Canada und Alaska
Es geht auf die Big Creek Ranch
Montag, 28. Mai 2007
Wir lassen es heute gemütlich angehen. Ein letztes Mal checken wir den aktuellen Wetterbericht. Und was wir draussen sehen, soll uns die nächsten Tage begleiten: strahlend schönes Wetter! Was will man mehr...
Das Frühstück geniessen wir im gestrigen Restaurant. Wir sind froh, dass wir keine Eile haben. Anscheinend ist eine Serviertochter nicht aufgetaucht, so dass ihre Kollegin den ganzen Laden alleine bedienen muss. Das macht sie so gut wie's eben geht. Doch zieht sich alles ein wenig in die Länge. Dafür schmeckt das Frühstück ausgezeichnet.
Als wir unser Gepäck wieder im Mafiaauto verstaut haben, checken wir aus und verlassen Kamloops westwärts auf dem Highway 97. Die Fahrt führt uns durch sanfte Hügelzüge, die teilweise schon recht trocken wirken. Lange fahren wir am Lake Kamloops entlang. An einem Aussichtspunkt mit Picknicktischen machen wir einen Halt und geniessen den tollen Blick auf den See. In einer Rostbeule von Auto sitzt ein komischer Kauz, der uns stechend beobachtet. Gefällt mir gar nicht! Ich lasse den Typen nicht aus den Augen und bin froh, als wir wieder weiterfahren. Bei gewissen Leuten kriegt man echt ein mieses Gefühl...
In Cache Creek erreichen wir den Cariboo Highway, der uns immer mehr in die Höhe führt. Diese Strecke kennen wir bestens, sind wir sie schon mehrere Male gefahren. Es ist ein Gefühl wie wenn man nach Hause kommt. Die vereinzelten Wolkenbänke, die uns begleiten, lösen sich immer mehr auf, und schon bald fahren wir unter einem strahlendblauen Himmel dahin. Wenn das keine schöne Begrüssung ist!
Gegen Mittag erreichen wir das für uns bestbekannte 100-Mile-House. Dort tanken wir unser Auto auf und fahren nordwärts weiter. Schöne Seen wie der Lake La Hache begleiten unsere Fahrt. Immer wenn wir durch dieses schöne Hochland fahren, müssen wir an Jürg's Arbeitkollegen und seine Familie denken, die sich beim ersten Besuch derart in dieses Land verliebt haben, dass sie ausgewandert sind! Und wir können es ihnen nicht verdenken. Die Landschaft ist unglaublich lieblich. Aber fürs Auswandern würde uns der Mut fehlen.
Um halb eins erreichen wir das grössere Städtchen Williams Lake am gleichnamigen See. Da wir uns für die nächsten 4 Tage Wildnis noch mit Leckereien eindecken wollen, fahren wir zu einem grossen Einkaufszentrum. Wie immer macht es einfach Spass die Auslagen zu bestaunen. Beeindruckend sind wie immer die Gemüse- und Früchtestände, die wunderschön präsentiert werden. Weniger Freude bereitet jeweils das Brotregal. Für jeden Europäer ist dies ein riesiger Frust, was hier angeboten wird. Immerhin ist es beeindruckend, dass man ödes Toastbrot in hundert Variationen herstellen kann.
Wir decken uns mit Äpfeln, Mineralwasser und zwei Flaschen Wein ein. Vermutlich weil Canada wie auch Neuseeland zu den Commonwealth Staaten gehört, finden wir eine beachtliche Auswahl an Weinen aus dem Kiwi Land. So komme ich in den Genuss von Neuseeländischem Sauvignon Blanc, den ich 2006 auf unserer Reise am Ende der Welt sehr zu schätzen gelernt habe.
Da es Mittag ist, kaufen wir uns auch noch zwei gesunde und höchst kalorienarme Schokoladendonuts ein. Mit dem Auto suchen wir uns ein schönes Plätzchen am See und geniessen das kleine Mittagessen. Es ist höchst angenehm hier. Die Sonne scheint, ein angenehmer Wind weht, die Vögel pfeifen und wir sitzen auf einer gemütlichen Bank mitten in einem Naturschutzgebiet. Was will man mehr...
Aus Erfahrung wissen wir, dass in der Abgeschiedenheit der canadischen Wildnis selten ein Natelempfang existiert. So schreibe ich Mama ein letztes SMS, dass es uns gut geht, und dass wir für die nächsten 4 Tage wohl nicht erreichbar sein werden.
Unsere Fahrt geht westwärts weiter auf dem Highway 20. Zuerst durchfahren wir ein schönes grünes Tal, dann führt uns der Highway in eine tiefe Schlucht hinunter, wo wir auf einer spektakulären Brücke einen grösseren Fluss überqueren. Wie es steil runter ging, geht es auf der anderen Seite steil wieder in die Höhe. Eine passartige Strasse führt uns auf ein grünes Hochplateau hinauf.
Der Ausblick ist grandios! Man sieht fast in alle Himmelsrichtungen bis an den Horizont, nur ganz im Westen erscheinen im Dunst weisse Schneeberge. Faszinierend! Unser heutiges Tagesziel ist Big Creek. Es gibt zwei Wege - beides Naturstrassen - die uns dorthin führen. Der erste Weg ist zwar der längere, gemäss Reiseführer aber der spektakulärere. In Riske Creek biegen wir vom Highway ab um nach einem Kilometer bereits vor einer Strassensperre zu stehen. Anscheinend ist eine Brücke eingestürzt und die Strasse somit gesperrt. Also Umkehr und zurück auf den Highway 20!
Nach weiteren 70 Kilometern über die weitläufige Hochebene, die ab und zu von einzelnen Bauernhöfen oder B & B's ein Zeichen von Zivilisation hat, erreichen wir einen grossen Parkplatz mit einer herrlichen Aussicht. Ein Halt tut den Beinen gut. Zudem werden wir über ein Phänomen aufgeklärt, das uns heute schon ein paar Mal aufgefallen ist: Viele Fichten sind völlig verdorrt! Das können wir uns nicht erklären. Doch hier steht eine Tafel, die uns die Story der Naturkatastrophe erzählt:
Es gibt einen Käfer, der hier Mountain Pine Beetle heisst. Ich nehme an so eine Art Borkenkäfer. Der ist eigentlich nicht heimisch, wurde aber durch Schiffe aus Südamerika eingeführt. Normale Winter vernichten bis zu 80 % der Käfer. Doch mehrere zu milde Winter haben nur rund 10 % der Käfer getötet. So breiten sich die Tierchen praktisch ungehindert aus. Sie befallen einen Baum, nagen sich durch die Rinde, kappen die Wasserverbindung des Baumes, und der verdörrt dann! Man spricht hier von einer ökologischen Katastrophe riesigen Ausmasses. Eine Bekämpfung sei bei der weiten Wildnis kaum möglich! Dadurch dass nun viele Bäume völlig verdorrt sind, sind sie bei aufkeimenden Waldbränden unglaubliche Brandbeschleuniger, was eine weitere Gefahr für die Region bedeutet. Wir sind schockiert!
In Hanceville verlassen wir den Highway 20 und biegen in die Big Creek Road ab. Wie im Reiseführer angekündigt, wird der Nebenhighway zu einer unbefestigten Strasse. Zuerst steigt der Highway passstraßen artig in die Höhe, dann erreichen wir ein nächstes Hochplateau, das meist bewaldet ist. Ab und zu erreichen wir kleine einsame Seen, wo noch einsamere Weekend Häuser zu sehen sind. Die Strasse wird immer schlechter. Schilder warnen uns vor Werkverkehr. Und grosse Lastwagen beschädigen solche Naturstrassen natürlich schon durch ihr Gewicht! Also klopft es des öftern gewaltig an unsere Unterseite, wenn Steine an die Karrosserie fliegen und Jürg schaut mit jedem Kilometer ein wenig verdriesslicher drein! Er hasst es mit Autos über unbefestigte Strassen zu fahren, außer es sei ein 4 x 4. Zudem weiss er auch nicht, was uns am Ende der Strasse erwartet, da ich die Reservation in der Big Creek Ranch gemacht habe. Seine Blicke sprechen Bände...
Nach 50 staubigen und steinigen Kilometern erreichen wir eine grosse Waldlichtung, wo sich linkerhand eine Pferdekoppel und rechterhand eine grosse Scheune befinden. Das Ende der Strasse ziert ein fantastisch aussehendes kanadisches Loghaus.
Kaum ausgestiegen werden wir sofort von Manfred auf echt bayerisch begrüsst! Er ist wie wir ein Feriengast, der seit 15 Jahren jedes Jahr vier Wochen hierher kommt, allerdings zum Arbeiten. Wir haben unsere Ranch erreicht: die Big Creek Ranch!
Diesen schönen Ort habe ich dank Internet entdeckt. Es gibt eine Seite, die alle Ranches und Lodges von British Columbia führt. Tagelang habe ich zuhause alle Webseiten abgeklappert und mich über Lage, Preise und Freizeitangebote informiert. Big Creek sah wunderschön aus! Die Familie aus Bayern, Joe und Sabine Hössl, beschrieben es auf ihrer Internetseite wie folgt:
"Vor gut 20 Jahren entschieden meine Frau und ich uns für eine fast völlig unberührte Landschaft an der Westküste Kanadas, nahe den Coast Mountains, in der Provinz British Columbia. Dabei nahmen wir in Kauf, 125 km zum Einkaufen fahren zu müssen, weil die Abgeschiedenheit vom täglichen Trubel all die Nachteile der Einsamkeit mehr als ausglich. Im Norden der Ranch liegt die kleine Gemeinde Big Creek mit ca. 50 Einwohnern, die anderen drei Himmelsrichtungen sind unbewohnt, und die ganze Landschaft ist heute noch so, wie sie sich in tausenden von Jahren entwickelte. Zudem gibt es zwischen Küste und Big Creek keine nennenswerte Ansiedlungen, sodass die reine Luft des Pazifik unverdorben hier vorbei streicht."
Die Bilder der Ranch und der Beschrieb von Ferien in unberührter Wildnis haben mir so gut gefallen, dass wir uns entschieden haben, vier Tage unserer Ferien hier zu verbringen. Und was wir sehen, entspricht absolut unseren Erwartungen!
In der Lodge erwartet uns bereits Sabine, die Hausherrin. Die Ranch hat einerseits zwei Cabins, andererseits mehrere Zimmer in der Hauptlodge. Im Internet haben wir uns in das "eagles nest" Cabin verguckt. Da dies aber zwei Zimmer für 4 Personen hat, konnte uns Sabine nicht garantieren, dass wir es auch erhalten. Verständlicherweise! Doch wir haben Glück! Da wir noch in der Nebensaison sind und weitere Gäste erst nächste Woche kommen, dürfen wir für die nächsten 4 Nächte das Eagles Nest bewohnen. Super!
Schlüssel gibt's keine. Niemand kommt hier auf die Idee eine Türe abzuschließen! Sabine bringt uns zum Eagles Nest. Das Cabin liegt erhöht oberhalb des Big Creek Rivers. Das Häuschen hat zwei Schlafzimmer, eine gemütliche Wohnstube und eine herrliche Veranda mit Tischen, Stühlen und Liegestühlen. Einfach herrlich!
Wir bugsieren unser ganzes Gepäck ins Häuschen und richten uns ein. Jürg ist hellauf begeistert von Big Creek und verzeiht mir jeden Kilometer unbefestigte Strasse. Puh... da habe ich aber Glück gehabt! Schon bald sitzen wir glücklich strahlend auf der Terrasse und geniessen die Abendsonne. Was für ein Ort: keine Handy, kein TV, keine Zeitung - nur abgeschiedene Wildnis mit einem schönen Fluss, Wäldern und Bergen. Es ist unbeschreiblich friedlich hier!
Um sieben Uhr gibt's Abendbrot. Die Familie Hössl isst in der Küche, wir erhalten einen schönen Tisch im grossen Wohnzimmer in der Hauptlodge. Kanadische Loghäuser sind zum Verlieben schön! Sabine ist die Köchin und verwöhnt unseren Gaumen mit gefüllten Peperonis, Reis und Hackfleisch. Dazu gibt's Salat aus der Schüssel und zum Dessert ein leckeres Erdbeer Joghurt mit frischen Erdbeeren.
Sabine erkundigt sich nach unseren Wünschen für den nächsten Tag. Ob wir wohl ausreiten möchten. Jürg schaut sie skeptisch an. Er mag das nicht sonderlich! Ich hingegen freue mich schon lange darauf wieder mal auf ein Pferd steigen zu können! Mir zuliebe entscheidet sich Jürg ebenfalls mitzukommen. Sabine empfiehlt uns zuerst zwei Stunden in ihrem Corral mit den Pferden zu üben, dann erst am Nachmittag auszureiten. Damit sind wir einverstanden. Ist es auch für mich schon länger her, dass ich reiten gelernt habe.
Es ist so ein schöner Abend, dass wir uns noch zu einem Spaziergang entschliessen. Zur Ranch gehören auch drei Hunde. Pal, schliesst sich unserem Vorhaben an und folgt uns gemütlich hinterher. Ein Wanderweg verläuft oberhalb der Lodge. Der Abend ist strahlendschön und wie an einem Föhntag in den Alpen klar. Die Lodge leuchtet in der untergehenden Sonne. Wir können uns kaum satt sehen! Und hier dürfen wir die nächsten Tage verbringen. Wow... das sind Aussichten! Wir spazieren gemütlich in den Wald hinein. Pal zeigt uns brav den Weg. Halten wir, haltet er auch, laufen wir weiter, läuft auch er weiter. Nach einer Stunde kehren wir wieder zurück zur Ranch.
Den restlichen Abend verbringen wir auf der Veranda. Da wir ja Spiele gekauft haben, würfeln wir! Um zehn gibt's Bettruhe. Wir haben uns für das Schlafzimmer gleich bei der Veranda entschieden. Man hört das herrlich entspannende Rauschen des Big Creek Rivers und sonst gar nichts! Gute Nacht!
Aufbruch: | 17.05.2007 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 13.06.2007 |
Vereinigte Staaten