Canada und Alaska

Reisezeit: Mai / Juni 2007  |  von Franzi S.

Tag 6 auf See - Canada hat uns wieder

Samstag, 26. Mai 2007

Unser letzter Tag an Bord bricht an! Wir mutieren zu richtigen Langschläfern und erwachen erst um sieben Uhr! Ein Blick zum Fenster hinaus zeigt uns immer noch einen verhangenen Himmel, aber man erkennt das Festland. Es scheint heute keine Fantasy-Fahrt in die zeitlose Ewigkeit zu geben.

Gemütlich wälzen wir uns aus den Federn und machen uns "stadtfein". Das Frühstück nehmen wir wiederum im Seven Seas ein. Ich kann nicht widerstehen noch einmal die leckeren Eggs Benedict mit Spinat und Lachs zu geniessen, dazu die obligate Früchteplatte. Ich werde die wirklich vermissen!

Auf dem Rückweg zu unserer Kajüte schlendern wir noch einmal durch die Einkaufspassage. Als gute Touristen kaufen wir uns noch ein paar Andenken der Norwegian Sun. Zudem erblicken wir eine Spiel-Box. Da wir in den nächsten 14 Tagen abgeschieden in der Wildnis sein werden, wollen wir für allfälliges Schlechtwetter ausgerüstet sein!

Im Zimmer schmeissen wir uns wieder in die warmen Klamotten und machen auf dem Promenadendeck unsere sportlichen Runden. Wir scheinen in der Inside Passage angekommen zu sein. Backbordseitig erblicken wir das kanadische Festland, steuerbordseitig Vancouver Island. Mit Sperberaugen suchen wir die Wasseroberfläche ab. Hiess es doch in unserer Schiffstageszeitung, dass man in dieser Gegend häufig Orcas sehe. Wir laufen und laufen, schauen und schauen - keine einzige Flosse ist zu entdecken. Diese Viecher müssen irgendwo im Urlaub in der Südsee sein... Natürlich erklärt mir Jürg mehrere Male, also ER habe gestern halt einen gesehen. Ja ja Jürg! Ich weiss es... Gratulation dazu!

Grau in Grau gehts durch die Inside Passge

Grau in Grau gehts durch die Inside Passge

Wo fährt die Fähre wohl hin?

Wo fährt die Fähre wohl hin?

Um halb zwölf begeben wir uns ins Internet-Café um mal allen Zuhausegebliebenen einen ersten Überlebensbericht zu schreiben. Auch das Wetter checken wir ab. Wird ab Sonntag gar nicht so übel. Sie melden vom Montag an Sonnenschein und über 30 Grad. Was will man mehr...

Für unseren mittäglichen Hunger wagen wir uns in die allseits beliebte Kampfzone und ergattern Äpfel und Bananen. Ein weiteres Mal überleben wir die Annäherung ans Buffet. Puh...

Zurück im Zimmer ist wieder ein wenig Relaxen angesagt. Im Kinokanal läuft gerade der Anfang von "Batman begins". Nachdem ich es zwei Mal geschafft habe immer nur den Schluss von diesem Film zu sehen, möchte ich gerne mal alles gucken. Ich schaffe es sogar wach zu bleiben! Jürg nicht, der schlummert selig ein.

Um halb drei ist der Film fertig. Es wartet noch eine ungeliebte Pflicht auf uns: Koffer packen! Wir wurden aufgefordert ein Formular auszufüllen, wie dringend wir das Schiff verlassen müssen. Da wir weder auf den Flughafen noch auf den Zug müssen, sind wir nicht sonderlich in Eile. Das Ausschiffen beginnt bereits um sieben Uhr für die ganz Eiligen. Wir werden vermutlich erst zwischen zehn und halb elf das Schiff verlassen. So packen wir alles, was wir nicht mehr brauchen in den Koffer und die grosse Tasche und befestigen daran die farbige Etikette, die dem Stewart genau zeigt, wann wir auschecken werden. Die Koffern müssen wir dann heute Abend vor die Türe stellen.

Da es draussen trocken ist, begeben wir uns aufs Sundeck um ein letztes Mal die Fahrt auf unserem Hochsitz zu geniessen. Es ist erstaunlich warm, so dass wir die Jacken schon bald ausziehen können. Obwohl es bewölkt ist, haben wir einen herrlichen Ausblick auf die vorbeiziehenden Inselchen. Kein Mensch stört uns hier oben. Wir haben das Schiff sozusagen für uns, und das finden wir echt schön! Mit der richtigen Musik aus dem iPod werden es wunderschöne zwei Stunden, wo wir hier oben sitzen und uns den Fahrtwind ins Gesicht blasen lassen.

Der Hochsitz ist fürs Filmen ideal

Der Hochsitz ist fürs Filmen ideal

Backbordseitig befindet sich das Festland, steuerbordseitig Vancouver Island

Backbordseitig befindet sich das Festland, steuerbordseitig Vancouver Island

Der krönende Höhepunkt ist die Sonne, die durch Lücken in der Wolke hinter unserem Schiff erscheint und die Passage wie mit einem Vorhang aus Strahlen verschönert. Was für eine herrliche Stimmung. Magisch und mystisch!

Mystisch verabschiedet sich die Inside Passage von uns

Mystisch verabschiedet sich die Inside Passage von uns

Um halb sechs werden wir hungrig. Schnell ziehen wir uns um und begeben uns wieder ins Seven Seas. Wiederum erhalten wir einen tollen Tisch am Fenster. Für mich gibt es heute Früchte, Mozarella und Tortellini. Zum Abschluss unserer Reise geniessen wir noch einmal eine Flasche White Zinfandel.

Am Nebentisch erhalten wir Besuch. Eine ältere Dame wird im Rollstuhl an den Tisch geschoben, wo sie sich dann auf den Stuhl umplatziert. Der Gatte nimmt vis-à-vis Platz. Die gute Dame sitzt noch kaum auf ihrem Allerwertesten als sie bereits zu uns hinüber ruft, woher wir denn kämen (die Tische sind nicht sehr nahe, sie muss schon recht laut sprechen, dass wir sie hören). Dummerweise hören wir sie und antworten natürlich höflich, so wie wir erzogen wurden. "From Switzerland" - sie spricht Englisch! Tja, dann geht's erst so richtig los! Wie lange wir denn unterwegs seien, wohin wir noch gehen würden, was wir zuhause arbeiten würden und bla bla bla... Ein Verhör ist eine Plauderei dagegen! Als ich nicht von mir aus frage, warum sie denn im Rollstuhl daher gefahren kam, erklärt sie es netterweise von sich aus, womit wir bei ihr und ihrem schweigsamen Gatten (warum wohl?) angekommen sind und sie sich erst recht in Fahrt redet. Sie käme von Southampton im Süden Englands. Sie hätten dort ein Häuschen, wo sie jeweils Studenten beherben würden, und die würden sie vergöttern, weil sie ja so gut zu ihnen schaut (kann ich mir lebhaft vorstellen) und Südengland wäre der schönste Ort auf Erden (was macht sie denn hier...?), und bla bla bla... Ach ja, und im Rollstuhl sitzt sie, weil es ihr am ersten Tag der Reise in den Rücken "geschossen" hat. Sie durfte 5 Tage ihre Kabine nicht verlassen. Na das erklärt doch den Nachholbedarf an Kommunikation...

Endlich bringt der Kellner den Beiden das Essen und ihr Redeschwall versiegt. Ich kann es kaum glauben wie viele Informationen man in dieser Zeit loswerden kann. Die Gute hat sicher schon Wettbewerbe in dieser Kampfsportart gewonnen...

Jürg und ich verschlingen das Dessert, trinken den Wein ungewohnt schnell zu Ende und verabschieden uns liebenswürdig von den Beiden. Wir sind entkommen!!!

In unserer Schiffstageszeitung war zu lesen, dass wir ab sieben Uhr die "Narrows" erreichen, die engste Stelle in der Inside Passage. Wir haben gelesen, dass die Inside Passage für Kapitäne generell eine Herausforderung ist, aber die schwierigste Passage für Schiffe dieser Grössenordnung seien die Wrangell Narrows. Man kann diese Stelle nur zu ganz bestimmten Zeiten fahren, da die Flut auf dem höchsten Stand sein muss, sonst haben die Schiffe schlicht zu wenig Wasser unter ihrem Kiel. Selbst bei Hochwasser sind oftmals nicht mehr als anderthalb Meter zwischen Kiel und den Felsen. Au Backe...

Die Bojen sind noch aus der Zeit des Goldrausches und wurden seither nicht mehr verändert. Viele Fähren und Fischerboote liefen hier auf Grund. Ich kann mir vorstellen, wie auf der Brücke höchste Konzentration herrscht! Und wir helfen denen mal indem wir auf unserem Hochsitz auf dem Sun Deck alles von oben überblicken! Wir sind uns unserer Wichtigkeit bewusst...

Es nachtet ein und wir wollen die Narrows auf dem Sundeck erleben

Es nachtet ein und wir wollen die Narrows auf dem Sundeck erleben

Nun was unter dem Schiff ist, erkennen wir natürlich nicht von hier oben. Dass aber das Land linker- und rechterhand immer näher rückt, schon. Auch das Wetter weint am letzten Abend. Es nieselt unangenehm. Eine ältere Lady gesellt sich zu uns. In einer weitaus angenehmeren Art als unsere englische Landlady beginnt sie ein Gespräch mit uns. Ihr Gatte ist Pilot, sie kommen aus Ontario und fahren morgen zu ihrer Tochter, die in Vancouver wohnt.

Das Wetter wird immer garstiger! 2003 waren wir mit unseren Freunden Mani und Roger auf einer Insel namens Quadra Island, wo wir ein paar herrliche Tage in einem Cabin direkt an der Inside Passage verbrachten. Wir wollen unbedingt diese Insel und unser Häuschen mit der schönen Tsa Kwa Luten Lodge sehen. Wir könnten dann ein Foto schiessen und den beiden ein MMS schicken.

Doch das Wetter wird immer ungemütlicher, so dass wir uns in die Observation Lounge zurückziehen. Wir haben keine Ahnung, wann wir Quadra Island passieren werden. Als wir unsere Spielabende vor dem Cabin hatten, kamen die Kreuzfahrtschiffe jeweils beim Einnachten. Es war ein unglaublicher Anblick, denn genau bei Quadra Island ist die schmalste Fahrrinne. Die Schiffe fuhren leise und unglaublich schön beleuchtet an uns vorbei wie riesige Mehrfamilienhäuser. Wir sind bei jedem Schiff in Begeisterung ausgebrochen und haben viele Fotos davon gemacht. Und nun sind wir selber auf einem dieser Schiffe!

Wir geniessen einen heissen Kaffe und schauen uns Backbordseitig die Landschaft genauestens an! Es ist gar nicht so einfach die Inseln auseinander zuhalten. Alles sieht so ähnlich aus!

Eine Sängerin verwöhnt uns während der abendlichen Fahrt mit schönen Liedern und einer einmaligen Stimme. Es passt wunderbar zu allem, und wir geniessen den letzten Abend in vollen Zügen.

Endlich um halb zehn erblicken wir die Lichter von Campell River auf der Steuerbordseite. Von dort aus sind wir vor 4 Jahren mir der Fähre nach Quadra Island gefahren. Also düsen wir im Sauseschritt hinauf aufs Sun Deck und halten Ausschau nach unserer Lodge. Es ist schon ziemlich dunkel und auf der Insel blitzt es wie bei einem Gewitter. Es sind Touristen wie wir es waren, die unbedingt ein Foto vom hell erleuchteten Schiff machen wollen. Man kann sich diesen Anblick kaum vorstellen, wenn ein so riesiges Kreuzfahrtschiff in voller Beleuchtung so nah am Ufer vorbeifährt. Es ist Wahnsinn... Und entsprechend blitzt und blitzt es wie verrückt. Dort müssen sich Hotels befinden.

Campell River auf Vancouver Island

Campell River auf Vancouver Island

Wir setzen uns wieder auf unseren Hochsitz. Plötzlich steht ein älterer Herr neben mir und beginnt ein Gespräch. Er ist Finne, lebt aber in Vancouver und ist pensionierter Kapitän. Er hat jahrelang Fähren hier durch manövriert. Er erklärt mir, dass ein Schiff hier nicht schneller als 4 Knoten fahren darf, und dass für die Brücke höchste Aufmerksamkeit gefordert ist! Das kann ich mir vorstellen...

Quadra Island will und will nicht erscheinen! Das Schiff wird immer langsamer und langsamer und plötzlich - schon fast bei voller Dunkelheit - erblicken wir die Lichter der auf einer Anhöhe gelegenen Tsa Kwa Luten Lodge. Was für ein schöner Anblick. Unser Cabin erkennen wir knapp unten am Meer. Und auch dort stehen Menschen und fotografieren unser Schiff. Natürlich wird nichts aus einem Handyfoto. Es ist bereits zu dunkel. Trotzdem stehen wir hoch erfreut an der Reeling und winken unserer Lodge zu. Immerhin reicht es für ein SMS an Mani, dass wir grad an unserer Insel vorbeifahren würden.

Wir spazieren zurück in unser Zimmer. Die letzte Nacht ist angebrochen. Wenn wir morgen erwachen, werden wir bereits in Vancouver angekommen sein. Wir sind uns einig, es war eine wunderschöne Reise, die uns mit vielen wunderbaren Erlebnissen verwöhnt hat.

© Franzi S., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Kreuzfahrtschiff gehts von Vancouver aus in den Südwesten Alaskas. Danach geniessen wir mit dem Mietwagen die Wildnis von British Columbia.
Details:
Aufbruch: 17.05.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 13.06.2007
Reiseziele: Kanada
Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Franzi S. berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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