mir die letzten Tage wettermäßig doch einiges abverlangt hat, besänftigte es mich heute mit besserem Wetter. In Jasper war es noch kalt und bewölkt, aber je weiter ich den Icefield Parkway nach Süden fuhr, desto mehr kam die Sonne raus und der blaue Himmel zeigte sich. Kurz vor Banff konnte ich sogar mal wieder die Sonnenbrille benutzen und mein Wunsch, mal wieder die Klimaanlage zu nutzen, ging auch in Erfüllung. Und dann sah ich ihn endlich, meinen Lieblingsberg der Rockies: Mt Rundle. Vom ersten Moment, wo ich ihn gesehen habe, wollte ich ihn besteigen, bei meiner letzten Kanada Reise hat mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Diesmal ist er dran.
Da das Wochenende an stand, war mein Lieblingscampingplatz außerhalb von Banff „Two Jack Lake“ am Lake Minnewanka leider voll, aber der am Tunnel Mountain ist auch nicht schlecht. Zum Abschluss habe ich mir auch nochmal eine Feuer Genehmigung gegönnt. Und was für ein Luxus, das Zelt im Trockenen aufbauen. Also habe ich mir Zeit gelassen. Meine Platz Nachbarin war trotzdem sehr beeindruckt und meinte, sie habe noch nie jemanden so schnell ein Zelt aufbauen sehen. So kamen wir ins Gespräch, was super war, da der Boden sehr hart war und kein Stein als Hammerersatz in Sicht. Aber meine kanadischen Rentnernachbarn versorgten mich mit ihrer Axt. Als ich sie mir dann später nochmal ausleihen wollte, um Holzsplitter zum Anfeuern herzustellen, wurde ich stattdessen mit trockenen Zedernholzsplitter versorgt. Das Feuer habe ich zwar gut anbekommen, aber da die Holzscheite doch sehr feucht waren, brannten sie nicht wirklich gut. Schwupp war mein Nachbar wieder da mit frisch gehackten, kleineren Stücken. Dann stand meinem ordentlichen Lagerfeuer nichts mehr im Wege, musste nur noch mein Abendessen auf den Grill legen. Den Abend habe ich gemütlich vorm Lagerfeuer mit Reisebericht schreiben verbracht. Kaum drohte mein Holz zu Neige zu gehen, war mein Nachbar mit Nachschub da, ich liebe die Kanadier, die sorgen soooo gut für mich!
Am nächsten Tag war es leicht bewölkt, aber kein Regen, also steht meiner Mt Rundle Besteigung Nichts im Weg. Meine Sorge, dass ich alleine unterwegs sein werde, war völlig unbegründet, es war Samstag und einige Leute hatten das Gleiche vor wie ich. Da ich alleine unterwegs war, habe ich meinen Nachbarn mitgeteilt, was ich heute vor hatte, sollte mir irgendetwas passieren und ich abends nicht zurück sein, würden die mit Sicherheit die Rettung rufen. Aber ich war dann gar nicht alleine unterwegs, drei junge Kanadier starteten mit mir gemeinsam. Ganz konnte ich mit ihren langen, jungen Beinen nicht mithalten, aber sie waren nur kurz vor mir, hielten mir also den Weg Bärfrei. Der erste Teil des Weges war noch ein Trampelpfad und ging leicht bis mittelmäßig bergauf. Bis zum Gipfel sind es 7,5 Kilometer und es müssen 1.500 Höhenmeter überwunden werden, bis man auf 2948 Metern ist. Ich habe dann schon immer den Ehrgeiz das Ganze in einer guten Zeit zu machen, also habe ich, solange der Weg noch nicht so anspruchsvoll war, ordentlich Tempo gemacht. Aber nach ner guten Stunde ging es steil nach oben. Als die Baumgrenze erreicht war, war es vorbei mit dem Weg und das Scrambling ging los.
Mt Rundle gilt als leichter Scrambling Gipfel, da er so viel begangen ist, dass so eine Art Weg bzw. Richtung deutlich erkennbar ist. Auch muss man nicht, wie bei der Victoria Cross Range über Felsen klettern, technisch daher leichter. Aber trotzdem ein harter Berg. Zu Beginn des Scrambling muss der Dragons Back überquert werden. Der Drachenrücken ist eine große Felsklippe, deren Beschaffenheit an Drachenhaut erinnert. Die Klippe ist sehr schmal, an zwei Stellen gerade mal ein Meter breit, links und rechts davon, geht es steil bzw. senkrecht bergab. Nach dem Dragons Back ging das Geröllfeld los. Die Schwierigkeit wurde durch den extrem starken, kalten und böigen Wind erhöht. Teilweise musste man erst die Windböe vorüber ziehen lassen, bevor man sich weiter bewegte, da man beide Beine auf dem Boden für Stabilität brauchte. Auch die Unregelmäßigkeiten des Gerölls, machte das Wandern schwer. Ein gleichmäßiges, langsames und kraftsparendes Gehen war nicht möglich. Und natürlich war Sisyphus Style angesagt, mit jedem mühsamen Schritt rutscht man leider immer ein Stück zurück. So bin ich immer 10 Schritte gegangen und dann musste ich erst mal wieder durch schnaufen. Und der Berg wurde immer steiler und ich habe immer mehr geflucht.
Mein Vorsatz, eine gute Zeit hinzulegen, war mit dem Wind weggeblasen, nur hochkommen, war die Devise. Zwischendurch dachte ich, ich dreh einfach um. Aber Aufgeben, weil die Waden brennen und es eine Plackerei ist, liegt nicht in meiner Natur. Außerdem werde ich bei meinem kanadischen Lieblingsberg nur aus Sicherheitsgründen aufgeben. Aber diesen Berg werde ich definitiv nur ein Mal in meinem Leben besteigen. Troy, der Verrückte, war fünf Mal oben! Und dann war ich nach 3,5 Stunden endlich oben!
Langes Verweilen war aufgrund der Kälte nicht möglich, also kurz die Sicht und den Gipfel genossen, ein Gipfelschokoriegel verputzt und dann an den Abstieg gemacht. Glücklicherweise, war der weniger übel, wie ich es mir vorgestellt habe. Nach 6,5 Stunden, was eigentlich eine gute Zeit ist, war ich endlich wieder am Auto, meine Knie hatten definitiv genug vom Wandern.
Als ich am Campingplatz ankam, wurde ich erst Mal von meinen Nachbarn auf einen Becher Wein mit Kräckern und Käse eingeladen. Als ich deren Camper verließ, regnete es in strömen, also nichts mit Lagerfeuer und nichts mit Grillen. Habe mir nur schnell eine Wärmflasche gemacht und dann mein Sandwich, das eigentlich fürs Mittagessen gedacht war, im Zelt gegessen. Dann schnell in den Schlafsack gekrochen, da es ziemlich kalt wurde. Dies war eindeutig die kälteste Nacht, ich musste sogar noch eine Schicht nachts anziehen! Es hatte sicherlich gerade Mal um die Null Grad, von Herbst kann man da nicht mehr sprechen, ist eher Winter! Am Morgen, waren auch alle Berge mit einer frischen Schneeschicht bedeckt.
Daher habe ich den halben Tag in Banff im Café verbracht, die Temperaturen hielten sich schön winterlich bei 7 Grad.
Dann habe ich mich ins Bow Valley aufgemacht und mich auf dem Campingplatz des Johnston Canyon einquartiert. Laut Lonely Planet fast wie Backcountry Camping und sehr idyllisch und einer der schönsten im Banff NP. Für mich war es weit von Backcountry Camping entfernt und nur weil er mitten im Wald war auch nicht idyllisch. Vor allem weil mein Platz nur 200 Meter von den Bahngleisen entfernt war. Der endlos lange Zug rattert mit lautem Getöse und Gehupe mindestens 5 Minuten am Zeltplatz vorbei. Sein Warnsignal hat mit seiner Lautstärke jedes Mal einen Herzkasper bei mir verursacht, leider auch Mitten in der Nacht! Das Feuerholz war nach dem letzten Regen so nass, auch das Papier in meinem Auto durch die Luftfeuchtigkeit, dass ein Feuer nicht zum Anzünden möglich war. Bei der Kälte musste aber ein Feuer her. Also bin ich zu meinem nächsten Nachbar, der ein Feuer brennen hatte, und habe ihn gefragt, wie er das zu Stande gebracht hat. Ich bekam dann trockenes Holz aus seinem Kofferraum, dass er mir sogar in kleine Stücke gehackt hat. Habe beim Zuschauen sogar eine neue Methode gelernt, wie man das viel leichter macht. Aber es hat trotzdem Benzin aus meinem Kocher bedurft, um das Feuer anzubekommen. Und es war ein sehr rauchiges Feuer. Ob ich den Schwarzwälderschinkengeruch aus meiner Jacke jemals wieder raus bekomme? Es wird Zeit, dass ich nach Mexiko komme, ich habe das schlechte Wetter und das Frieren satt.
Aber Kanada will mir den Abschied nicht so leicht machen. Der nächste Morgen war zwar eiskalt, noch kälter wie die Nacht davor, aber strahlend blauer Himmel. Meine letzte Wanderung steht an, der Johnston Canyon mit den Ink Pots. Dann hat mein Körper auch erstmal genug vom Wandern, bin in den letzten zwei Wochen ca. 200 km gelaufen.
Die Ink Pots, kleine natürliche Wasserpools in unterschiedlichen Blau- und Grüntönen, waren teilweise mit einer Eisschicht überzogen.
Aber genau so liebe ich die Rockies, glasklare Fernsicht, wunderschöne Herbstfärbung der Bäume und strahlend blauer Himmel. Und so habe ich meine Rückfahrt nach Jasper auf dem Icefield Parkway sehr genossen.
Dann war ich wieder in Jasper. Troy war auch vorzeitig von seiner Tour zurück, da es in der hochalpinen Lage eher zu einem Überlebenstraining wurde wie zu einem Backcountry Trip. So konnten wir den letzten gemeinsamen Abend mit Grillen am Pyramid Lake, wie schon beim letzten Mal, ausklingen lassen.
Und da die Nordlichter sich nicht zeigen wollten, machten wir unsere eigene Lichtshow.
Der nächste Morgen war immer noch perfekt, also haben wir an einem der 5 Stadtleben gefrühstückt.
Zum Abschied von Jasper sind wir noch zum World Edge gefahren, wenn man dort war, zählt man quasi als "Lokal", man hat von dort eine gute Sicht auf Jasper.
Dann hieß es Abschied nehmen von Troy’s und Hallo sagen zu Moni und Klaus, Freunde aus München, die auch gerade in Jasper, am Patrica Lake, sind. Den Nachmittag haben wir gemütlich im Easy Chair mit Weißwein verbracht, einem kurzen Sprung in den kalten Patrica Lake, Aufwärmen im Hot Tube und dann einem leckeren BBQ.
Und dann hieß es am nächsten Morgen endgültig Abschied von den Rockies nehmen, bis zum nächsten Mal, meine geliebten Berge!
Old Man, der Bergzug sieht aus wie ein liegender Indianerhäuptling, und der Gipfel, seine Nase ist das nächste Mal dran. Dem Alten Mann muss ich einfach irgendwann auf der Nase rum tanzen!
Aufbruch: | 09.08.2016 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 09.03.2017 |
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