Canada und Alaska

Reisezeit: Mai / Juni 2007  |  von Franzi S.

Der erste volle Tag auf Big Creek

Dienstag, 29. Mai 2007

Wir schlafen herrlich. Die Ruhe ist wirklich himmlisch. Jedenfalls bis um sechs Uhr der ländliche Wecker loslegt: In der näheren Umgebung geht ein hingebungsvolles Muhen los! Eine Kuhherde scheint in der Nähe zu sein und irgendein Problem zu haben. Vielleicht suchen sie ein Kalb. Jedenfalls geht ein gewaltiges Muh-Konzert los. Doch irgendwann schlafen wir wieder ein.

Definitiv erwachen wir um acht Uhr. Auf der Veranda begrüsst uns ein strahlendschöner Morgen. Keine Wolke ist am Himmel zu sehen und die Morgensonne lässt den Big Creek glitzernd dahinfliessen. Die Luft ist frisch und alles ist rundherum totenstill bis auf das Rauschen des Flusses. Was für eine Idylle.

Morgenstimmung am Eagles Nest

Morgenstimmung am Eagles Nest

Um neun begeben wir uns zur Ranch, wo wir bereits erwartet werden. Sabine erkundigt sich nach unseren Frühstückswünschen. Jürg entscheidet sich für Rührei und Schinken, ich für ein Continental Frühstück. Ich erwarte etwas Brot, Marmelade und Butter. Aber weit gefehlt. Sabine stellt ein Riesenteller mit Fleisch und Käse auf den Tisch, daneben gibt es feines, richtiges Brot, nicht dieses blöde Toastbrot. Lecker...

Das grosszügige Teller ist natürlich viel zu viel, und ich geben die Hälfte wieder zurück. Ich frage Sabine, ob wir das restliche Fleisch und Käse am Mittag abholen dürften für einen gemütlich Lunch auf unserer Veranda. Logisch!

Zurück in unserem Häuschen machen wir uns fürs Ausreiten parat. Jeans, Shirt, Stiefel, dann begeben wir uns zum Corral. Dort erwartet uns Emma. Sie ist eine irische Studentin, die zusammen mit der Tochter von Hössls in Calgary studiert. Zur Zeit ist sie für 4 Monate auf der Ranch zum Helfen. Mit dem Auto bringt sie uns zum alten Ranchhaus der Familie, das sie vor 25 Jahren aufgebaut haben. Dort unten befinden sich auch die Pferde auf einer weiten Koppel.

Billy und Buddy warten auf die Touristen Greenhörner

Billy und Buddy warten auf die Touristen Greenhörner

Emma holt uns das Zaumzeug und zeigt uns, welche Pferde die unsrigen sind: Jürg erhält einen halb weissen, halb braunen Wallach namens Buddy, und ich einen schönen dunkelbraunen namens Billy. Wir legen den Tieren das Zaumzeugs um und dann laufen wir mit ihnen den ganzen Kilometer zurück zur neuen Ranch. Wir finden das zu amüsant und nennen es: Gassi-gehen mit Pferden.

Es klappt jedenfalls hervorragend. Es gibt keine Kollisionen und kein Pferd tritt uns auf die Füsse. Guter Anfang! Beim Corral befindet sich einer kleiner Stall. Dort binden wir die Pferde an, striegeln sie und reinigen die Hufe. Es ist schön, dass wir dies alles selber machen dürfen. Wir sind hier auf keiner Ranch, wo einem alles fixfertig vorgelegt wird, da gibt's vor dem Vergnügen noch Arbeit! Recht so...

Als die Pferdchen strahlen wie mit Meister Proper gewaschen, dürfen wir auch noch satteln. Die Sättel haben ganz schön ein Gewicht! Bevor wir uns jedoch auf die Pferde schwingen dürfen, überprüft Emma, ob alles sitzt und der Gurt um den Bauch des Pferdes gut angezogen ist.

Dann geht's ab in die Lernstunde. Emma setzt sich auf den hohen Zaun des Corrals, und wir beide reiten mit Buddy und Billy hinein um ein Gefühl für die Befehle zu bekommen. Halt, los, links, rechts, Schritt, Trab, leichter Galopp. Mal klappt's, mal klappt's nicht. Wir sind ja am Üben! Mit Billy läuft das Ganze recht gut. Er ist folgsam und reagiert gut auf die Befehle. Jürg's Buddy findet das ganze zu anstrengend. Mal macht er was Jürg will und manchmal findet er es viel lustiger einfach hinter Billy herzulaufen, wenn der ihn überholt. Wir haben unseren Gaudi, und Emma gibt uns immer wieder Tipps, was wir anders machen können.

Um halb Zwölf ist die Unterrichtsstunde vorbei und wir haben uns mit den beiden Vierbeinern definitiv angefreundet. Die Pferde werden wieder abgesattelt und losgebunden. Sie dürfen sich um die Ranch ihr Mittagessen suchen gehen.

Wir suchen uns auch unser Goudi. Sabine übergibt uns ein Tablett mit vielen Leckereien. Unseren Morgenteller hat sie natürlich wieder mit allem aufgefüllt. Verhungern werden wir wahrlich nicht. Nebst Brot haben wir auch noch Salzgurken und eben Fleisch und Käse.

Wir fragen Sabine, ob wir heute Abend wohl nur eine Schüssel Salat haben dürfen. Wir haben schon soviel zum Frühstück gehabt, und werden uns auch jetzt den Bauch füllen, so dass ein Salat für den Abend reicht. Ist natürlich kein Problem! Schwer beladen begeben wir uns ins Eagles Nest, wo wir den leckeren Lunch auf unserer Veranda geniessen.

Jürg und Buddy warten auf den Lunch

Jürg und Buddy warten auf den Lunch

Essen macht müde (reiten auch...). So legt sich Jürg in den Liegestuhl zu einem Mittagesschläfchen und ich mich drinnen aufs Sofa. Sicherheitshalber stelle ich aber den Wecker, da wir um zwei Uhr wieder mit Emma abgemacht haben.

So ein Nickerchen ist doch was Schönes...

So ein Nickerchen ist doch was Schönes...

Pünktlich um zwei sind wir wieder beim Corral. Zuerst heisst es wieder Pferde einfangen, striegeln und aufsatteln, dann geht's in die Wildnis! Wir reiten denselben Weg westwärts, den wir gestern ein Stück weit gelaufen sind. Meistens reiten wir im Wald unter den Fichten. Auch hier ist jeder dritte Baum bereit verdorrt wegen den südamerikanischen Käfern. Es ist teilweise ein trauriger Anblick. Doch der Ausritt selber ist wunderschön! Obwohl die Sonne heiss hinunter brennt, ist es unter den Bäumen angenehm. Immer wieder zeigt uns Emma Tierspuren von Bären, Elchen oder Rehen.

Nach einer halben Stunde erreichen wir die Texas Flats, ein herrlicher erhöhter Aussichtspunkt. Unter uns erblicken wir die zahlreichen Schlaufen des Big Creeks, welcher sich durch Buchen- und Fichtenwälder schlängelt. Überhaupt erblicken wir endlose Wälder. Am Horizont leuchten uns die schneeweißen Chilcotin Mountains entgegen. Was für ein schöner Ort!

Der herrliche Ausblick über die Texas Flats

Der herrliche Ausblick über die Texas Flats

Da wir uns heute nur für einen stündigen Ausritt entschieden haben, kehren wir nach einer Pause wieder um und reiten zurück. Alles in allem sind wir zwei ein halb Stunden im Sattel gewesen, und das reicht für den Anfang wahrlich. Ich jedenfalls spüre bereits meinen Rücken!

Zurück auf der Ranch striegeln wir unsere vierbeinigen Freunde wieder nachdem wir sie abgesattelt haben. Dann gehen wir wieder Gassi und führen die Beiden am Zaum zurück zu ihrer Koppel. Bevor wir sie in die Freiheit entlassen, erhalten sie noch ein Leckerchen in Form von Getreidekörnern. Es scheint zu schmecken. Das Zeugs ist schnell weggeschlabbert. Dann entlassen wir sie zu ihren Kollegen, die faul im Corral herumstehen. Danke Jungs für Eure Geduld!

Mit dem Auto geht's zurück zur Ranch, wo wir uns auch bei Emma für den schönen Tag bedanken. Sie ist ein sehr nettes Mädchen!

Wir sind auf den Felgen! Eine kalte Dusche belebt die Lebensgeister einigermaßen. Wir machen es uns auf der Veranda bequem, wo Jürg schon bald wieder einschläft. Auch mir fallen während dem Lesen die Augen zu, so dass auch ich mich noch mal zu einem Nickerchen hinlege. Das nennt man Erholung...

Um sieben als ich gerade zur Ranch will um unser Abendessen zu holen, klopft es und Sabine steht mit einem riesigen Tablett vor der Türe. Strahlend bringt sie uns das Abendessen. Nebst einem grünen Salat bringt sie uns auch noch eine Schüssel Kartoffelsalat und zwei Joghurts. Sie schaut wahrlich gut zu uns! Wir geniessen den schönen Abend auf der Veranda. Das Essen schmeckt vorzüglich. Dazu gibt's ein Glas von unserem in Williams Lake gekauften Sauvignon Blanc. Der Abend ist herrlich warm. Heute gab es Temperaturen zwischen 26 bis 30 Grad, und das im Mai in Canada! So haben wir immer noch um die 20 Grad, was natürlich herrlich ist um draussen zu sitzen.

Abendessen bei dieser schönen Aussicht auf den Big Creek River

Abendessen bei dieser schönen Aussicht auf den Big Creek River

Zusammen bringen wir das Tablett zurück in die Ranch. Die Familie sitzt mit Mani auf der Terrasse und geniesst ein abendliches Bier. Wir setzen uns dazu. Joe, der Hausherr, erzählt uns seine Lebensgeschichte, wie man als Bayer hier in die Wildnis kommt. Sie ist wirklich abenteuerlich:

Joe war Pilot. In seinem Dorf wurde er von einem betrunkenen Iraner mit dem Auto angefahren (tönt wirklich abstrakt...). Die Ärzte gaben ihn praktisch schon auf, doch er überlebte, war aber psychisch schwer angeschlagen. Sein Hausarzt empfahl ihm eine weite Reise, wo er nicht mehr an den Unfall erinnert würde. So kamen Sabine und er nach Big Creek, wo ein Deutscher Land mit seiner Ranch verkaufte. Joe und Sabine entschieden sich hier zu bleiben und kauften dieses Anwesen, das wir heute ja bei den Pferden gesehen haben. 2001 baute Joe dann zusammen mit einem Kollegen und drei Indianern die Big Creek Ranch. Jeder Baumstamm wurde selber gefällt, bearbeitet und zusammen gestellt. Was für eine Arbeit

Auch Manfred ist dabei. Die beiden sind seit langem befreundet, und ich kugle mich fast vor Lachen als ich höre, was Mani zuhause betreibt: ihm gehört ein Lingerie Laden. Mani verkauft also Frauendessous. Er amüsiert sich über meinen Heiterkeitsausbruch. Ich bin vermutlich nicht die Erste, die das amüsant findet. Vor allem erinnert mich dies aber an den Schweizer Film, den wir noch zuhause geschaut haben: die Herbstzeitlosen. Ein Film, der genau dieses Thema behandelt.

Gemütlicher Abend auf der Terrasse der Big Creek Lodge

Gemütlicher Abend auf der Terrasse der Big Creek Lodge

Nach dem gemütlich Tratsch kehren wir zurück ins Eagles Nest. Wir sind müde, obwohl wir viel schlafen. Wir spüren, dass die Erholung hier wirklich gross ist, und wir freuen uns, dass wir zwei weitere Tage an diesem schönen Ort verbringen dürfen. Auf der Veranda spielen wir noch eine Partie Yazee, dann gibt's Bettruhe.

© Franzi S., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Kreuzfahrtschiff gehts von Vancouver aus in den Südwesten Alaskas. Danach geniessen wir mit dem Mietwagen die Wildnis von British Columbia.
Details:
Aufbruch: 17.05.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 13.06.2007
Reiseziele: Kanada
Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Franzi S. berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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