Canada und Alaska
Heute geht unsere Seereise los
Sonntag, 20. Mai 2007
Um acht Uhr erwache ich heute, werfe mich aus den Federn und ziehe einen der dicken Vorhänge auf die Seite um zusehen, was das Wetter so macht! Gemeldet haben sie einen Regentag und die Wetterfrösche hatten recht: Es giesst in Strömen, die schwarzen Wolken hängen tief, alles sieht äußerst trostlos aus. Das perfekte Wetter für eine Schiffsreise...
Was ich in den Staaten und Canada immer so toll finde, ist der "weither channel", welcher rund um die Uhr in allen Details das Wetter verkündet. Da gibt es den aktuellen Wetterbericht, die 6-Tages-Prognose, natürlich den lokalen Wetterbericht, wo immer man sich grad befindet, und auch das Weltwetter wird regelmäßig moderiert. Ich finde dies echt spannend. So schalte ich mal den TV ein, wähle meinen Kanal und kann in Ruhe die Satellitenaufnahmen studieren, die den weiteren Verlauf unserer Wetters anzeigen. Beruhigenderweise wird die Schlechtwetterfront heute Nacht weiterziehen und ein Hochdruckgebiet soll uns beehren. Das ist Musik in meinen Ohren...
Gemütlich stehen wir auf und begeben uns ins Restaurant um ein letztes Mal das leckere Frühstücksbuffet des Marriotts zu plündern. Ein Wunderwerk der Menschheit ist ja die Tatsache, dass Leute aus ihren Fehlern lernen. Nun auch wir gehören zu dieser beeindruckenden Spezies und fangen heute gleich mit der leckeren Omelette an, so dass alles andere nur noch kleinere Beilagen sind. Unser Magen dankt es mit einem wohligen Sattgefühl...
Zurück im Zimmer stellen wir fest, dass der Regen eher noch zugenommen hat. Wahrlich kein Wetter um noch irgendeine Stadttour zu unternehmen. Einboarden können wir ab 12 Uhr. So entscheiden wir uns für einen faulen Morgen vor dem TV. Geniessen wir noch die vielen Sender. Auf dem Schiff wird dies vorbei sein.
Um 12 Uhr checken wir aus und ordern ein Taxi. Auch wenn der Canada Place nicht weit weg ist, haben wir keine Lust völlig durchnässt mit unserem Gepäck einzuboarden. So werden wir bequem in ein paar Minuten in die beeindruckende Einstellhalle des Hafens geführt, wo bereits die Hölle los ist. Kunststück! Zwei riesige Schiffe warten auf ihre neuen Gäste. Da kann ja keine himmlische Ruhe herrschen. Nebst unserer wunderschönen Norwegian Sun ist auch ein Schiff der Holland American Line an der Mole.
Als wir das Taxi verlassen, steht bereits ein Angestellter vor uns, der fragt, auf welches Schiff wir wollen. "Norwegian Sun" ... Aha... also werden sofort die richtigen Kofferetiketten angebracht, und wir sind die schweren Gepäckstücke schon mal los. Klasse Service!
Überall erblicken wir Helfer, die uns die richtige Richtung weisen. Zuerst müssen wir mal bei der Handgepäckkontrolle anstehen, wo unsere Taschen durchleuchtet werden. Dann fragt uns eine energische Dame, ob wir Kanadier oder Amerikaner seien. Nö - weder noch! Also dann ab in die rechte Kolonne. Wir nehmen das mal nicht persönlich...
Aber das Ganze hat schon seinen Sinn, da die Kontrollen bei "Ausserhalb-Nordamerikanern" halt anders sind. Wie die Schafe werden wir durch diverse Abschrankungen getrieben bis wir uns in einem Raum mit reihenweisen Stühlen befinden. Weitere energische Damen zeigen uns, wo wir uns setzen dürfen (ja die Autorität muss gewahrt sein...). Uns wird von einer andern Dame der berühmte grüne "Fackel" in die Hände gedrückt, den man bei jeder Einreise in die USA ausfüllen muss. Damit bestätigt man, dass man nichts ungesetzliches einführt, dass man keine ansteckende Krankheit hat, nicht kriminell ist und die Füsse gewaschen hat (kleiner Scherz...). Akribisch kontrollieren die Damen, ob man das Zeugs auch richtig ausgefüllt hat. Dann müssen wir warten, bis unsere Reihe aufgerufen wird und wir uns zur Immigration begeben dürfen.
Für Jürg ist es die erste Einreise in die USA seit dem 11. September 2001. Er kennt das neue Prozedere nur von meiner Erzählung her und hat sich entsprechend schon darüber geärgert. So erwartet er das Schlimmste und ist äußerst angenehm überrascht, wie schnell alles vorbei ist. Die üblichen Fragen (nein, wir wollen immer noch nicht in den USA arbeiten und umgebracht haben wir auch noch keinen...), Fingerabdrücke nehmen, Foto knipsen - et voilà - wir befinden uns offiziell auf canadischem Boden in den USA. Anerkennend muss er zugeben, dass dies aber flink ging!
Nun ist der Moment der Wahrheit gekommen: Holland American oder Norwegian Cruise? Natürlich Norwegian Cruise... also geht's rechts in die nächste Kolonne! 16 Schalter warten auf ihre Passagiere und nach kurzer Wartezeit stehen auch wir vor einer netten Dame, die unsere Tickets und Pässe überprüft und uns dann je eine gelbe Kreditkarte in die Finger drückt, die einerseits unsere Zimmerschlüssel sind, andererseits unsere Schiffs-Eintrittskarte und auch gleich noch die Kreditkarte, um alles auf dem Schiff zu bezahlen was nicht inbegriffen ist. Praktisch!
Und endlich stehen wir vor unserem grossartigen Schiff! Wow ist das schön... Schneeweiss, mit einer riesigen Sonne auf der Bordwand. Und erst die Grösse, wenn man an der Hafenmole steht. Ist ja gewaltig! Wie kleine Kinder freuen wir uns auf unsere Kreuzfahrt und präsentieren stolz bei der Eintrittskontrolle unsere neue Karte! Sogleich dürfen wir auch unsere Hände desinfizieren. Hää? Aber das hat schon seine Richtigkeit. Da so ein Schiff ein wunderbarer Platz für Viren ist, sorgt man schon mal am Eingang vor.
Man verweist uns auf den Lift - 7. Stock - und dann auf der rechten Seite noch eine Treppe hinunter und schon hätten wir unser Zimmer - tschuldigung unsere Kabine - erreicht. An jeder Kreuzung steht ein Mitarbeiter und weist den ganz Dussligen zusätzlich den Weg. Aber wir finden unsere Kabine auf Anhieb. Karte rein - klick - es funktioniert! Wir befinden uns auf dem Oslo Deck und unsere Kabine ist die Drittvorderste mit der Nummer 6213.
Im ersten Augenblick sind wir ein wenig schockiert über die Grösse. So klein haben wir uns das nicht vorgestellt. Aber schließlich erhielten wir bei unserer ersten Kreuzfahrt ungefragt einen Upgrade in eine Suite, und da dürfen wir wahrlich keine Vergleiche anstellen. Die hätte auch locker 4000 Euro mehr gekostet. Linkerhand befindet sich ein geräumiger Schrank und ein Pult mit Stuhl. Rechterhand ist der Eingang ins Bad, wo alles zwar eng aber äußerst praktisch eingerichtet ist. Praktisch im Sinne, dass alle Utensilien so platziert werden können, dass auch bei hohem Seegang keine Unordnung entsteht. Nach dem Bad befindet sich rechterhand ein kleines Zweiersofa und am grossen Panoramafenster stehen die beiden Betten, die man je nach Bedarf zusammenrücken oder einzeln stehen lassen kann.
Nun, wir wollen ja nicht die Woche in der Kabine verbringen, sondern etwas sehen! Also kann es uns egal sein, ob wir nun einen Ballsaal haben oder nicht. Neugierig nehmen wir alles unter die Lupe und versorgen mal die Dinge, die wir bei uns haben.
Die Neugier geht weiter. Es gibt ein grosses Schiff zu entdecken. Zudem haben wir Hunger! Wie üblich wenn ein Schiff im Hafen liegt und Passagierwechsel ist, sind viele Einrichtungen geschlossen. Dazu gehört die ganze Shoppingmeile und viele Restaurants und Bars. Geöffnet hat aber das Garden Café auf dem Deck 11. Also schnappen wir uns den Plan des Schiffs und machen uns auf den Weg zum Buffet des Garden Cafés.
Treppe hinauf zum International Deck Nr. 7, Marsch quer durch das (ebenfalls geschlossene) Spielcasino, durch die Einkaufsmeile bis zum Heck, wo ein Lift uns auf Deck 11 bringt. Na bitte! Haben wir schon mal locker gefunden...
Wie überall wo Buffet angeboten wird, herrscht auch hier Ausnahmezustand. Wir ernennen das Garden Café sofort offiziell zur Kriegszone! Man stürzt sich auf die freien Tische um dann sofort einen Teller zu krallen, und den akrobatisch mit allem zu füllen, was irgendwie möglich ist. Erstaunlich was man so alles auf einen einfachen Teller bringt! Wir sind beeindruckt...
Wir stellen uns gehorsam in die Reihe der Wartenden und bedienen uns am asiatischen Buffet mit Reis und Gemüse. Da die Tische des Garden Cafés alle schon besetzt sind, begeben wir uns auf die andere Seite des Schiffes in die Sportsbar, wo auch viele am Essen sind. Dort ergattern wir uns einen Tisch am Fenster und geniessen das Mittagessen. Eine nette Angestellt erkundigt sich nach unserem Wünschen betreffend alkoholischen Getränken. Als Einstand für unsere Kreuzfahrt entscheiden wir uns für ein Glas Wein. Die Dame meint, dass eine Flasche weitaus günstiger käme, und wir könnten die dann mitnehmen und wieder in ein anderes Restaurant mitbringen. Wo sie recht hat, hat sie recht. So bestellen wir eine Flasche White Zinfandel.
Der Tag ist wirklich zum Weinen! Immer noch giesst es in Strömen und die Wolken hängen deprimierend grau und tief am Himmel.
Bevor wir uns weiter auf Erkundungstour machen, wollen wir die Flasche Wein loswerden. Also laufen wir durch das gesamte Schiff mit der Flasche in der Hand und stellen uns vor, wie die Leute uns als berufliche Alkis taxieren, die bereits am Mittag nicht ohne Hochprozentiges sein können. Der Ruf eilt voraus...
Als wir den Wein in Sicherheit gebracht haben, schliesst Petrus grad ein wenig die Schleusen und wir machen uns auf zum Sun Deck (passender Name...). Hier finden wir einen grossen Pool und unter einem Baldachin vier Whirl Pools vor. Wasser ist drin, aber niemand badet. Komisch... Unter Vordächern hat es Tische mit Stühlen und natürlich warten viele zusammen gestapelte Liegestühle auf Passagiere. Eine Treppe weiter hinauf befinden wir uns auf dem obersten Deck des Schiffs, wo man eine herrliche Rundumsicht hat. Aber das Wetter lädt nun nicht wirklich zu Sight Seeing ein, so dass wir uns wieder ins Innere begeben.
Die Norwegian Sun besteht aus zwei grossen Restaurants im Atlantic Deck 5, daneben gibt es aber noch viele kleinere Spezialitätenrestaurants. Das Garden Café und die Sportsbar haben wir nun schon kennen gelernt. Daneben gibt es das Gesundheitsrestaurant Pacific Height, ein italienisches, spanisches, französisches und japanisches Restaurant und ein asiatisch-europäisch gemischtes Restaurant mit dem bezeichnenden Namen "east meets west". In den grossen Restaurants kann man ohne Reservation jederzeit Frühstück und Abendessen geniessen. Für die Spezialitätenrestaurants braucht es aber eine Reservation und manchmal zahlt man auch einen kleinen Aufpreis. Uns interessiert das Pacific Height, so dass wir uns dort am Empfang erkundigen, ob wir eine Reservation hinterlassen können. Die Dame hat keine Ahnung, sie weiss nur, dass es zur Zeit hier Pizza gibt! Aha...
Wir schlendern noch ein wenig im Casino herum, um mal ein wenig auszukundschaften, mit was man hier alles spielen kann. Vor allem Jürgs Augen glänzen. Las Vegas ahoi!
Als wir zurück in unsere Kabine kommen, liegt bereits unser Gepäck vor der Türe. Also haben wir wunderbar Zeit alles in die Schränke zu räumen. Eine Woche mal nicht aus dem Koffer leben, das ist ja ganz was Neues in unseren Ferien! Meinen Koffer und Jürgs grosse Tasche lassen sich danach bestens unter dem Bett platzieren. Alles perfekt aufgeräumt! Dann zappen wir mal durch das TV Programm. Es gibt einen Kinokanal, wo grad der Film "Dreamgirls" gezeigt wird. Also lümmeln wir uns auf unser Bett und schauen uns den Film an.
Um halb sechs Uhr wollen wir unbedingt das Ablegemanöver verfolgen. Dies ist immer äußerst spannend! Genauso wie einige Schiffsfakten:
Die Norwegian Sun wurde 2001 gebaut und 2004 bereits wieder renoviert. Sie hat eine Länge von 260 Metern und eine Breite von 33 Metern. Tiefgang ist 8 Meter und sie erreicht eine Reisegeschwindigkeit von bis zu 23 Knoten. Platz findet sie für maximal 1936 Passagiere und 968 Besatzungsmitglieder. Obwohl es sich um eine Norwegische Schiffslinie handelt, segelt sie unter der Flagge Bahamas (warum auch immer...).
So begeben wir uns auf das Pool Deck, setzen uns unter eines der Vordächer und frieren uns schon bald einmal den Ar... ab. Unser Unmut wird noch ein wenig gesteigert durch die vielen Stewarts, die uns unbedingt einen Welcomedrink verkaufen möchten in einem grossen farbigen Plastikglas. Nun, das kaltnasse Wetter begeistert wenig für einen Welcomedrink beim Ablegemanöver, so dass wir uns schon bald fürs Abendessen entscheiden und den Kapitän alleine ablegen lassen.
Beim Pacific Heights Restaurant erkundigen wir uns für einen Tisch. Den kriegen wir aber nur wenn wir eine Reservation hinterlassen haben (was wir ja nicht konnten, weil die Dame am Mittag nicht wusste wie...). So fragen wir nach, ob wir denn eine Reservation für den nächsten Abend hinterlassen könnten. Nein, geht nicht! Dafür müssten wir auf Deck 5, wo es einen entsprechenden Schalter für die Reservation gibt. Aha... wir verlieren nicht die Nerven! So gehen wir mit dem Lift hinunter an diesen besagten Schalter. Die nette Dame nimmt unseren Wunsch lächelnd entgegen und ruft per Telefon ... die Dame am Pacific Height Schalter an, ob sie die Reservation für morgen Abend eintragen könnte. Meine Hände formen sich hinter meinem Rücken in Würgeposition. Aber wir verlieren nicht die Nerven...
Unser abendlicher Hunger hält sich eigentlich in Grenzen. Wir entscheiden uns nochmals für die Kampfzone! Schliesslich sind wir jung und stark und werden es wohl noch mit ein paar hungrigen Senioren aufnehmen können... Wir ergattern knapp einen Tisch und kämpfen uns erfolgreich zu den mexikanischen Burritos vor. Ebenso erfolgreich schaffen wir es sogar zu den Salaten ohne dass eine Schlägerei ausbricht. Wir sind wirklich gut!
Wieder übermannt uns die Erkenntnis, dass hungrige Menschen an einem riesigen Buffet unberechenbar sind, aber auch künstlerisch einfallsreich, wenn es darum geht so viel wie möglich einzupacken. Au Backe... dies wird nicht unser Ort für die nächsten sieben Tage sein...
In der Zwischenzeit haben wir den Canada Place verlassen. Rückwärts werden wir mit Hilfe eines Schleppers in die Bay geführt und mit einer eleganten 90 Grad Drehung nordwärts verlassen wir Vancouver, schippern neben dem Stanley Park vorbei unter der Lions Gate Bridge hindurch in die Inside Passage hinein.
Nach dem Essen begeben wir uns zu den Internetstationen um unsere persönlichen Mails zu lesen und allen mitzuteilen, dass wir nun unterwegs sind. Natürlich gehört auch der Wetterbericht zur Pflichtlektüre und tatsächlich sollen wir schon morgen besseres Wetter haben. Klasse!
Danach spazieren wir in die Observation Lounge auf Deck 12. Schon auf unserer ersten Kreuzfahrt hielten wir uns am Abend gerne in der Lounge (dort war es das Crowsnest) auf, wo man in Fahrtrichtung einen herrlichen Ausblick auf das Kommende hatte. Nur gibt es heute keine Fahrt in den Sonnenuntergang hinein, die Regenwolken dominieren nach wie vor das Bild. Aber ein feiner Whisky und entspannende Livemusik lassen den Abend gemütlich ausklingen.
Um neun Uhr sind wir zurück im Zimmer. Müde fallen wir in die Federn und träumen sonnigem Wetter entgegen.
Aufbruch: | 17.05.2007 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 13.06.2007 |
Vereinigte Staaten