Wwoofing in Schweden: Ein Urlaub der anderen Art

Reisezeit: August / September 2017  |  von Kathrin Hentzschel

Donnerstag, 24.8.: Fahrt durch Wallanderland

Abschied auch von Sophie. Im Oktober sehen wir uns wieder

Abschied auch von Sophie. Im Oktober sehen wir uns wieder

Ich lausche den Stationsansagen und höre erstmals, wie die Ortsnamen aus den Romanen richtig ausgesprochen werden – zum Beispiel Smedstorp, wo Wallander in „Der Mann, der lächelte“ die schöne Pastorin befragt. Oder Tomelilla ("Tumelilllla"). Die Landschaft strahlt gepflegte Langeweile aus. Verschwunden sind die Wälder und Seen; endlose Felder, auf denen das Korn noch steht, erstrecken sich in leichten Wellen. Nicht anders als bei uns in „Nygard“ … Zum ersten Mal hinterfrage ich meine Entscheidung, das hinterwäldlerische, aber schöne Smaland verlassen zu haben. Auf einmal befinde ich mich unter der Erde, und über mir ist die drittgrößte Stadt Schwedens – Malmö!

Gepflegte schonische Langeweile.

Gepflegte schonische Langeweile.

Zum Vergleich die Agrarwüste in der Vorderpfalz.

Zum Vergleich die Agrarwüste in der Vorderpfalz.

An der Endstation Simrishamn werde ich – Überraschung! – von einer blonden Frau angesprochen. Es ist Lisa, die in der Bibliothek Asterix-Comics für ihre Töchter, die gerade die Römer durchnehmen, ausgeliehen hat, und es hat zeitlich gepasst. Wie nett!

Endstation Simrishamn in Südostschonen. Weiter könnte der Zug nicht fahren, sonst würde er ins Meer rollen.

Endstation Simrishamn in Südostschonen. Weiter könnte der Zug nicht fahren, sonst würde er ins Meer rollen.

Auf der Fahrt nach Grönhult begreife ich, dass ich in der schönsten Ecke Schonens gelandet bin: Es ist nun hügelig, die Wiesen von fast obszönem Grün, immer wieder unterbrochen von kleinen Wäldern. Die Sonne scheint, und die Farben sind unverschämt prall. Diese Begeisterung teilen laut Lisa auch die Stockholmer. Nun sei der Stockholmer an sich ja reich und etwas blasiert und würde niemals in Smaland Urlaub machen, aber diese schonische Ecke gelte als schick, und daher seien die Preise entsprechend. Sie selbst profitierten auch davon, erzählt Lisa. Sie hätten den ganzen Sommer über ihren Hof vermietet. Ich kenne ihn vom Bild, ein echter schonischer Hof, weiß verputzt mit dicken Steinen zwischendrin. Sehr malerisch, doch leider komme ich nicht dazu, ihn zu fotografieren. Warum, wird der geneigte Leser noch sehen. Nur Geduld ...!

Sie zeigt mir, wo sie den Sommer über selbst gehaust hätten – sie, ihr Mann Rune, ein lachendes, dänisches Kügelchen, und die Töchter, beide Waldorfschülerinnen: Das Schlafzimmer war ein Bauwagen, in dem noch die muffige Bettwäsche der letzten Monate liegt, und eine Scheune. Dort gibt es einen Kochbereich mit einem fettverklebten Herd und eine staubige Sitzecke. Ich erfahre, dass das ab sofort meine Domizile sind und bin etwas geschockt. Max, ein Mit-Wwoofer von der ersten Farm, hat eine Referenz über mich geschrieben: „Kathrin is very engaged for an ecological lifestyle and will, if offered adequate accomodation, for sure be a great help at any farm.“ Daran denke ich jetzt. Ob die Unterbringung adäquat ist, muss ich mir noch überlegen. Mein „Bad“ ist eine ehemalige Sattelkammer in einem Stall mit einem winzigen Blechwaschbecken (immerhin mit Licht und Spiegel), einem Kompostklo, das von seinem Sauberkeitszustand an eine stark benutzte Zugtoilette erinnert und neben dem eine Kiste mit geschlüpften Küken unter einer Rotlichtlampe steht.

Schlafzimmer auf der grünen Wiese.

Schlafzimmer auf der grünen Wiese.

Doch als ich mein Bettzeug im Bauwagen (ich suche mir die am wenigsten muffige und die beste Matratze aus) mit frischer Bettwäsche beziehe, den Ausblick gewahre und meine nächsten Nachbarn, vier Gänse und vier Enten kennen lerne, beschließe ich, ihn zu mögen. Schließlich war es auch Wallanders Glück, aus seinem Haus zu gehen und in den Hof zu pinkeln, und das kann ich jetzt nachts ebenfalls tun, denn der Weg zum Stall ist weit und nachts ist es kalt und dunkel.

So sieht es von innen aus.

So sieht es von innen aus.

Das ist der Ausblick.

Das ist der Ausblick.

Ausblick nach vorne.

Ausblick nach vorne.

Und das ist die Nachbarschaft!

Und das ist die Nachbarschaft!

Lisa zeigt mir die Schafweide, deren Elektrozaun ich die nächsten Tage von Gestrüpp freischneiden soll. Das älteste Schaf ist zahm wie ein Hund, und die Hämmel haben lachende Gesichter. Mein zweites Projekt wird das Ausbuddeln von Kartoffeln aus einem völlig verunkrauteten Acker sein. Während ich Frühstück und Mittagessen in der Scheune einnehmen soll – dafür bekomme ich Brot, Butter, Marmelade, Obst und Käse mit – bin ich heute Abend an den Familientisch eingeladen, und das Essen ist ein Traum. Alles vom eigenen Hof, und mir zuliebe vegetarisch.

Den Abend beschließe ich mit Putzen des Blechwaschbeckens, ein bisschen Aufräumen der Scheune (ohne den Fettherd anzufassen), einer Tasse Tee auf der Treppe des Bauwagens und Lesen beim heimeligen Schein einer Solarlampe in meinem Bett. Nicht unkommod!

Auf meiner Veranda.

Auf meiner Veranda.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Schweden auf die (hm, vermeintlich) günstige Tour: Durch Wwoofing - auf Biofarmen gegen Kost und Logis arbeiten. Ich hab's ausprobiert, und es wurde ein tolles Abenteuer mit vielen unvorhergesehenen Vorfällen!
Details:
Aufbruch: 14.08.2017
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 01.09.2017
Reiseziele: Schweden
Der Autor
 
Kathrin Hentzschel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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