Canada und Alaska
Die Seereise ist zu Ende
Sonntag, 27. Mai 2007
Heute morgen haben wir ausnahmsweise den Wecker gestellt. Auf sechs Uhr, doch wir sind bereits um halb sechs wach. Ein Blick zum Fenster hinaus zeigt uns den Beginn von Zivilisation mit Berghängen und Häusern. Auf dem Wasser erblicken wir grosse Frachtschiffe. Da wir im TV die Bugkamera des Schiffes empfangen, sehen wir dort, dass sich unser Schiff der Lions Gate Bridge nähert.
Wir begeben uns aufs Promenadendeck und verfolgen gespannt die Einfahrt in die Bucht von Vancouver. Steuerbordseitig zieht der Stanley Park mit den einsamen Joggern an uns vorbei, backbordseitig erblicken wir die riesigen gelben Phosphorlager von Nord Vancouver. Plötzlich erscheint die wunderschöne Skyline von Vancouver in unserem Blickfeld und gespannt verfolgen wir die Einfahrt zum Canada Place. Mit Wehmut nehmen wir zur Kenntnis, dass sich unsere schöne Schiffsreise dem Ende zuneigt.
Doch bevor wir das Schiff verlassen, wollen wir uns noch bei einem letzten Frühstück stärken. Wieder begeben wir uns ins Seven Seas. Wir haben unsere Bestellung noch nicht aufgegeben, als wir mit Schrecken sehen, dass man die aufdringliche Landlady von gestern im Rollstuhl in unsere Richtung stösst. Hilfe!!! Glücklicherweise kommt uns die Schiffsarchitektur zu Hilfe. Ein breite Säule verdeckt unseren Tisch. Und obwohl nur zwei Meter von uns entfernt, entdecken uns die Beiden nicht. Das nenn ich mal Glück! Weniger Glück hat ein amerikanisches Ehepaar, das dummerweise einen Tisch daneben sitzt und damit genau ins Visier der Plappertasche fällt. Es kommt wie es kommen muss! Kaum hat man die Englische Landlady auf dem Stuhl platziert, wendet sie sich schon an den Nebentisch und fragt energisch: "Hello, from where are you?" Wir stellen fest, dass der Frageablauf genauestens einstudiert ist. Man könnte eine Liste abhacken mit der neugierigen Fragerei. Auch das andere Ehepaar ist nicht sonderlich erfreut über die indiskrete Attacke. Und die Dame macht zusätzlich einen schlimmen Fehler und fragt, warum sie denn den Rollstuhl brauche. Bingo! Jetzt gerät "Southhampton" so richtig in Fahrt und plappert ohne Punkt und Komma über ihren Gesundheitszustand und allem anderem, das wir auch schon hörten. Wir können uns das schadenfreudige Grinsen nicht verkneifen! Arme Leute...
Dank der Säule - ich könnte sie küssen - können wir uns auch unbemerkt aus dem Restaurant hinaus schleichen. Wir begeben uns zurück ins Zimmer, viel anderes kann man nicht mehr machen. Alles ist geschlossen: die Bars, das Casino, die Shoppingmeile. Also lümmeln wir uns noch ein wenig herum, schauen, was der TV noch zu bieten hat und verlassen dann unsere Kajüte definitiv um neun Uhr um im Atrium weiterzuwarten. Da wir uns als "independent travellers" geoutet haben, sind wir so ziemlich die Letzten, die den Aufruf zum Verlassen des Schiffes erhalten.
Das Ausschiffen geschieht auf höchst gut organisierter Art und Weise. Man stelle sich vor zweitausend Leute wollten gleichzeitig von Bord. Das wäre ein Chaos! Also schaut man wer wann irgendwo einen Termin hat (zum Beispiel einen Abflug), verteilt dann entsprechend farbige Etiketten für das Gepäck, gibt bekannt, wann welche Farbe ausboarden kann und ruft dann über Lautsprecher jeweils die bestimmten Gruppen auf. So funktioniert das relativ reibungslos. Überhaupt hat uns die Organisation auf diesem Kreuzfahrtschiff beeindruckt! Auch die Landausflüge waren perfekt organisiert. Das braucht schon was!
Gemäss Plan wären wir um zehn nach zehn mit Ausboarden dran. Doch bereits um halb zehn werden wir informiert, dass wir das Schiff verlassen können. Ein letztes Mal laufen wir über die Reeling, schauen noch einmal wehmütig auf die aufgemalte grosse Sonne und schon befinden wir uns im Bauch des riesigen Canada Place, wo wir zuerst die Einwanderungsbehörde Canadas bemühen und danach unsere Koffer schnappen. Alles geht wie durch Butter! Man merkt schon, dass man das hier nicht das erste Mal macht.
Jetzt wird also das Schiff von oben bis unten gereinigt, die Zimmer gemacht und in zwei Stunden treffen bereits die neuen Gäste ein.
Wir begeben uns zu den Vermietstationen. Vor Alamo und AVIS befindet sich keine Menschenseele. Aber vor National hat es eine riesige Menschenkolonne. Klasse! Zwei Mal dürft ihr raten, mit wem wir einen Vertrag haben... Also stellen wir uns in die lange Kolonne und warten und warten. Tröstlicherweise ist die Kolonne bei der Gepäckaufbewahrung noch viel länger. Hilft einem sofort, wenn man sieht, dass andere noch nervöser werden...
Irgendwann haben wir es auch geschafft. Kriegen unseren Vertrag fürs Auto und Jürg feuchte Augen als er sieht, was wir für einen Fahruntersatz kriegen. Gebucht haben wir einen Full Size, bekommen tun wir einen Chrysler 300, der ziemlich mehr als nur ein Full Size ist! Das entschädigt doch für jegliche Wartezeit!
Wir begeben uns einen Stock tiefer und stehen schon bald vor einem Auto, das aus einem Mafiafilm stammen könnte. Der Chrysler 300 ist ein richtig grosses, bulliges Auto. Unser Gepäck hat locker Platz und Jürg strahlt wie eine 100 Watt Birne. Das ist doch was für sein Gemüt!
Mit breitem Grinsen klemmt er sich hinters Steuer und der zweite Teil unserer Ferien findet seinen Anfang. Als wir die Rampe des Canada Places hinauf fahren, winken wir ein letztes Mal unserem schönen Schiff zu, dann biegen wir in die West Hastings Street ein und verlassen Downtown Vancouver südwärts. Obwohl es viel Verkehr hat, staut es sich nirgends, so dass wir schon bald den Highway 1 erreichen und damit die Schnellstrasse ostwärts Richtung Hope.
Das Wetter zeigt sich heute gemischt. Ab und zu drückt ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke und ab und zu durchfahren wir eine Regenfront. Heute Abend gibt's mal wieder richtiges TV, wo wir dann den Wetterbericht für die nächsten Tage anschauen können.
125 Kilometer später erreichen wir die Ausläufer der Coquihalla Mountains und das Städtchen Hope, das Verkehrsknotenpunkt für drei grosse Highways ist. Da es bereits Mittag ist, plagt uns ein Hüngerchen. Bei Subway geniessen wir ein Sandwich. Danach geht unsere Fahrt weiter auf dem mautpflichtigen Coquihalla Freeway Richtung Kamloops. Diese Route befahren wir zum ersten Mal. Sonst haben wir immer den Cariboo Highway benutzt, der zwar weiter, dafür auch gratis ist. Doch die 10 Dollar, die wir bezahlen, lohnen sich absolut. Die Strecke ist traumhaft und führt uns durch eine herrliche Berglandschaft. Mal führt die Autobahn über Pässe, mal tief in Täler hinein. Mal fahren wir an der Sonne, mal regnet es. Es ist eine sehr angenehme Fahrt und dank vierspurigem Freeway kommen wir flott voran.
Um drei Uhr - nach rund 350 Kilometer Fahrt - erreichen wir unser heutiges Tagesziel: Kamloops.
Da wir Einkäufe tätigen müssen, fahren wir als erstes zur Mall ins Warenhaus "the bay". Unsere grüne Reisetasche, die uns auf vielen Reisen begleitet hat, gibt langsam den Geist auf. Schnell ist eine neue gefunden. Auch kann ich mich in der Make Up Abteilung noch austoben, da die Produkte hier viel billiger sind als in der Schweiz.
Danach machen wir uns auf die Suche nach dem Four Points Hotel by Sheraton. Es befindet sich nur über die Strasse von der Mall. Wir erhalten ein einmalig schönes Zimmer mit einem grossen King Size Bett, einem Jacuzzi, einem Cheminée und einer traumhaften Aussicht ins Tal hinunter.
Da das Wetter sich grad wieder für mehr Nass entschieden hat, machen wir es uns im Zimmer gemütlich. Es ist ein wenig frisch. So probieren wir mal das Elektro-Cheminée aus, und ich lasse mir ein Bad ein. Da sich das Jacuzzi in der Wohnstube befindet, kann man dazu lässig Fernseh gucken. Das ist natürlich praktisch! Leider unterschätzen wir ein wenig die Power des Cheminées. Keine halbe Stunde später bricht in unserem Zimmer tropisches Feeling aus, so dass wir mit der Klimaanlage wieder die Temperatur runterschalten müssen. Draussen giesst es wie aus Kübeln.
Da wir kein grossartiges Mittagessen hatten, sind wir hungrig. Zum Hotel gehört ein Restaurant namens Ric's, das leckere Steaks anpreist. Das hört sich gut an! Wir haben schon lange kein richtig schönes Stück Fleisch mehr genossen. Was vollmundig als "bestes Steakhouse" Canadas angepreist wird, bewahrheitet sich auch! Nicht nur dass das Restaurant bumsvoll ist, das Essen ist wirklich einsame Klasse. Ich geniesse ein Filet Mignon, das äußerst zart ist, und Jürg ein riesiges New York Sirloin Steak. Dazu trinken wir einen halben Merlot Mission Hill, unsere bevorzugte Weinmarke in Canada aus dem Okanagan Valley.
Draussen regnet es nicht mehr. So unternehmen wir noch einen kleinen Verdauungsspaziergang hinunter zum Visitor Center, das einen herrlichen Ausblick auf den Thompson River und das Tal von Kamloops bietet. Zurück im Zimmer zappen wir uns noch ein wenig durch die 50 Kanäle des TV's. Die nächsten acht Tage werden wir ohne auskommen müssen. Gut so!
Aufbruch: | 17.05.2007 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 13.06.2007 |
Vereinigte Staaten