Canada und Alaska

Reisezeit: Mai / Juni 2007  |  von Franzi S.

Es geht nach Whistler

Es wird eine relativ ruhige Nacht. Keine Pferdehorde macht uns die Aufwartung. Dafür finden es unsere Spatzen wieder äußerst amüsant auf der Fensterkante zu sitzen und ihre Hitparade rauf und runter zu pfeifen. Als ich die Nase voll habe, schliesse ich das Fenster, worauf die am Mückengitter sitzenden Moskitos zwischen Glas und Netz herumschwirren, so dass es sich anhört als ob ein Bienenschwarm über unseren Köpfen in Panik ausbreche. Nicht nett! Lieber die Spatzen! Also Fenster wieder auf. Wir sind wahrlich wildniserprobt...

Um viertel nach sieben stehen wir auf. Der Himmel ist stark bewölkt. Zum Frühstück geniessen wir nochmals das leckere selbstgebackene Brot der Lodge, dann checken wir aus.

Schweren Herzens verlassen wir die Ten-ee-ah Lodge. Wir lieben diesen Ort, und wir werden mit Sicherheit wieder zurückkommen!

Dreissig Kilometer geht's wieder durch endlose Wälder über die unbefestigte Strasse bis wir in Lac La Hache den Cariboo Highway erreichen. Es ist ein ungewohnter Anblick! Die Wolken hängen schwarz und tief ins Land. Wie wir so im Radio hören, soll es die nächsten Tage so bleiben.

Gegen zehn erreichen wir 100 Mile House. Zuerst statten wir dem Visitor Center einen Besuch ab, wo wir einen jungen netten Schwaben kennen lernen, der in Victoria studiert und durch den Sommer hindurch hier arbeitet. Er scheint sich sichtlich zu freuen, Deutsch sprechen zu können.

Da unser Auto wirklich schlimm aussieht, gibt's den nächsten Abstecher zu einer Waschanlage, wo Jürg unserem Chrysler eine Dusche verabreicht. Schliesslich geht's heute wieder in die Zivilisation ins Hilton nach Whistler. Da sollte man schon ein wenig "anständig" daherkommen...

Den letzten Besuch statten wir dem Postoffice ab, wo wir uns mit Briefmarken eindecken und um halb elf ein Rendezvous mit Regula haben. Natürlich gibt es ein riesiges Hallo. Es sind ein paar Jahre her seit wir uns das letzte Mal getroffen haben. Sie ist zu einer richtigen Kanadierin mutiert. Ihre beiden Jungs sind ausgezogen, der kleinere macht eine Lehre in einem guten Restaurant in 100 Mile House als Koch und der ältere studiert in Kamloops. Vor nicht allzu langer Zeit hat sie ihr erstes Haus verkauft und ist mit ihrem neuen Partner Joseph zusammengezogen. Die beiden haben uns heute zum Lunch eingeladen, und wir sind riesig gespannt, wo Regula heute lebt.

Doch bevor wir zu ihrem neuen Heim fahren, machen wir noch im nahe gelegenen Shoppingcenter Einkäufe. Die Fahrt dauert nur zwanzig Minuten, davon jedoch die Hälfte über eine unbefestigte Strasse, womit die Autowäsche so ziemlich für nichts gewesen war...

Kurvig geht's durch Ranchcountry. Immer wieder erblicken wir einsam gelegene Wohnhäuser oder Ranchs im hügeligen Gebiet. Eine letzte Fahrt in die Höhe bringt uns zu einem grösseren Wohnhaus, welches sich als das neue Heim von Regula entpuppt. Es hat viel Umschwung, liegt oberhalb eines idyllischen Creeks und rundherum hat es Wald. Ein schöner Platz!

Als erstes dürfen wir das Haus besichtigen, welches einfacher ist als das erste Haus, das sie zusammen mit Martin, Dani und Mark bewohnt hat. Aber es hat Charme und Regula ist mit Joseph hier sehr glücklich, was man sofort merkt. Es gibt viel zu erzählen, wie immer wenn man sich nach so langer Zeit wieder einmal sieht. Es ist viel passiert in Regulas Leben seit sie Worb verlassen haben. Und trotz dem tragischen Tod von Martin hat sie nie mit dem Gedanken gespielt wieder in die Schweiz zurückzukehren. Sie arbeitet wieder als Krankenschwester im Spital von 100 Mile House und ist mit ihrem neuen Partner Joseph sehr glücklich. Joseph haben wir noch nie kennen gelernt. Sie ruft ihn an, dass wir bald lunchen würden. Schön, dass wir heute die Chance kriegen!

Wir decken draussen den Tisch, im Cheminee wird Feuer angezündet und Regula macht einen leckeren griechischen Salat parat. Schon bald kommt Joseph nach Hause und es freut uns riesig ihn endlich kennen zu lernen. Es ist ein sehr netter Mann und wir staunen nicht schlecht, wie ähnlich er Martin äußerlich ist.

Es gibt ein gemütliches Mittagessen. Auf dem Grill braten wir Würstchen, dazu den leckeren Salat. Nur mit dem Alkohol sind wir zurückhaltend, schliesslich haben wir noch ein paar Meilen vor uns.

Wir haben viel zu plaudern und es ist schön zu sehen, dass die beiden einander wirklich schätzen. Sie lieben beide die Wildnis Kanadas und geniessen Ausflüge mit ihrem Camper zu schönen Seen oder in die Berge der Rockies. Wir müssen versprechen, dass wir das nächste Mal länger nach 100 Mile House kommen, damit wir mal ein paar der schönen Plätze kennen lernen, wo sie so gerne ihre Wochenenden verbringen. Machen wir!

Das Wetter verschlechtert sich zusehends und plötzlich beehren uns die ersten Tropfen, so dass wir uns ins Haus auf den Balkon verziehen. So geniessen wir den abschliessenden Kaffe auf dem überdeckten Balkon. Da wir noch über 300 Meilen vor uns haben, müssen wir uns aber irgendwann verabschieden mit dem Versprechen bald wiederzukommen.

Wir finden sogar wieder die Hauptstrasse! Dies ist gar nicht so einfach, sind wir doch mehrmals irgendwann irgendwohin abgebogen. Aber wir schaffen es und schon bald haben wir 100 Mile House wieder erreicht. Rasant führt uns der Cariboo Highway über die lang gezogenen Hügelketten. Ein paar Meilen vor Cache Creek verlassen wir den Highway 97 und biegen westwärts ab in den Highway 99. Ab hier wird's mühsam. Der Highway wird an vielen Orten repariert. Schilder weisen darauf hin, dass das Projekt der Olympiade 2010 in Whistler gilt. Man ist sozusagen am "Aufrüsten". Immerhin wird dies eine der Zufahrten zum grossen Ereignis sein.

Auch das Wetter verschlechtert sich weiter. Wir erreichen das trockene wüstenartige Tal bei Lillooet, wo Petrus definitiv die Schleusen öffnet. Es regnet in Strömen! Zusammen mit der Schneeschmelze der vergangenen Tage ist dies ein verhängnisvolles Zusammentreffen. Entsprechend führt der Fraser River Hochwasser. Die braune Brühe schiesst tosend im Tal durch die Schlucht. Ein beeindruckender Anblick!

Da wir nun ein paar Tage wieder ohne Natelempfang waren, ertönt plötzlich das Zeichen für ankommende SMS. Einerseits ist es Mama, die uns mitteilt, dass alles in Ordnung ist und andererseits Mani, die uns riesig schockiert: Roger musste notfalls operiert werden, da man bei ihm Hodenkrebs diagnostiziert hat. Wir können es kaum glauben! Ich schreibe ihr sofort, dass wir uns von Whistler aus dann melden werden. Schliesslich waren wir das letzte Mal mit den Beiden hier.

In Lillooet wenden wir uns der schönen Passstrasse zu. Einen kurzen Halt gibt's am Seton Lake, der jedoch grau und unfreundlich wirkt. Bei dem Wetter... Die Strecke durch die Berge nach Pemperton haben wir schon ein paar Mal befahren, jedoch noch nie bei so garstigem Wetter. Die Wolken hängen tief an den Berghängen und es strätzt! Immerhin hat es kaum Verkehr, so dass Jürg rasant über die verschiedenen Höhen kurven kann. Machten wir bei früheren Fahrten immer wieder Halte an schönen Seen, fahren wir dieses Mal ohne einen Stopp über die Passhöhe. Das Thermometer im Auto zeigt immer tiefere Werte. Brrrr...

Geht's rauf geht's auch mal wieder runter! Wir erreichen Pemperton, wo wir kurz von der Polizei aufgehalten werden. Der Cheakamus River ist über seine Ufer getreten und hat den Highway teilweise überspült. So kann immer nur eine Richtung vorsichtig befahren werden und die andern haben zu warten. Langsam durchfahren auch wir die Fluten. Wow, die Leute haben wirklich Probleme hier!

Um halb sieben erreichen wir müde unseren heutigen Zielort Whistler. Schnell finden wir unser Hotel, das Hilton. Im 5. Stock erhalten wir ein schönes Zimmer mit Jacuzzi und Cheminee. Nach acht Tagen einfachere Unterkunft in Cabins (die wir sehr geliebt haben), geniessen wir hier wieder die Annehmlichkeiten der Zivilisation: ein breites King Size Bett, einen TV mit hundert Sendern (wir sind wirklich geschädigt...) und vor allem: keine Moskitos!

Wir sind auf den Felgen und nicht besonders hungrig. Beim Roomservice lassen wir uns eine kleine Pizza aufs Zimmer bringen, dazu gucken wir vom Bett aus TV. Schön durch die vielen Sender zappen zu können. Sind das Entzugserscheinungen? Wir sind wirklich arme zivilisationsgeplagte Leute...

Der Wetterbericht meldet wenig gutes. Die nächsten Tage soll es regnerisch bleiben. Schade! Wir sind nun das dritte Mal in Whistler. Bis jetzt war das schöne Städtchen immer unser Übernachtungsort für den Weg zur Ten-ee-ah Lodge. Wir blieben nie länger. Dieses Mal wollten wir dies ändern, damit wir mal die Berge geniessen können, Wanderungen unternehmen, oder zumindest mal mit der Sesselbahn in die Höhe fahren können. Es scheint aber nichts daraus zu werden. Na warten wir mal ab...

Müde gibt's schon bald Lichterlöschen. Obwohl wir die Ten-ee-ah Lodge vermissen, werden wir immerhin von keinen Pferden, laut zwitschernden Spatzen oder Moskitosummen geweckt. Immer das Positive sehen...

© Franzi S., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Kreuzfahrtschiff gehts von Vancouver aus in den Südwesten Alaskas. Danach geniessen wir mit dem Mietwagen die Wildnis von British Columbia.
Details:
Aufbruch: 17.05.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 13.06.2007
Reiseziele: Kanada
Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Franzi S. berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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